Wind und Wetter hinterlassen immer deutlichere Spuren: die Natur erobert sich das Gelände der einstigen IBM-Zentrale bei Vaihingen zurück Foto: SEP-Architekten

Der Zustand der einst vom Stararchitekten Egon Eiermann entworfenen Bauten auf dem ehemaligen IBM-Campus hat sich verschlechtert. Die Architektenkammer Baden-Württemberg schlägt Alarm. Sie hält die Lage für „dramatisch“.

Stuttgart - OB Fritz Kuhn (Grüne), seine zuständigen Mitarbeiter und die Stadträte haben einen Brandbrief aus der Architektenkammer bekommen. Darin rufen die Vorsitzenden der fünf Stuttgarter Kammergruppen zu Rettungsmaßnahmen auf dem ehemaligen IBM-Gelände beim Autobahnkreuz Stuttgart auf. Das dortige Architekturdenkmal der deutschen Nachkriegsmoderne, das internationale Bedeutung habe, sei „ungeschützt dem Verfall preisgegeben“.

Das ist zwar im Grunde schon länger so, seit die Deutschland-Zentrale von IBM Ende 2009 nach Böblingen zog. Dennoch gibt es einen aktuellen Anlass für den Alarm: Inzwischen dringe durch schadhafte Dächer Wasser ins Innere der Gebäude. Außerdem sei an den Gebäuden Vandalismus festgestellt worden. Wenn man verhindern wolle, dass wertvolle Bausubstanz unwiederbringlich verloren gehe, mahnen die Kammergruppen, müsse man unverzüglich Reparaturen vornehmen. Insbesondere eine Notabdichtung der Dächer und ein wirksamer Schutz gegen Vandalismus seien vonnöten.

Dafür spreche auch das Ergebnis des Kolloquiums, das auf Initiative von Kuhn 2013 stattfand. Damals herrschte Einigkeit, dass man eines der letzten Werke des Karlsruher Stararchitekten Egon Eiermann erhalten sollte – und dass die Erhaltung der vier Kulturdenkmale möglich und wirtschaftlich zumutbar ist.

Ähnlich besorgt wie die Kammergruppen ist Oliver Sorg, der mit seinem Büro SFP Architekten vor Jahren im Eigentümerauftrag Konzepte für eine moderne Nutzung der Denkmale entwarf. Seit damals ist einer der besten Kenner der Materie. Ihm seien erstmals zum Jahreswechsel Wasserschäden im Pavillon 3 aufgefallen, sagte Sorg unserer Zeitung. Im Gebäude wachse inzwischen auf dem Teppichboden Moos. Sorg spricht von Löchern in einem Oberlicht, durch die Wasser ins Gebäude gelange. Am früheren Kasinogebäude habe Vandalismus Spuren hinterlassen. „Die Häuser fallen nicht zusammen und nach meiner Meinung steht auch noch lang nicht die Denkmaleigenschaft auf dem Spiel“, sagte Sorg. Die abgehängten Decken, die deutliche Wasserspuren zeigen, sind für ihn nicht das Problem, denn die seien nicht historisch. Aber es drohten historische Trennwände und die bemerkenswerte Ausstattung der Sanitärräume verloren zu gehen. Seiner Meinung nach sollte man das Dach am Pavillon 3 und die zerstörte Kasino-Glastür provisorisch abdichten. Denn die Nachnutzung der Gebäude lässt nach der Insolvenz der Unternehmen, die das Areal kauften, wohl weiter auf sich warten. Im Moment haben Banken die Hand auf der Immobilie. Aber ob sie einschreiten, steht in den Sternen. Und wenn nicht sie, wer dann?

Darauf weiß auch Sorg keine Antwort. Der Aufwand wäre seiner Meinung nach aber überschaubar. „Die Dachabdichtung würde vielleicht 50 000 oder 60 000 Euro kosten“, schätzt er.