Auch die Grünen im Bund machen mobil gegen das Freihandelsabkommen. Foto: dpa

Am 19. Oktober gehen die Verhandlungen zwischen den USA und der EU über das Freihandelsabkommen TTIP in die nächste Runde. Die Wirtschaft ist empört, weil die Gewerkschaften gegen den Freihandel mobil machen.

Berlin -

Wenn es um das transatlantische Freihandelsabkommen geht, ist die deutsche Wirtschaft in der Defensive. Wie wollen Sie die Anti-Stimmung noch kippen?
Es ist richtig, dass die TTIP-Gegner mit ihrer Kampagne die sozialen Netzwerke beherrschen. Aber auf öffentlichen Diskussionsveranstaltungen, auf denen es zu einem direkten Austausch von Argumenten kommt, können die TTIP-Befürworter punkten. Diese Erfahrung habe ich jedenfalls gemacht. Deshalb bin ich überzeugt, dass es letztlich eine politische Mehrheit für TTIP geben wird.
Obwohl sich inzwischen die Gewerkschaften der Anti-TTIP-Bewegung angeschlossen haben? Der DGB ruft sogar gemeinsam mit anderen Nicht-Regierungsorganisationen zu einer Großdemonstration gegen TTIP in Berlin auf.
Ehrlich gesagt, verstehe ich die Gewerkschaften nicht, vor allem nicht die IG Metall. Denn keine andere Industrie, kein anderer Wirtschaftszweig hängt so stark vom Freihandel ab wie die Metall- und Elektroindustrie. Allein der Maschinenbau liefert 75 Prozent seiner Produktion ins Ausland.
Die IG Metall sagt, sie sei zwar gegen TTIP aber nicht gegen Freihandel an sich.
Deshalb verstehe ich noch weniger, dass die IG Metall gemeinsame Sache mit Globalisierungsgegnern macht, die erklärte Gegner des Freihandels sind. Denn der möglichst freie Zugang deutscher Produkte zum amerikanischen Markt, gegen den sich die Großdemonstration richtet, sichert hierzulande Zehntausende von industriellen Arbeitsplätzen. Viele davon übrigens in Baden-Württemberg. Für mich steht deshalb fest: die IG Metall handelt ganz klar gegen die Interessen ihrer eigenen Mitglieder.
Welche Bedeutung hat der US-Markt für den Maschinenbau?
Rund zehn Prozent unserer Maschinenausfuhren geht in die USA. Sie sind damit im ersten Halbjahr 2015 zu unserem wichtigsten Exportmarkt hinter der Europäischen Union aufgestiegen. Dass der Maschinenbau seine Lieferungen in die USA in diesem Jahr noch steigern konnte, hat maßgeblich dazu beigetragen, Rückgänge auf anderen Märkten zu kompensieren.
Wozu brauchen Sie denn dann überhaupt noch TTIP?
Weil durch TTIP gerade der industrielle Mittelstand seine Marktchancen jenseits des Atlantiks verbessern könnte. Denn es stimmt doch gar nicht, dass von TTIP in erster Linie die großen Unternehmen profitieren. Die Konzerne sind schon längst auf dem amerikanischen Markt fest etabliert. Sie produzieren in den USA sogar. Wir als industrieller Mittelstand dagegen, der in Deutschland und Europa produziert, haben es wesentlich schwerer, unsere Produkte in den USA zu verkaufen. Wir müssen uns gegen Zölle und technische Hürden durchsetzen, die unsere amerikanischen Mitbewerber begünstigen. Umgekehrt müssen wir uns darauf einstellen, dass auch amerikanische Mitbewerber durch TTIP einen faireren Zugang zum europäischen Markt bekommen. Der deutsche Maschinenbau wird diese Herausforderung selbstbewusst annehmen.
Aber nicht von Demonstranten, sondern von den Unterhändlern selbst scheint derzeit die größte Gefahr für TTIP auszugehen. USA und EU werfen sich gegenseitig Blockade vor. Frankreich droht bereits mit dem Abbruch der Verhandlungen.
Die EU will ihren Agrarmarkt den Amerikanern nicht öffnen, umgekehrt wollen die USA europäische Firmen nicht an öffentlichen Aufträgen beteiligen. Beides betrifft nicht direkt den Maschinenbau. Als Vertreter des industriellen Mittelstands können wir an beide Seiten nur appellieren, sich um einen Kompromiss zu bemühen. TTIP darf einfach nicht scheitern. Denn TTIP ist auch eine Chance für die beiden großen demokratisch organisierten Ökonomien der Welt, die EU und USA, gemeinsame Standards festzulegen, an denen andere Teile der Welt sich orientieren müssen.
Ist denn auch die Industrie zu Kompromissen bereit? Sie hat sich bisher für die umstrittenen Schiedsgerichte ausgesprochen.
Unseren Unternehmen geht es um den Investorenschutz. Der Schutz von Investitionen muss in einem Freihandelsabkommen garantiert sein. Auf welches Verfahren man sich verständigt, ist zweitrangig. Wichtig ist, dass die Dauer und die Kosten eines Verfahrens im Rahmen dessen bleiben, was man einem mittelständischen Unternehmen zumuten kann. Im Prinzip halten wir aber die Investitionsschiedsgerichte, die die EU-Kommissarin Cecilia Malmström als Kompromiss vorgeschlagen hat, für einen gangbaren Weg.