Gauner schwimmen auf Mietpreiswelle mit Exp Foto: Lichtgut/Leif Piechowski

Der angespannte Wohnungsmarkt ist nicht nur für Immobilieneigentümer attraktiv, sondern auch für Betrüger. Sie nutzen die Verzweiflung der Bürger, bezahlbaren Wohnraum zu finden, immer häufiger gnadenlos aus.

Stuttgart - Der angespannte Wohnungsmarkt ist nicht nur für Immobilieneigentümer attraktiv, sondern auch für Betrüger. Sie nutzen die Verzweiflung der Bürger, bezahlbaren Wohnraum zu finden, immer häufiger gnadenlos aus.

Im besten Fall nervt es den Betroffenen einfach nur: Er ist im Internet auf Wohnungssuche in Stuttgart, findet ein geeignetes und günstiges Objekt, will einen Besichtigungstermin vereinbaren und bekommt dann eine Antwort, die ungefähr so lautet: „Hallo, ich bin Neuro-Onkologie-Arzt in Großbritannien. Überweisen Sie mir 350 Euro Kaution und ich schicke Ihnen dann die Schlüssel“ – nur mit deutlich mehr Rechtschreibfehlern.

Besonders in Großstädten, in denen Mietwohnungen Mangelware sind, häufen sich solche Vorkommnisse. Das spürt man auch in Stuttgart. Auf E-Mails wie die eben zitierte stoßen Wohnungssuchende im Netz derzeit häufig. Eine junge Frau hat auf gleich zwei von nur einer Handvoll Anfragen verdächtige Antworten in diesem Stil erhalten. Weil sie Betrug witterte, ging sie auf die Angebote nicht ein.

Wie ein Großteil der Bürger, sagt Sprecher Jens Lauer vom Polizeipräsidium Stuttgart. Die meisten seien zwar klug genug, nicht auf solche offensichtlichen Betrugsversuche reinzufallen – zumal das Preis-Leistungs-Verhältnis von solchen Objekten oft utopisch ist. „Aber wenn es nicht doch welche gäbe, die drauf reinfallen, wären die Betrüger ja nicht mehr aktiv“, sagt Lauer.

Darum machen die Kriminellen weiter. Und zwar dort, wo die Wohnungsmärkte immer härter umkämpft sind: Die Mietpreise in Stuttgart sind zwischen 2007 und 2015 um 29 Prozent gestiegen, sagt der Immobilienverband Deutschland (IVD). Die Seitenbetreiber von Immobilienportalen stellen aus diesem Grund eine immer stärker wachsende Ballung der Betrugsversuche in Großstädten fest.

„Fälle von versuchtem Vorkasse-Betrug treten gehäuft dort auf“, sagt Sonja May, Sprecherin des Onlineportals ImmobilienScout24 – eines der größten im deutschsprachigen Raum. Zum einen sei in Großstädten der Druck auf den Wohnungsmarkt größer. Zum anderen erreiche ein Betrüger in einer Großstadt auch mehr Interessenten für eine Wohnung als in einer Kleinstadt.

Die Methoden werden immer raffinierter

Dabei werden auch die Methoden immer raffinierter. „Es ist ein Katz-und-Mausspiel“, so May weiter. Die Betrüger lassen sich immer neue Maschen einfallen, um die Sicherheitsvorkehrungen der Seitenbetreiber zu umgehen. „Sie passen ihre Strategie kontinuierlich an. Objektbeschreibungen und Fotos werden variiert, um unsere Sicherungsmaßnahmen wie technische Filter zu umgehen“, sagt May.

„Die Ermittlungen sind in den seltensten Fällen von Erfolg gekrönt“, sagt Polizeisprecher Lauer – wenn die Taten denn überhaupt angezeigt werden. Oft sei die Scham der Betrogenen groß, übers Ohr gehauen worden zu sein, weiß Lauer. Vielleicht kann die Polizei auch deshalb rein statistisch keinen Aufwärtstrend bei den Taten feststellen – vieles bleibt schlicht im Verborgenen.

Trotz des Ballungsproblems in den Städten verzeichnen auch die Immobilienportalbetreiber insgesamt weniger erfolgreiche Betrugsversuche als früher, sagt ImmobilienScout24-Sprecherin May: „Pro Woche identifizieren und deaktivieren wir knapp 800 Objekte bundesweit, während sich rund 510 000 verschiedene Immobilienangebote auf unserem Portal befinden.“ Früher seien im Verhältnis weniger verdächtige Fälle gemeldet worden – was heiße, dass viel mehr Menschen als noch vor wenigen Jahren die gefakten Objekte registrierten.

Zu denen, die den Braten gerochen haben, gehört die junge Wohnungssuchende aus Stuttgart, die bis heute keine Wohnung gefunden hat. Zwar kann man zumindest dafür den Betrügern nicht die Schuld geben. Aber es spricht Bände über einen Wohnungsmarkt, wenn er selbst unter Betrügern hart umkämpft ist.