Zählt seit 20 Jahren den Schwalben-Bestand: Michael Schmolz Foto: Lichtgut/Ines Rudel

Schwalben zählen zu den populärsten Vogelarten. Doch der Bestand sinkt. Nach Auskunft des NABU nisten momentan nur 300 Paare im Stadtgebiet.

Stuttgart - Für den Artenschutz ist der Herbst 1974 nach wie vor legendär: Damals sendete der Deutsche Bund für Vogelschutz (DBV) unzählige Exemplare der wendigen Schwalben in Kartons per Flugzeug, Auto und Bahn gen Süden. Ein plötzlicher Wintereinbruch hatte sie kalt erwischt und sie waren zu schwach zum Fliegen. Verglichen mit dieser überregionalen Rettungsaktion nimmt sich die Arbeit von Vogelkundler Michael Schmolz fast bescheiden aus. Wichtig ist sie trotzdem. Er organisiert für den Naturschutzbund NABU seit 20 Jahren die Zählung des Schwalbenbestandes in Stuttgart. Am Samstag gewährte der Fachmann in Cannstatt einen Einblick in seine Arbeit das Leben der emsigen Insektenvertilger.

Schon die nackten Zahlen überraschen: Nur an die 300 Paare der als Frühlingsboten und Glücksbringer geschätzten Zugvögel nisten im Stadtgebiet. Etwa 100 Häuser werden angeflogen. „Eigentlich sollten sich die Bewohner freuen, wenn ein Nest unter ihrem Dach klebt“, so Schmolz. „Stattdessen regen sich einige über den Dreck auf, der mit der Brutpflege einhergeht, dabei ist das ja nur vorübergehend.“ Die Statistik zeigt, welchen Seltenheitswert Schwalbenkot auf der Fensterbank hat: In Cannstatt sind derzeit nur zwölf Pärchen ansässig. In Weilimdorf sind es neun, in Büsnau ist keine einzige Schwalbe registriert. „Das ist deshalb so dramatisch, weil die Vögel bei der Rückkehr aus dem Süden an ihren gewohnten Platz zurückkehren“, erklärt Schmolz. „Normalerweise ziehen sie höchstens ein paar Häuser weiter. Wenn es in einem Stadtteil keine Population mehr gibt, ist es also schwierig, sie wieder anzusiedeln.“

Umso wichtiger sind Vogelfreunde wie Werner Seher aus Vaihingen, der fast dreißig Nistmöglichkeiten an seinem Haus angebracht und so ein wahres Eldorado für Mehlschwalben geschaffen hat. Der Nabu dankt solches Engagement mit der offiziellen Plakette „Schwalbenfreundliches Haus“.

An der Hofener Straße in Cannstatt prangt die Auszeichnung noch nicht. Immerhin lässt man die ansässigen Vögel in Frieden. Der Hausbesitzer, der zufällig vorbeikommt, als Michael Schmolz den Nistplatz besichtigt, ist allerdings wenig begeistert. „Mich kosten die Nester bloß Nerven“, bruddelt er. „Ich muss ständig meine Mieter beruhigen“. Dabei wäre die Lösung so einfach: Die Anbringung eines Schwalbenbretts fängt das, was die reinlichen Tiere aus ihren kugelförmigen Heimstätten werfen, fern. Zu beachten ist dabei lediglich der ausreichende Abstand für den ungestörten Anflug. Wer die pfeilschnellen Flugkünstler zum Nisten einladen will, sollte zudem beachten, dass der Dachvorsprung hell gestrichen ist. Dunkle Farbe hält die gefiederten Freunde ab. Ornithologisch weniger beschlagene Zeitgenossen sollten übrigens aufpassen: Manche Schwalbe könnte sich am Ende als Mauersegler entpuppen. Der ist zwar ebenfalls faszinierend und schützenswert, aber nicht einmal mit dem auf den ersten Blick sehr ähnlichen Vogel verwandt, sondern mit dem Kolibri.