Der Daimler-Vorstand für Nutzfahrzeuge, Wolfgang Bernhard (rechts) und Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Bündnis 90/Die Grünen) in Denkendorf auf einer Raststätte der Autobahn A8 vor einem Mercedes-Benz Actros mit weitgehend automatisiertem System. Foto: dpa

Weltpremiere auf der Autobahn A8 mit Politikprominenz: Erstmals fährt ein mit einem Autopiloten ausgestatteter Lkw im öffentlichen Straßenverkehr - mit im Führerhaus sitzt Ministerpräsident Winfried Kretschmann. Wir haben das Video von der Jungfernfahrt.

Stuttgart - Das Verhältnis von Ministerpräsident Winfried Kretschmann zur heimischen Autoindustrie war nicht immer ungetrübt. Inzwischen aber ist er regelmäßig Gast, wenn Daimler oder Porsche zu Terminen rufen. So auch am Freitag, als auf der A 8 zwischen Stuttgart und Ulm auf Höhe der Raststätte Denkendorf erstmals ein autonom fahrender Lkw von Daimler in den Testbetrieb auf öffentlichen Straßen ging.

„Das teilautonome und autonome Fahren ist ein Signal für den Aufbruch in das digitale Mobilitätszeitalter“, sagte Kretschmann. Man gehe damit einen Schritt in Richtung einer intelligenteren und vor allem effizienteren Nutzung der vorhandenen Infrastruktur. „Autonom fahrende und vernetzte Fahrzeuge verbessern den Verkehrsfluss und können entscheidend dazu beitragen, Staus zu vermeiden und Fahrerinnen und Fahrer zu entlasten.“

Land plant Einrichtung eines technologieoffenen Testfelds

Das Regierungspräsidium hatte dem Versuchsfahrzeug vor einigen Wochen die Sondergenehmigung dazu erteilt. Mit der Erlaubnis kann der Mercedes-Benz Actros bundesweit auf Autobahnen erprobt werden. Gleichzeitig kündigte Kretschmann an, die Landesregierung plane derzeit die Einrichtung eines technologieoffenen Testfelds für autonomes und teilautonomes Fahren. Erst kürzlich hatte Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) für die A 9 in Bayern ein solche Erprobungstrecke beschlossen, auf der etwa Baustellen oder Einsatzfahrzeuge Signale an die Autos senden.

Kritik gab es dafür aus Baden-Württemberg und Niedersachsen, weil die dort ansässigen Unternehmen benachteiligt seien. Das soll sich jetzt ändern. „Dieses Projekt ermöglicht es, die hierfür notwendige Technik und Infrastruktur auf Autobahnen, Überlandstraßen und innerorts zu erproben und zu erforschen“, so Kretschmann. Wann genau das Testfeld eingerichtet werden soll, konnte Kretschmann noch nicht sagen. Die notwendigen Mittel im Haushalt würden aber eingestellt.

Zusammen mit Daimler-Lkw-Chef Wolfgang Bernhard setzte sich Kretschmann anschließend ins Führerhaus des Trucks, um sich ein paar Kilometer über die Autobahn fahren zu lassen. Per Live-Übertragung war zu sehen, wie Bernhard im Führerhaus Kaffee serviert, während der Truck selbst steuert. „Nach wenigen Metern dachte ich schon, das ist normal“, sagte Kretschmann nach der Fahrt. Er habe sich absolut sicher gefühlt.

Hier das Video:

Der Lkw ist mit einem Autopiloten ausgestattet. Mit Hilfe einer Stereokamera und vieler Sensoren kann er das Umfeld beobachten und so im fließenden Verkehr selbststätig fahren. Das Fahrzeug hält die Spur und den Abstand zum vorausfahrenden Lkw. Bevor die Autobahn verlassen wird, fordert der Autopilot den Fahrer auf, das Steuer wieder zu übernehmen. Dies gilt auch dann, wenn der Lkw ein Hindernis wie etwa eine Baustelle erkennt oder das System wegen schlechten Wetters oder fehlender Markierungen nicht einwandfrei funktioniert.

Da es sich um teilautonomes Fahren handelt, bleibt der Fahrer voll verantwortlich, muss den Verkehr stets überwachen und jederzeit eingreifen können. Nicht möglich ist es dagegen, den Sitz um 45 Grad zudrehen und etwa nebenbei auf einem Tablet. Dies wird erst in einer nächsten Automatisierungsstufe möglich sein, wie sie etwa der auf der IAA für Nutzfahrzeuge im vergangenen Jahr gezeigte „Future Truck 2025“ repräsentiert.

"Premiere ist ein wichtiger Schritt hin zur Marktreife"

„Unsere heutige Premiere ist ein wichtiger Schritt hin zur Marktreife autonomer Lkw – und hin zu einem sicheren nachhaltigen Straßengüterverkehr der Zukunft“, so Bernhard. Dafür sei eine Erprobung im Verkehr im echten Verkehrsgeschehen ganz entscheidend.

Neben der Erhöhung der Sicherheit durch Abstandshalter, Notbremsassistent oder Müdigkeitserkennung geht es aber auch um den knallharten Wettbewerb. Denn beim Lkw sind die Betriebskosten ein ganz entscheidender Faktor für die Anschaffung. Autonome Trucks können durch optimales Schalten, Beschleunigen und Bremsen den Verbrauch und damit den CO2-Ausstoß um bis zu fünf Prozent senken.

Was sich nach wenig anhört, kann am Ende ein entscheidendes Verkaufsargument sein. Bei Daimler rechnet man, dass der jetzt präsentierte Actros mit Autopilot in drei bis vier Jahren in Serie gehen könnte. Um das autonome Fahren in weiteren Stufen voranzutreiben, ist jedoch auch eine Anpassung des rechtlichen Rahmens notwendig. So muss etwa die Neufassung der Wiener Konvention, die das Führen von Fahrzeugen auch durch automatische Systeme erlaubt, erst in nationales Recht übertragen werden. Hier müsse das Bundesverkehrsministerium tätig werden, so Bernhard. Außerdem müsse bereits jetzt ein Prozess zur Zertifizierung und Zulassung autonom fahrender Lkw angestoßen werden.

Winfried Kretschmann versprach, mit Hochdruck daran zu arbeiten. „Die Demokratie funktioniert meist im Schneckentempo, manchmal brauchen wir aber auch eine Überholspur.“