Der ärztliche Direktor der Uni-Klinik Mannheim, Frederik Wenz (l.), und der Aufsichtsratsvorsitzende und Mannheimer OB, Peter Kurz, versuchen Schadensbegrenzung Foto: dpa

Eine Fliege am OP-Besteck, unqualifizierte Reinigungsleute: Die Affäre um Hygienemängel an der Uniklinik Mann- heim hat personelle Folgen. Doch damit ist die Krise noch nicht ausgestanden.

Mannheim - Wer als Patient zur Operation gerollt wird, braucht Vertrauen, denn er gibt sein Leben in fremde Hände. Der Arzt, der das Messer ansetzt, sollte nicht übermüdet und sein Werkzeug steril sein. Doch der Skandal am Mannheimer UniKlinikum untergräbt das traditionelle Vertrauen. Verdreckte Skalpelle, unqualifiziertes Reinigungspersonal für das OP-Besteck und ein Mängelmeldesystem, das nicht funktioniert, verunsichern die Patienten. Erste personelle Konsequenzen der Misswirtschaft hat der Aufsichtsrat des städtischen Unternehmens zwar gezogen. Alfred Dänzer, der Geschäftsführer des Krankenhauses, in dem jährlich rund 70 000 Menschen stationär behandelt werden, nimmt drei Monate vor Ablauf seines Vertrages seinen Hut. Doch die Frage, ob Dänzer von den untragbaren Zuständen gewusst und aus Kostengründen nicht gehandelt hat, bleibt offen.

Der Aufsichtsratschef der Klinik, Mannheims Oberbürgermeister Peter Kurz (SPD), verzichtet auf Schuldzuweisungen. Vielmehr würdigt er den Zurückgetretenen, der noch Präsident der deutschen Krankenhausgesellschaft ist, als einen erfahrenen Geschäftsführer. Dänzer gehe lediglich früher in den Ruhestand, weil sein Vertrauensverhältnis zu den rund 7000 Mitarbeitern nun gestört sei. Auch eine Verantwortung des Aufsichtsrates selbst sieht Mannheims OB nicht. Von einem „Problemfeld Hygiene“ sei dem Gremium bis vor kurzem nichts bekannt gewesen und deswegen müsse auch kein Aufsichtsrat dafür den Kopf hinhalten, so sein Statement. Es sei aber für ihn nicht nachvollziehbar, so Kurz, wie so wichtige Details wie die katastrophale Hygienesituation in einer Uniklinik nicht an den Aufsichtsrat weitergegeben wurden. Sie seien einfach „versackt“ in einem offensichtlich mangelhaften Mängelmeldesystem.

Ein anonymer Hinweis hatte die Aufsichtsbehörde alarmiert. Das Regierungspräsidium kontrollierte Anfang Oktober erstmals die Operationssäle, die rund 60 Mal täglich benutzt werden. Dabei wurden erste Mängel festgestellt und Auflagen erteilt. Es folgten zwei weitere Kontrollbesuche. Beim dritten wurde Beweismaterial beschlagnahmt. Jetzt wird ermittelt, weil angeblich nicht ordnungsgemäß sterilisierte Instrumente zum Einsatz kamen. Weiter wird beanstandet, dass das für die Reinigung und Sterilisierung verantwortliche Personal nicht qualifiziert gewesen sei. Die Beschäftigten erhalten nur den Mindestlohn für Reinigungskräfte, rund zehn Euro. Früher erledigten dies noch die Krankenschwestern – zu höheren Stundenlöhnen. Außerdem war die Hälfte der 40 Maschinen zur Reinigung der OP-Bestecke technisch veraltet.

Aufgrund des Skandals hat die Klinikleitung die Zahl der Operationen jetzt auf 25 reduziert. Wie der Ärztliche Direktor, Frederik Wenz, am Donnerstag mitteilte, soll die Zahl der medizinischen Eingriffe erst bis Ende des Jahres auf das frühere Niveau angehoben werden. OB Peter Kurz, der im kommenden Jahr wiedergewählt werden möchte, hat die Parole ausgegeben: „Das verletzte Vertrauen in die Klinik wiederherstellen“. Die Klinik plane deshalb eine interne Untersuchung parallel zu den Ermittlungen der Karlsruher Staatsanwaltschaft.

Unabhängig von diesen Ergebnissen schwelt ein anderer Streit, der auf dem Rücken der Patienten ausgetragen werden könnte. Zwischen dem Aufsichtsrat und dem wissenschaftlichen Zweig der Uniklinik kracht es. Die Fakultät kritisierte in einem Offenen Brief an Kurz, die schweren Mängel seien durch den „Willen nach Kostensenkungen“ verursacht worden. Mitarbeiter werden im Intranet des Hauses noch deutlicher. Schuld an der Misere sei der Sparkurs, der sogar Ärzte unter Druck gesetzt habe, keine Überstunden mehr zu machen. Im Klinikvorstand sollten deshalb keine Rechenmaschinen sitzen, sondern auch Mediziner.