Kaltwasserschock gegen die Nervenkrankheit ALS Foto: dpa

Die Kaltwasserkübel kommen wieder: Die Spendenkampagne Ice Bucket Challenge soll in die zweite Runde gehen. Kann das funktionieren?

Ulm - Die Ice Bucket Challenge – zu Deutsch: Eiskübelherausforderung – war das große Mediending im Sommer 2014. Erinnern Sie sich? Mehr oder weniger prominente Menschen kippten sich Eiswasser über den Kopf und ließen sich dabei mehr oder weniger dezent gekleidet ablichten. Dann forderten sie andere auf, es ihnen gleich zu tun. Und spendeten schließlich Geld für die Erforschung und Bekämpfung der Nervenkrankheit ALS (Amyotrophe Lateralsklerose).

Die Aktion, die unter nicht ganz geklärten Umständen in den USA ihren Ursprung nahm, verbreitete sich rasend schnell über soziale Netzwerke wie Twitter und Facebook. Dessen Chef Mark Zuckerberg machte ebenso mit wie Microsoft-Gründer Bill Gates. In Deutschland waren beispielsweise die Sängerin Helene Fischer und Kicker Bastian Schweinsteiger mit von der Partie. Daimler Chef Dieter Zetsche und Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann wurden ebenfalls von Eisduschern für die Eisdusche nominiert, beließen es aber bei einer großzügigen Spende.

Für die US-amerikanische ALS Association (ALSA), die sich der Bekämpfung der Krankheit verschrieben hat, war die wohl erfolgreichste Kampagne in der noch vergleichsweise jungen Geschichte der sozialen Netzwerke ein Segen – und zwar vor allem in finanzieller Hinsicht. Allein von Mitte Juli bis Ende August 2014 gingen bei der Vereinigung nach deren Angaben Spenden in Höhe von 94 Millionen Dollar (86 Mio. Euro) ein. Insofern überrascht nicht, dass die ALSA an diesem Freitag die zweite Runde der Ice Bucket Challenge startet. In der Hoffnung auf einen neuerlichen Geldsegen.

"Es hat den Patienten und uns Forschern natürlich gutgetan"

Jochen Weishaupt, Professor für Neurologie an der Uniklinik Ulm, hat den Eiskübelhype 2014 aufmerksam verfolgt. Das musste er schon von Berufs wegen. Der 43-Jährige ist ALS-Spezialist und berät Patienten in der Ulmer ALS-Sprechstunde, der einzigen Einrichtung dieser Art in Süddeutschland. „Es hat den Patienten und uns Forschern natürlich gutgetan, dass diese relative seltene Erkrankung plötzlich so viel Aufmerksamkeit bekam“, sagt Weishaupt. Ihm selbst übrigens blieb der Kaltwasserschock erspart. Seine Ausrede: „Ich war erkältet und ziemlich beschäftigt.“

Auch die gemeinnützige Charcot-Stiftung zur Erforschung der ALS, angesiedelt unter dem Dach der Ulmer Universitätsgesellschaft, profitierte von Spenden. 500 000 Euro gingen über die Stiftung an Weishaupt und seine Kollegen. Sie finanzieren damit drei Forschungsprojekte, bei denen es unter anderem um die genetischen Ursachen der Krankheit geht. „Wir wissen immer noch zu wenig über ALS“, sagt Weishaupt. Es gebe derzeit keinen Forschungsansatz, der an eine Heilung denken lasse. Die Bemühungen richteten sich vor allem darauf, den Krankheitsverlauf zu verlangsamen, so der Neurologe.

Rund 3,5 Millionen Euro an Spenden in Deutschland

Weishaupt ist skeptisch, ob sich der Erfolg der ersten Runde der Ice Bucket Challenge wiederholen lässt. Auch der Leiter der ALS-Ambulanz an der Charité Berlin, Thomas Meyer, glaubt daran eher nicht. Nach seinen Angaben wurden in Deutschland insgesamt rund 3,5 Millionen Euro gespendet. Mit dem Geld habe man auch das Versorgungsangebot verbessern können. So sei an der Charité eine neue Stelle geschaffen worden. Patienten bekämen dadurch schneller einen Termin. Zudem könnten insgesamt mehr Patienten behandelt werden.

In Deutschland leiden rund 6000 Menschen an der unheilbaren Nervenkrankheit. Sie lässt die Nervenzellen, die die Muskulatur steuern, absterben. Signale können zwischen Gehirn, Rückenmark und Muskeln nicht mehr richtig weitergeleitet werden. Patienten verlieren die Kontrolle über Arme und Beine, Stimme, Schluckfunktion und schließlich über die Atmung. Das führt meist binnen weniger Jahre zum Tod.

Man darf gespannt darauf sein, was sich die ALSA hat einfallen lassen, um die Ice Bucket Challenge II auf den Weg zu bringen. Angeblich gibt es eine Reihe von Promis, die ihr Mitmachen zugesagt haben. Wie dem auch sei – die Latte liegt in jedem Fall hoch. Allein auf Facebook posteten 2014 mehr als 17 Millionen Teilnehmer Bilder von ihrer Eisdusche, und 440 Millionen Nutzer des Netzwerks schauten ihnen dabei zu.