Desinfektionsmittel beim Putzen und Waschen? Nicht die beste Idee, meint der Hygieneexperte Ernst Tabori. Weitere Tipps finden Sie in unserer Bildergalerie. Foto: Heiko Barth/Fotolia

Je weniger Bakterien, desto besser? So einfach ist es nicht. Viele Produkte, die angeblich antibakteriell wirken, sind überflüssig und manchmal sogar schädlich für die Gesundheit. Welche Hygiene-Tipps wirklich wichtig sind, sehen Sie in unserer Bildergalerie.

Stuttgart – Herr Tabori, im Handel werden antibakterielle Produkte angeboten – angefangen von Müllbeuteln über Socken bis hin zu beschichteten Schneidbrettern. Werden solche Dinge heute öfter verkauft?
Meinem Eindruck nach schon. In den 90er Jahren waren einige Produkte zwar erhältlich, allzu aggressiv beworben wurden sie aber nicht. Das hat sich geändert. Die vielen Berichte über sogenannte Hygienemängel, unsachliche Berichte über Schweine- und Vogelgrippe, zuletzt auch über Ebola, haben viele Menschen verunsichert und Ängste geschürt. Die Werbung bedient sich dieser Ängste. Das führt dazu, dass viele Menschen meinen, desinfizierende Mittel kaufen und einsetzen zu müssen, obwohl sie im Haushalt überflüssig sind.
Welche Produkte halten Sie für besonders unsinnig?
Antibakterielle Müllbeutel sind ein Humbug sondergleichen. Der Hausmüll kommt zur Müllabfuhr und wird verbrannt, wozu will man ihn vorher noch desinfizieren? Auch antibakteriell beschichtete Textilien sind ein ausgemachter Unsinn. Sie vermitteln den Eindruck, man könne eine verschmutzte Unterhose über eine verlängerte Zeit tragen. Doch will man das? Benutzte Unterhosen und durchgeschwitzte Socken gehören in die Waschmaschine. Von eigener Wäsche geht für unsere Gesundheit kein reales Risiko aus. Ebenso unsinnig finde ich Desinfektionsstäbe, die man in den Kühlschrank hängt, um damit Lebensmittel länger frisch zu halten.
Warum?
Als Wirksubstanz ist der angeblich harmlose Stoff E 926 enthalten. Dahinter verbirgt sich Chlordioxid, ein stechend riechendes Biozid. Wenn man bedenkt, welch hitzige Debatte das sogenannte Chlorhuhn vor einem Jahr ausgelöst hat, kann ich angesichts der Widersprüchlichkeit nur den Kopf schütteln, wenn solche Stäbe gekauft werden. Bedenklich wird es, wenn man dann noch dem Rat des Produktbeiblattes folgt und die Temperatur des Kühlschranks von vier bis sieben Grad Celsius auf sieben bis acht Grad Celsius hoch stellt.
Was wird noch gerne falsch gemacht?
Manche Leute praktizieren eine paradoxe Form der Hygiene. Sie essen rohes Fleisch, füttern ihr Haustier am Esstisch und lassen sich von ihm abschlecken, und gleichzeitig besprühen sie Toilette, Bad und Fußböden mit Desinfektionsmitteln. Dabei gehen von diesen Bereichen kaum Gefahren aus. Man muss sich immer fragen, wie ein Erreger an uns gelangt. Niemand wird auf die Idee kommen, in die Toilettenschüssel zu fassen oder den Fußboden abzuschlecken. Der Bereich, auf den es wirklich ankommt, ist der, wo Nahrungsmittel zubereitet werden und gegessen wird. Aufpassen muss man vor allem bei der Verarbeitung von rohem Fleisch, Fisch und Eiern.
Also doch beschichtete Schneidbretter?
Nein, beschichtete Produkte sind ein Irrweg. Benutzte Messer und Brettchen gehören in die Spülmaschine, egal ob beschichtet oder nicht. Nur mit einer adäquate Reinigung werden sie sauber. Es ist ja nicht so, dass Bakterien schon beim ersten Kontakt mit der Beschichtung tot umfallen. Um überhaupt wirken zu können, braucht es schon eine längere Einwirkzeit. Beschichtungen mit oligodynamischer Wirkung – also aus Metallen, die Zellen schädigen – arbeiten meist langsamer als chemische Desinfektionsmittel. Im Haushalt sind beide sinnlos.
Aus was bestehen denn die Beschichtungen?
Das ist unterschiedlich. Dem Kunststoff können Biozide oder Nano-Silber zugesetzt sein. Das Bundesinstitut für Risikobewertung hat bereits wiederholt darauf hingewiesen, dass antibakterielle Beschichtungen keinen Nutzen zum Schutz vor Keimen bieten. Außerdem ist ihr Einsatz keinesfalls unbedenklich, wenn gelöste Nanopartikel über die Nahrung und Atemluft in den Körper eindringen.
Es werden viele antimikrobielle Putz- und Waschmittel angeboten. Gibt es Fälle, in denen solche Desinfektionsmittel sinnvoll sind – etwa, wenn ein Familienmitglied einen Noro-Virus hat, das Magen-Darm-Infekte auslösen kann?
Bei Noro-Viren ist die Prophylaxe entscheidend. Wenn jemand erkrankt ist, sollte er – wenn möglich – eine eigene Toilette benutzen. Auf jeden Fall muss er sich die Hände sorgfältig waschen und ein eigenes Handtuch benutzen. Seine Wäsche ist in der Maschine bei 60 Grad mit einem Vollwaschmittel zu waschen. Unter erschwerten Bedingungen – etwa bei engen Wohnverhältnissen – kann in der Akutphase zusätzlich ein Händedesinfektionsmittel auf Alkoholbasis nützlich sein.
Was sind die größten Gefahren von Flächendesinfektionsmitteln?
Flächendesinfektionsmittel können die Atemluft belasten, bei direktem Kontakt zu Hautirritationen führen und eventuell Allergien begünstigen. Ein weiteres großes Problem sehe ich in der Umweltbelastung. Die Mittel landen im Abwasser und stören Mikroorganismen, die die biologische Abbauarbeit leisten. Desinfektionsmittel sind – wenn man so will – Gifte, die nicht zwischen bösen und guten Keimen unterscheiden. Manche Wirksubstanzverbindungen sind außerdem sehr stabil und können über die Nahrungskette und das Trinkwasser wieder zum Menschen zurückkehren.
Sie raten also grundsätzlich von Desinfektionsmitteln im Haushalt ab?
Ja. Der normale Haushalt braucht diese Produkte gewiss nicht.
Muss man überhaupt noch putzen?
Auf jeden Fall – bis es glänzt und man sich wohlfühlt. Aggressive Reiniger braucht man dafür nicht. Mit einfachen, milden Seifen kann man Schmutz gut entfernen. Denn beim Putzen geht es in erster Linie um Reinigung und unser Wohlgefühl, nicht um Bakterienbekämpfung. Zum Beispiel ist die Vorstellung, in Bettwäsche zu schlafen, die schon jemand benutzt hat, für die meisten von uns nicht angenehm. Riskant ist es aber in aller Regel nicht. Hygiene und Sauberkeit hängen zwar miteinander zusammen, synonym verwenden kann man sie jedoch nicht.