Martina Koederitz: Die gebürtige Sindelfingerin steht seit 2011 an der Spitze von IBM Deutschland. Foto: Max Kovalenko

Martina Koederitz ist die erste Frau an der Spitze von IBM Deutschland. Die Informationstechnik (IT) und Datenanalyse würden das Leben der Verbraucher massiv erleichtern, sagt sie. Und auch die Energieversorgung sichern.

Ehningen – Martina Koederitz ist die erste Frau an der Spitze von IBM Deutschland. Die Informationstechnik (IT) und Datenanalyse würden das Leben der Verbraucher massiv erleichtern, sagt sie. Und auch die Energieversorgung sichern.

Frau Koederitz, was glänzt für Sie mehr – Daten oder Schmuck?
Das Schöne im Leben ist, dass vieles attraktiv sein kann. Im Geschäftlichen leuchten natürlich die Daten heller. Die Zukunft heißt Big Data.

Erklären Sie das bitte.
Big Data heißt, dass Daten rasant wachsen und aus den unterschiedlichsten Quellen kommen – zum Beispiel von Maschinen, Verkehrsdaten oder Videos auf You Tube. Und dass man mit diesen riesigen Datenmengen bessere Informationen über das eigene Unternehmen und die Kunden gewinnen kann. Wenn Sie diese Informationen schnell und intelligent auswerten, können Sie bessere Geschäfte machen als bisher.

Und wer das nicht schafft?
Wer sich heute nicht mit den Informationen der Kunden auseinandersetzt, hat vielleicht schon morgen kein attraktives Geschäftsmodell mehr. Nicht die Großen, sondern die Schnellen und Flexiblen haben auf Dauer Erfolg.

Wie schnell steuert der Tanker IBM durch die Datenflut?
Wir wachsen mit der Analyse von Daten und dem Angebot von Software- und Rechnerleistung im Internet, dem Cloud Computing. Und bereits seit 2008 verfolgen wir unsere Smarter-Planet-Strategie. Damit beschreiben wir die Digitalisierung der Welt. Wie man zum Beispiel intelligente Verkehrsleitsysteme, Gesundheitssysteme oder Stromnetze entwickeln kann. Mit intelligenten Netzwerken lässt sich zum Beispiel die Energiewende beschleunigen. Alle Systeme, von denen eine Stadt, ein Land, ein Kontinent lebt, können verbessert werden.

Das klingt, als ob IBM ein Weltrettungsunternehmen ist.
Das ist zu pathetisch. Aber wir sind Patentweltmeister im zwanzigsten Jahr hintereinander, wir haben Nobelpreisträger hervorgebracht und investieren jährlich fünf bis sechs Milliarden Dollar allein in die Forschung und Entwicklung.

Nehmen wir die Energiewende. Kann IBM helfen, sie zu meistern?
Mit Hilfe der Informations- und Telekommunikationstechnologie (ITK) werden Netzwerke intelligenter. Mit ihr lassen sich die Wege zwischen Stromerzeuger und Verbraucher besser planen, der Energieverbrauch besser managen und die Netzauslastung besonders steuern. Die ITK kann helfen, drohende Versorgungsengpässe zu vermeiden.

Was kann der Kunde zukünftig erwarten?
Bankkunden werden über das Internet sekundenschnell eine Videoberatung erhalten. Im Gesundheitswesen lässt sich eine Diagnose viel schneller mit den anonymisierten Daten anderer Patienten vergleichen und eine wirkungsvolle Therapie ableiten. Dem Fahrer wird das Auto vorhersagen können, wo gerade ein Stau entstehen wird oder ob es vielleicht ein technisches Problem mit seinem Fahrzeug geben wird. Vorhersagen werden immer wichtiger. Das Ziel ist es, dass auch Alltagsprodukte, Dienstleistungen und Systeme 24 Stunden am Tag und sieben Tage die Woche funktionieren.

Revolutionieren IT und Datenanalyse auch die traditionelle Industrie?
Absolut, die IT wird zur Schlüsseltechnologie, die die Produktion und die Lieferkette bis hin zum Kunden verbindet. Der Maschinenbau im Südwesten steuert seine Anlagen zunehmend digital. Maschinen können aus der Ferne gewartet werden. Werkstücke können der Maschine sagen, wie sie bearbeitet werden sollen. Mit dieser Verbindung aus Ingenieurskunst und IT können wir in Deutschland und speziell im Südwesten einen Standortvorteil gewinnen.

Die Ingenieurskunst leidet allerdings unter dem Fachkräftemangel. So werden nur wenige Frauen Ingenieure. Wie gewinnt man sie für technische Berufe?
Durch das Internet und die zunehmende Vernetzung entstehen neue Berufsfelder. Wir sollten bereits Schülerinnen verdeutlichen, dass es künftig vor allem lösungsorientierte statt rein technische Aufgaben geben wird. Unser Geschäft besteht zunehmend aus intelligenten Software- und Dienstleistungslösungen. Reine Technikkenntnis ist nicht mehr alles.

Sie haben in der Konzernzentrale und bei IBM Deutschland gearbeitet. Was sind die Unterschiede in der Unternehmenskultur?
Überall auf der Welt nutzt man die Vielfältigkeit der Bevölkerung, um die besten Talente und auch die unterschiedlichsten Ansichten zusammenzubringen. Gemischte Teams – auch von Frauen und Männern – sind kreativer, innovativer und erfolgreicher.

Allerdings verdienen Frauen in Deutschland im Schnitt für den gleichen Job noch immer weniger als Männer. Was halten Sie davon?
Es sollte eine Selbstverständlichkeit sein, dass gleich bezahlt wird. Bereits im Jahr 1935 hat unser Firmengründer Thomas J. Watson senior öffentlich die Gleichbezahlung von Männern und Frauen angesprochen. Das war drei Jahrzehnte vor einer entsprechenden gesetzlichen Regelung in den USA.

Haben hier deutsche Unternehmen Nachholbedarf?
Unternehmen haben immer Veränderungsbedarf, nicht nur bei der Gehaltsfrage. Man muss Veränderungen zulassen.

Sie sparen gerne mit Ihren privaten Daten – dabei setzt doch IBM ganz auf die Datenflut.
Es geht ja vor allem darum, die eigenen Daten relevant und zweckgebunden einzusetzen.

Sind Ihre Daten nicht relevant genug?
Privates sollte privat bleiben. Das, was ich öffentlich für interessant halte, wissen Sie jetzt.