Besuddelte Statuen stehen im Stadtgarten. Mehr Fotos der Parkanlage finden Sie in unserer Bildergalerie. Foto: Peter-Michael Petsch

Am Park im Großstadttrubel scheiden sich die Geister – Besucher vermissen Toilette und mehr Sauberkeit.

Stuttgart - Dominick Ellrich balanciert auf einem nur wenige Zentimeter breiten Band, das er zwischen zwei Bäumen im Stuttgarter Stadtgarten aufgespannt hat. Der 23-jährige Student der Luft- und Raumfahrt springt in die Höhe und landet zielgenau wieder auf der sogenannten Slackline.

Der Stadtgarten zwischen Katharinenhospital, Liederhalle, Universitätsgebäuden und dem Geschäftsareal um die Börse ist in den letzten Jahren zu dem Treffpunkt für die Seiltänzer geworden. Ihre Bänder erinnern etwas an die Abspanngurte von Möbeltransportern. Die großen Kastanien und Ahornbäume im Stadtgarten eignen sich hervorragend für den Tanz auf Seil. „Für uns ist das hier der ideale Platz“, sagt Ellrich, „wir vermissen nur eine Toilette.“ Dass nur wenige Meter weiter, unter dem vor wenigen Jahren errichteten Taubenturm, der Rasen voller Federn ist und Hundekot zum Himmel stinkt, stört die Studenten nicht.

„Ein bisschen sauberer könnten sie es hier schon halten“, findet dagegen Siegfried Bohm. Der 76-jährige Rentner vom Killesberg geht fast täglich durch den Stadtgarten. An den Anblick der Slackliner hat er sich genauso gewöhnt wie an die mit Graffiti besprühten Wände der Betonlandschaft aus den siebziger Jahren um die inzwischen versiegten Springbrunnen vor der Unibibliothek. „Man könnte das hier mit sehr einfachen Mitteln reinigen“, sagt Bohm. „Und das Wasser könnten sie wieder anstellen“, fügt er hinzu. „Ist doch gut hier, zumindest solange man es in Schuss hält.“

Das sieht Jasmine Koursoumidis anders. Die junge Mutter aus dem Stuttgarter Westen durchquert häufig den Stadtgarten mit ihrer kleinen Tochter und findet, die Betonlandschaft könnte einfach ersatzlos entfernt werden. „Da sitzen doch sowieso nur Betrunkene herum“, sagt die 29-Jährige. Tatsächlich zeugen zahlreiche Glasscherben in und um die Brunnenlandschaft von unzähligen Trinkgelagen.

Die Marmorstatuen, die mitten im Park stehen, zeugen von einstigem Glanz

Die Holzplanken der Sitzbänke sind rissig und mürbe von Regen und Sonne. Ein Neuanstrich wäre bereits vor Jahren zu spät gekommen. Dafür sind die Beete bepflanzt wie Oasen inmitten einer Betonwüste. Auch die Marmorstatuen, die mitten im Park stehen, zeugen von einstigem Glanz. Doch das hat sie nicht davor bewahrt, mit Sprühfarbe beschmiert zu werden. Knallrot ist die Farbe auf dem Marmor getrocknet. Die Statuen mit ihren blutenden Wunden sind wie ein Mahnmal für den Niedergang des Stadtgartens.

An der Frage, ob der Park nur aufpoliert werden muss oder ob eine grundlegende Sanierung her muss, scheiden sich die Geister. Geht es nach den Grünen im Gemeinderat, muss eine umfassende Neukonzeption für den Stadtgarten her. Die Tankstelle an der Kriegsbergstraße soll verschwinden und die Straße zum Katharinenhospital hin für Fußgänger überquerbar gemacht werden. Das sieht der Betreiber der Tankstelle, Uwe Schaal, naturgemäß anders. „Die Grünen wollen einfach keine Tankstellen in der Innenstadt“, sagt er. „Aber die Leute, die in der Innenstadt wohnen, und die Besucher des Katharinenhospitals sind froh, dass sie auch nachts noch irgendwo tanken und eine Kleinigkeit einkaufen können“, sagt Schaal. Über die Sanierung des Stadtgartens hat er sich keine Gedanken gemacht. „Ich hab’ eh keine Zeit, dort rumzusitzen“, sagt er. Auf der Rückseite der Tankstelle im Restaurant Mezzogiorno wäre man schon froh, wenn überhaupt etwas zur Verschönerung des Stadtgartens gemacht würde.

Doch es gibt auch Menschen, die den Stadtgarten so genießen, wie er ist. Die 21-jährige Sarah Schröder schiebt ein Mädchen im Rollstuhl durch die Parkanlage. „Ich finde den Stadtgarten sehr schön“, sagt sie. Die Studentin betreut während der Sommerferien behinderte Kinder und Jugendliche in der Einrichtung Offene Hilfe der Diakonie Stetten in der Fritz-Elsas-Straße. Zusammen mit zwei weiteren Ferienjobberinnen fährt sie ihre Schützlinge im Stadtgarten spazieren.

„Wir kommen sehr gerne hierher, weil es ruhig und schattig ist und weil die Wege hier so breit sind, dass man mit drei Rollstühlen nebeneinander fahren kann“, sagt die junge Frau und versucht eine Ehrenrettung: „Dass es hier heruntergekommen sein soll, ist uns noch gar nicht aufgefallen.“