„So würden unsere roten Träuble aussehen, wenn wir noch welche hätten“, sagen Jörg Pratz und Jürgen Weber (r.). Die hier gezeigten Johannisbeeren stammen aus dem Garten des WOGV-Ehrenvorsitzenden Helmut Wirth. Foto: Georg Friedel

Wer tut so etwas? In den Kleingärten auf der Hohewart in Stuttgart-Feuerbach wurden pfundweise Stachelbeeren, Kirschen und Johannisbeeren aus Gärten gestohlen.

Feuerbach - Die gute Nachricht zuerst: Jörg Pratz und Jürgen Weber haben ihre gute Laune nicht verloren. „Man muss diese Geschichte mit einer gehörigen Portion Sarkasmus und Humor betrachten. Warum sollen wir uns von solchen Halbdackeln den Spaß am Garten nehmen lassen“, sagt Kleingärtner Jörg Pratz.

Die schlechte Nachricht: Als Jürgen Weber am vergangenen Sonntag in seinen sieben Ar großen Garten auf der Hohewart kam, um seine Johannisbeeren zu ernten, war da kein einziges Träuble mehr am Strauch. Das gleiche bei den Jostabeeren. Schon ein paar Tage vorher waren im Stückle von Jörg Pratz plötzlich alle Kirschen und Stachelbeeren weg gewesen. „Die haben picobello gearbeitet. Da hing keine einzige Frucht mehr am Baum oder Strauch, sogar auf dem Boden lag nichts mehr“, berichten die beiden Betroffenen.

Dass es keine Tiere waren, können die Kleingärtner mit Gewissheit sagen

Wie die Obstdiebe in die beiden Gärten kamen, wissen Pratz und Weber nicht. Aber dass es keine Tiere waren, die sich da an ihren Früchten gütlich taten, können die erfahrenen Kleingärtner mit hundertprozentiger Gewissheit sagen. „Natürlich gibt es viele Fressfeinde, manche haben Federn wie die Vögel, andere haben ein Fell wie Füchse und Hasen oder auch Stacheln wie die Igel“, sagt Pratz. Doch in diesem Fall dürften die Beerendiebe der Spezies Homo sapiens zuzuordnen sein und wahrscheinlich auch Behältnisse zum Abtransport der Früchte dabei gehabt haben. Wie sonst sollen die circa 10 Pfund Sauerkirschen und 5 Pfund Stachelbeeren aus einem Garten spurlos verschwunden sein?

„Wahrscheinlich haben wir dem einen oder anderen sogar schon mal freundlich ‚Grüß Gott‘ gesagt, wenn er an unserem Gartentor vorbeigelaufen ist“, sagt Pratz und räumt ganz unverhohlen ein, dass er momentan manchen Spaziergänger, der ihm auf der Hohewart begegne, mit „etwas anderen Augen“ betrachte. Dass die Klauaktion vorbereitet und der Ort vorher ausgekundschaftet war, steht für die Gartenbesitzer außer Frage.

Gartenbesitzer beklagen den Verfall der guten Sitten

„Früher wusste man noch, was mein und dein war, es gibt halt bei vielen kein Rechtsempfinden mehr“, klagen die beiden Mitglieder im Wein-, Obst- und Gartenbauverein Feuerbach (WOGV) über den Verfall der Sitten. Und früher gab es als Abschreckung noch den Feldschutz: „Der fehlt uns“, sagt WOGV-Ehrenvorsitzender Helmut Wirth. Jörg Pratz erinnert sich, wie der Feldschutz-Bedienstete früher auf seinem Motorrad durch Felder, Wiesen und Gartenanlagen patrouillierte. Im Beiwagen saß ein Schäferhund. Da streckte keiner so leicht die Hand nach den verbotenen Früchten aus.

Und heute? Solch dreister Mundraub sei halt auch ein Spiegel der Gesellschaft. „Wir sind ein Volk von Egoisten“, sagt Pratz. Jeder nimmt sich, was er will. Für die WOGV’ler ist der Mundraub weit mehr als ein Ärgernis oder Kavaliersdelikt: „Wir bewirtschaften und pflegen unsere Gärten ja nicht nur aus purer Langeweile. Das hat auch etwas mit Landschaftspflege und Naturschutz zu tun.“ Besonders bitter ist der Klau, weil einige Fruchtsorten in diesem Jahr rar sind. Jürgen Weber ist nach anfänglichem Zögern zum Polizeirevier Feuerbach an der Kärntnerstraße gegangen. Man werde in dem Gebiet in Zukunft stärker Streife fahren, sei ihm zugesichert worden. Er hofft, dass die Täter zumindest seine Tomatenplantage mit etwa 100 Pflanzen in Ruhe lassen. Den „Strauchdieben“, die pfundweise Beeren in seinem Garten mitgehen ließen, wünscht Weber vor allem eines: „Granatenmäßiges Ranzenweh.“