Jeder muss waschen. Viele tun es zuhause, manche im Waschsalon. Diese Menschen kommen aus allen sozialen Schichten. Wir haben uns in der Wasch'Ecke in Stuttgart umgesehen. Klicken Sie sich durch unsere Bildergalerie. Foto: dpa

Student oder Prostituierte: In Waschsalons gehen Leute aus allen Schichten.

Stuttgart - Der Schleudergang setzt ein. Die Waschmaschinen rattern um die Wette. Dann stehen sie still. Nun will der Trockner gefüttert werden. Das Kabel des Bügeleisens wird schließlich noch in die Steckdose gedrückt. Ein neuer Waschtag hat begonnen.

"Einmal waschen, trocknen und bügeln, bitte." Diesen Satz hört die Waschsalon-Betreiberin Irina Dörr mehrmals täglich. Besonders oft montags, freitags und samstags. An diesen Tagen bringen die meisten Menschen ihrer dreckige Wäsche in die Wasch'Ecke an der Katharinenstraße. Manche stecken ihre Sachen selbst in die Maschine, andere überlassen die Arbeit Irina Dörr. An guten Tagen, sagt die 56-Jährige, kommen mehr als 20 Kunden in den Waschsalon.

Laut dem Statistischen Bundesamt besitzen im Jahr 2004 etwa 94 Prozent der Deutschen eine Waschmaschine. Jeder 17. wäscht demnach bei seiner Familie, bei Freunden, gar nicht - oder geht in einen Waschsalon. Doch viele Betreiber tun sich zunehmend schwer. Die Strom- und Personalkosten steigen, die Konkurrenz wächst, allen voran die Billiganbieter mit ihren Selbstbedienungsangeboten. Allein die Stadt Stuttgart listet auf ihrer Internetseite 36 Waschsalons, Wäschereien und Textilreinigungen auf.

Kein Platz für eine Waschmaschine

Ein SB-Waschsalon ohne die persönliche Note kommt für Irina Dörr trotzdem nicht in Frage. "Das ist schon wegen meiner Kunden nicht möglich." Sie meint vorwiegend die Prostituierten aus dem Leonhardsviertel. "Mädchen" nennt Irina Dörr sie. Viele Frauen stammen aus Osteuropa. "Der Großteil der Mädchen spricht kaum Deutsch oder nur ein bisschen Englisch." Für sie sei es angenehmer, wenn sich im Waschsalon Personal um sie kümmert. Ist die Chefin nicht da, arbeitet die fest angestellte Mitarbeiterin oder die Nebenjobberin.

Tiefgründige Gespräche führt Irina Dörr mit den Frauen aus dem Rotlichtmilieu selten. Dennoch weiß sie, dass sie für gewöhnlich in einem winzigen Zimmer leben. Platz für eine Waschmaschine bleibt da nicht. Mit den Rumäninnen klappt die Kommunikation problemlos. Irina Dörrs Wurzeln liegen dort. Die Prostituierten machen mehr als die Hälfte ihrer Kundschaft aus. Ohne sie könne sie den Laden schließen, sagt Irina Dörr. In der Weihnachtszeit beispielsweise, wenn die Mädchen ihre Familien besuchen, stehen die Waschmaschinen häufiger still.

Prompt betreten am Vormittag drei dunkelhaarige Frauen den Waschsalon. Mädchen aus dem Leonhardsviertel. Man erkennt sie an ihren weißen oder schwarzen Lackstiefeln, an viel zu kurzen Röcken, an der dicken Schminke im Gesicht - oder an der Sprache. Während sie Unterwäsche, Oberteile und Jogginghosen in die schwarzen Sporttaschen stopfen, unterhalten die jungen Frauen sich mit gedämpften Stimmen. "Sie sprechen ungarisch", sagt Irina Dörr. "Dankeschön, ciao" ruft eine zum Abschied. Die Tür fällt ins Schloss.

Männer auf Montage

Männer auf Montage

Zu Irina Dörrs Kunden gehören Menschen aus allen sozialen Schichten. Studenten beispielsweise. In ihren Buden herrscht häufig Platz-, in ihren Portemonnaies Geldmangel. Julia studiert an der Universität Stuttgart Kunstgeschichte und wohnt an der Wilhelmstraße. Sie sagt, dass einige ihrer Kommilitonen unter der Woche Waschsalons nutzen. "Am Wochenende bringen sie ihre Klamotten wenn möglich aber lieber zu Mutti." Männer auf Montage können dagegen nicht mal eben ihre Wäsche bei Mutti abliefern. Und für die kurze Zeit in Stuttgart kaufen sie sich auch keine Waschmaschine.

Andere Kunden von Irina Dörr leben zeitweise ohne Waschmaschine. Daniela Völkle ist vor kurzem nach Stuttgart gezogen, wohnt nur zwei Straßen vom Waschsalon entfernt. "Meine Waschmaschine ist noch nicht angeschlossen." Das Kleingeld klimpert in Daniela Völkles Händen. "Ich geh' jetzt mal schnell einkaufen", ruft die Neu-Stuttgarterin Irina Dörr zu, bevor sie den Waschsalon verlässt.

Kein Geld für eine Waschmaschine

Obdach- und Mittellose verzichten aus finanziellen Gründen auf eine Waschmaschine. Ein paar Meter vor dem Waschsalon sucht ein älterer Mann die richtige Hausnummer. Er kann sich keine Waschmaschine leisten, sagt der 71-Jährige. Er senkt den Kopf. Ihm ist seine Lage peinlich, deshalb will er anonym bleiben. Und deshalb wechselt er die Waschsalons regelmäßig. Er will unter keinen Umständen auffallen. Vermeiden, dass die Leute mit dem Finger auf ihn zeigen. Er schlurft weiter. Irina Dörr sagt, dass immer öfter ältere Menschen bei ihr die Wäsche waschen. Sechs Kilo kosten fünf Euro. Für den Trockner zahlen die Kunden einen Euro zusätzlich.

Unternehmer mit zu vielen Handtüchern

Die Tür öffnet sich erneut. Ein Mann mit einer Mütze auf dem Kopf betritt den Waschsalon. Zwei Taschen voller Handtücher bringt er mit. Obwohl bei ihm zuhause eine Waschmaschine steht, wie er erzählt. "Ich betreibe ein Massagestudio und möchte meiner Frau nicht zumuten, jede Woche dutzende Handtücher zu waschen." Allmählich müsse er einen Rabatt kriegen. Er grinst. Aber nur kurz. Der Unternehmer ist in Eile. Er überlässt Irina Dörr die Arbeit.

Zwei weitere Waschmaschinen rattern los. Unermüdlich, neben den anderen Maschinen und für die Menschen, die keinen Platz oder kein Geld für ein eigenes Gerät haben. Oder einfach mehr Wäsche, als ihnen lieb ist.

Die Wasch'Ecke öffnet montags bis freitags von 9 bis 19 Uhr und samstags von 9 bis 20 Uhr. www.wasch-ecke.de

Waschsalons haben es sogar ins Fernsehen und auf die Bühne geschafft. Klicken Sie sich durch unsere Bildergalerie.