In Krankenhäusern ist die Wahrscheinlichkeit, auf einen multiresistenten Keim zu treffen, höher als im Alltag. Daher empfehlen Hygiene-Experten auf eine sorgfältige Händehygiene zu achten: „Richtige Händehygiene ist sowohl in der Klinik als auch zu Hause eine der wirksamsten Schutzmaßnahmen vor Infektionen.“ Foto: dpa

Immer wieder tauchen in deutschen Krankenhäusern resistente Keime auf – so auch in einem Cannstatter Krankenhaus. Woher diese Erreger stammen, was sie gefährlich macht und welchen Schutz es gibt, erklärt Ernst Tabori vom Deutschen Beratungszentrum für Hygiene.

Freiburg - Immer wieder tauchen in deutschen Krankenhäusern resistente Keime auf – so auch in einer Stuttgarter Klinik. Woher diese Erreger stammen, was sie gefährlich macht und welchen Schutz es gibt, erklärt Ernst Tabori vom Deutschen Beratungszentrum für Hygiene.

Was macht Krankenhauskeime so gefährlich?
Als Krankenhauskeime werden umgangssprachlich multiresistente Krankheitserreger bezeichnet. „Das bedeutet, dass diese Erreger gegenüber ein oder mehreren Antibiotika resistent sind und fast jede medikamentöse Therapie überleben“, sagt Ernst Tabori, Leiter des Deutschen Beratungszentrums für Hygiene (BZH) in Freiburg. Trifft ein solcher Keim auf einen gesunden Menschen, bleibt dies unbemerkt und ist auch nicht weiter schlimm. Gefährlich wird es, wenn dieser Erreger in die Blutbahn gerät oder aber auf Menschen übertragen wird, die aufgrund einer Krankheit, ihres Alters oder einer Therapie ein geschwächtes Immunsystem haben. „Frisch Operierte etwa haben offene Wunden, Katheter stecken in der Haut und Beatmungsschläuche in der Lunge. Diese können ideale Eintrittspforten für Erreger bilden.“
Wie problematisch ist der Keim, der in einem Krankenhaus des Stuttgarter Klinikums nachgewiesen wurde?
Der Krankenhauskeim Acinetobacter baumannii, der im Krankenhaus Bad Cannstatt des Klinikums Stuttgart bei fünf Patienten ( von denen einer mittlerweile verstorben ist, Anm. d. Red.) nachgewiesen wurde, verursacht Wund- und Lungenentzündungen, kann aber auch zu einer Blutvergiftung führen. „Acinetobacter baumanii hat eine hohe Umweltresistenz“, sagt Tabori. Das bedeutet, er kann zum Teil wochenlang auf trockenen Oberflächen überstehen. „Das erhöht das Risiko einer Ausbreitung und macht die Bekämpfung aufwendig und langwierig“, sagt Tabori. Zudem entwickelt er zunehmend Mehrfachresistenzen, was ihn laut Tabori zu einem der meist gefürchteten Problemkeime in Kliniken mache.
Wie kommen solche Keime in Kliniken?
In Krankenhäusern ist die Wahrscheinlichkeit, auf einen multiresistenten Keim zu treffen, höher als im Alltag, bestätigt Ernst Tabori. „Woher der Keim allerdings in die Klinik gekommen ist, lässt sich im Nachhinein kaum feststellen.“ Zumal es mehrere Gründe dafür geben könnte: Zum einen durchlaufen Bakterien gerade dort, wo Antibiotika aber auch Desinfektionsmittel häufig zum Einsatz kommen, eine Art Überlebenstraining. Sie entwickeln Abwehrstrategien gegen ein Antibiotikum, in dem sie beispielsweise Enzyme ausbilden, die Antibiotika unwirksam machen. Hinzu kommt, dass in Kliniken geschwächte Menschen behandelt werden, bei denen sich diese Bakterien leichter festsetzen können als bei Gesunden. Eine Möglichkeit für eine Ausbreitung ist, dass andere Patienten mit einem resistenten Keim besiedelt sind und diesen übertragen. Viele der multiresistenten Bakterien sind Darmkeime. „In Studien hat man festgestellt, dass diese oft nach Fernreisen im Darm mitgebracht werden“, sagt Tabori. Am häufigsten aus Indien und Fernost. Würde nun beispielsweise ein Urlauber aufgrund einer Durchfallerkrankung ins Krankenhaus eingewiesen werden, so könnte sich der multiresistente Keim dort unter Umständen verbreiten. Auch Ärzte oder das Pflegepersonal können den Keim an Patienten weitergeben – „wenn sie nicht nach jeder Behandlung die Hände gründlich desinfizieren“, so Tabori.
Wo kommen multiresistente Keime noch vor?
Nicht nur in Asien, auch hierzulande gerät man mit solchen Keimen in Berührung: So zeigt eine Studie, dass Menschen mit viel Kontakt zu Schweinen und Geflügel öfter mit einem multiresistenten Erreger besiedelt sind als andere. Der Grund: Mastanlagen sind Brutstätten für resistente Keime. Dort werden Antibiotika in großen Stil verfüttert – früher als Masthilfe, heute zur Behandlung von Infektionen. Die Küchenhygiene spielt ebenfalls eine Rolle: Denn auch über rohes Geflügelfleisch werden multiresistente Keime übertragen.
Wie entwickeln Keime Resistenzen?
Wo immer Bakterien mit Antibiotika zusammenkommen, setzen sich jene Stämme durch, denen diese Medikamente am wenigsten anhaben können. Hinzu kommt: Bakterien besitzen die Fähigkeit, untereinander Gene auszutauschen. So können sie die unterschiedlichen Resistenzen gegen Antibiotika weitergeben. „Manche Bakterien bringen auch eine natürliche Resistenz gegen bestimmte Substanzen mit“, sagt Tabori. Sie haben also zum Teil schon von vorneherein eine gewisse Widerstandskraft gegen Antibiotika entwickelt gehabt.
Wie können Kliniken sich davor schützen?
Einen hundertprozentigen Schutz gibt es nicht, sagt Ernst Tabori. Es gibt jedoch eine Reihe von sinnvollen Vorkehrungen: „Allen voran die konsequente Umsetzung der Empfehlungen für die Krankenhaushygiene und der vorschriftsmäßigen Händehygiene.“ Gerade hat beispielsweise das Universitätsklinikum Leipzig (UKL) eine deutschlandweite Studie gestartet. Es solle untersucht werden, ob Infektionen etwa mit multiresistenten Darmkeimen durch den Einsatz desinfizierender Waschhandschuhe verhindert werden können.
Wie sinnvoll sind Vorab-Screenings wie etwa der Nasen-Rachen-Abstrich?
Solche gezielten Tests werden schon jetzt in vielen Kliniken bei bestimmten Patientengruppen eingesetzt – etwa im Vorfeld von betsimmten Operationen. Doch solche Tests können nur einen bestimmten Erregertyp ausmachen. Mit dem Nasen-Rachen-Abstrich etwa kann nur festgestellt werden, ob der Patient mit einem multiresistenten Keim der Gattung MRSA besiedelt ist. Der Darmkeim Acinetobacter baumannii wird damit nicht entdeckt, so Tabori. Außerdem seien solche aufwendigen Tests bei bis zu 19 Millionen Patienten, die pro Jahr in deutschen Krankenhäusern stationär aufgenommen werden, kaum zu leisten und auch nicht zielführend. Weshalb der Experte rät, bei der Aufnahme von Patienten gezielter nachzuhaken, ob sie eventuell zu einer Risikogruppe gehören – „etwa weil sie bereits mit einem multiresistenten Keim besiedelt waren, Kontakt zu einer solchen Person hatten, in der Tiermast beschäftigt sind, in bestimmte Länder gereist sind oder in bestimmten ausländischen Kliniken behandelt wurden“.
Können sich auch Patienten vor solchen Infektionen schützen?
Vor multiresistenten Keimen können sich Patienten schützen, indem sie beim Umgang mit rohem Fleisch die erforderliche Küchenhygiene beachten, kein rohes Fleisch verzehren und sich die Hände richtig und oft genug waschen. Wichtig ist auch, Patienten und Besucher darüber aufzuklären, was Krankenhaushygiene bedeutet und weshalb sie die Anweisung des Klinikpersonals beachten müssen, sagt Ernst Tabori. Etwa wenn sie innerhalb eines Krankenhauses auf die Händehygiene achten. „Richtige Händehygiene ist sowohl in der Klinik wie im häuslichen Alltag eines der wirksamsten Schutzmaßnahmen vor Infektionen.“