Die immobilienwirtschaftliche Forschung werde sich in den kommenden Jahren auch mit Fragen der Stadtentwicklung beschäftigen müssen, sagtProfessor Hanspeter Gondring. Foto: Mierendorf

In der Immobilienwirtschaft gibt es immer mehr Akademiker. Gleichwohl steigt auch der Bedarf an Forschung. Vor allem Fragen zur Stadtentwicklung stehen im Fokus.

Als Hanspeter Gondring vor rund 15 Jahren die ADI Akademie der Immobilienwirtschaft ins Leben rief, gab es in Deutschland gerade einmal drei Hochschulen, die immobilienwirtschaftliche Studiengänge anboten. Heute gibt es rund 170 Studiengänge. 'Der Anteil der Akademiker in diesem Bereich steigt von Jahr zu Jahr. Das gab es früher nicht', stellt er fest. Trotz der bundesweiten Hochschulkonkurrenz freut sich die Weiterbildungseinrichtung über einen stetigen Zulauf. Gondring, im Hauptberuf Professor für Immobilien- und Versicherungswirtschaft an der Dualen Hochschule Stuttgart, kennt auch den Grund: der formale Hochschulabschluss sei das eine, eine praxis- und anwendungsorientierte Ausbildung das andere. Seit drei Jahren habe die ADI einen unglaublichen Zulauf an allen Standorten. Und das, obwohl sich durch die Umstellung auf die Bachelor- und Masterstudiengänge die Studienzeit verlängert habe.

'Früher konnte man den Diplom-Kaufmann in acht Semestern machen.' Heute brauche man drei Jahre bis zum Bachelor, ein Praxisjahr und dann noch einmal zwei Jahre für den Master. Und der sei dann in vielen Fällen 'nur' ein Bezahl-Master. 'Sobald in der Bildung Geld fließt, steigt die Gefahr, dass die Qualität leidet. Denn es ist schwieriger, jemanden durchfallen zu lassen, der 20 000 Euro bezahlt hat, als einen, der wie früher das Diplom ausschließlich für Leistung bekommen hat', kritisiert er. Gleichwohl sei aber die Ausbildung insgesamt nicht schlechter geworden. Im Gegenteil: der Akademisierungsgrad der Immobilienwirtschaft bewege sich auf einem erfreulich hohen Niveau.

Steigender Verwaltungsaufwand

Dagegen sei in den zurückliegenden 15 Jahren aber der Hochschulapparat insgesamt bürokratischer geworden. 'Die Hälfte meiner Zeit verbringe ich mit Verwaltungsaufgaben. 'Da bleibt die Lehre etwas auf der Strecke', sagt er, um aber gleich hinzuzufügen, dass er im zurückliegenden Jahr rund 300 000 Euro an Forschungsgeldern einspielen konnte. 'Das hätte mehr sein können, wenn es noch die alten Diplomstudiengänge geben würde.' Die neuen Studiengänge würden den Verwaltungsaufwand gewaltig ansteigen lassen, beklagt Gondring. Dabei gibt es gerade im Immobilienbereich noch einiges, was aus seiner Sicht richtig durchforscht werden müsste. Jeder spreche derzeit vom demografischen Wandel und der kommenden Altersarmut. 'Wie die Wirtschaft und insbesondere die Immobilienwirtschaft und die gesamte Stadtentwicklung davon beeinflusst werden und auch darauf reagieren müssen, ist überhaupt noch nicht wissenschaftlich untersucht worden', sagt er.

Einen weiteren Forschungsschwerpunkt sieht Hanspeter Gondring beim Thema Finanzmarkt: Die Finanzkrise im Jahr 2008, bei der Immobilienfinanzierer mit hypothekarisch gesicherten Derivaten auf die Nase flogen, wäre so nicht gekommen, hätten diese Banken die 'Sprache' des internationalen Verbriefungsmarktes und des amerikanischen Immobilienmarktes verstanden. Immobilienfinanzierung ist immer Risikopolitik, erklärt Professor Gondring. Hier sei noch ein erheblicher Forschungsbedarf. Denn auch wenn sich die Immobilienwirtschaft über den Kapitalmarkt finanziert, spreche sie nach wie vor nicht dessen Sprache. 'Schauen Sie sich institutionelle Investoren wie Fonds oder Versicherungen an. Hinter deren Anlagen sind mittlerweile mathematische Systeme installiert.' Eine Notwendigkeit, die den Eigenkapitalvorschriften nach Basel III oder auch Solvency II geschuldet ist, erläutert Gondring. Damit sich die Immobilienwirtschaft auch hier nahtlos einfügen kann, müsse sie langsam diese mathematische Risikosprache lernen.

"Die Immobilie ist sowohl Sozial- als auch Wirtschaftsgut"

'Natürlich können wir eine Immobilie nicht mit einer Anleihe oder Aktie vergleichen, da sie heterogen ist', sagt er. Es gehe vielmehr darum, den künftigen Studentengeneration beizubringen, wie die Finanzwelt tickt. Gondring: 'Vor zehn Jahren hat die Immobilienwirtschaft immer noch mit der statischen Maklerformel gerechnet. Heute sind die Verfahren der modernen Investitionsrechnung bereits etabliert und Standard. Und irgendwann wird auch die Immobilienbranche wie der Kapitalmarkt mit Wahrscheinlichkeiten rechnen', hofft er. Erst dann werde der Immobilienmarkt auch am Kapitalmarkt angekommen sein. Es geht dabei längst nicht mehr um die einzelnen Produkte einer Finanzierung. 'In spätestens zehn Jahren werden Banken und Investoren im gewerblichen Immobilienbereich ihre Finanzierungszusagen mehr und mehr von mathematischen Risikomodellen abhängig machen, glaubt Gondring. Daran würden auch die Politiker nichts ändern, die vehement ihre Bedeutung im großen Immobilienspiel betonen.

'Die Immobilie ist Sozialgut, sie ist aber auch ein Wirtschaftsgut', sagt Gondring. Doch das Ringen um einen sozialen Wohnungsbau mit günstigen Mieten werden die Städte verlieren, ist sich der Professor sicher. 'Wer bestimmt letztendlich, wie viel Büro oder Einkaufszentrum gebaut wird', fragt er. Natürlich wollten alle Kommunen und deren Politiker bei der Stadtgestaltung mitsprechen. Doch die Wünsche seien meistens einseitig. 'Das Kapital sagt, was es braucht und will. Die Politik kann darauf einsteigen, oder die Investoren gehen nach München, Frankfurt oder Hamburg. Das gilt auch in Stuttgart. Denn mit leeren Kassen kann man noch so schöne Programme entwerfen. Am Ende muss es jemand bezahlen. Und der bestimmt - wie überall', sagt Hanspeter Gondring.