Der französische Designer Jean Paul Gaultier hat Modegeschichte geschrieben. Nun wird er 65 Jahre alt. Foto: dpa

Jean Paul Gaultier bricht Tabus, hat Humor und macht keine Pläne: Damit ist der französische Modemacher zum Star geworden. Und deshalb will der bald 65-Jährige an seinem Erfolgsrezept auch nichts ändern.

Paris - Wer Männer in Röcke steckt und die Popsängerin Madonna in ein Korsett mit Spitztüten-BH ist anders als andere. Und darauf ist Jean Paul Gaultier auch stolz. Er habe schon früh verstanden, dass die Leute auf sein Anderssein nicht unbedingt mit Ablehnung reagieren, erklärte der französische Modemacher in einem Interview des Magazins „Madame Figaro“. Dass man ihn deshalb das „Enfant terrible“ (dt.: schlimmes Kind) der Modewelt nennt, störe ihn nicht: „Ich finde diesen Ausdruck eher sympathisch.“ Und so macht Gaultier, der an diesem Montag (24. April) 65 Jahre alt wird, mit dem weiter, was seit mehr als 40 Jahren seine Karriere bestimmt: Konventionen brechen.

Tabus brechen und Schönheit hinterfragen

Er entwarf Tutus für Männer und Plateauschuhe für Milla Jovovich im Science-Fiction-Film „Das fünfte Element“, in dem Gaultier die Schauspielerin in ein Minimaloutfit steckte, das nur aus einer weißen Unterhose und einigen Streifen bestand. Und der Star-Designer zeigte eine Tattoo-Kollektion zu einer Zeit, in der durchstochene Haut auf dem Laufsteg noch verpönt war: Gaultier hat Tabus gebrochen und die französische Modewelt auf den Kopf gestellt. Mit seinen exzentrischen Kreationen hinterfragt er Konventionen und den Begriff von Schönheit.

Er habe schon immer eine Vorliebe gehabt, Dinge zu verwandeln, von einer Stimmung zur anderen zu wechseln, von männlich zu weiblich, erzählte er in dem Interview weiter. Dazu gehörte auch seine Arbeit für Hermès, für das er neben seiner eigenen Kollektion von 2004 bis 2011 die Prêt-à-Porter-Damenlinie entwarf. Das Luxushaus sei im Grunde der Antipode zu dem gewesen, was er war und ist – aber es habe ihm Spaß gemacht.

Autodidakt aus einfachen Verhältnissen

Gaultier stammt aus einer einfachen Familie. Geboren wurde er in Bagneux, einem Vorort südlich von Paris. Die Mutter war Sekretärin, der Vater Buchhalter. In der Schule soll er nicht besonders gut gewesen sein. Seine Anekdote, wie er zum Zeichnen und zur Mode fand, erzählt er noch heute gern. Sie beginnt mit einer neuen Tanzschau des Pariser Kabaretts Folies Bergère, die er im Fernsehen anschauen durfte und die ihn so sehr beeindruckt habe, dass er am nächsten Tag in der Schule eine Frau mit Federn malte. Als die Lehrerin die Zeichnungen sah, schlug sie ihm mit dem Lineal auf die Finger. Doch statt ihn auszulachen, kamen die Mitschüler danach zu ihm und wollten eine Zeichnung von ihm. Der frühe Anfang einer großen Karriere.

Der berühmte Modezar ist Autodidakt. Schon damals ging er unkonventionelle Wege. Kaum 18 Jahre alt, schickte er den berühmtesten Modeschöpfern in Paris seine Skizzen zu. Der legendäre Modeschöpfer Pierre Cardin erkannte als erster sein Talent und engagierte ihn im Jahr 1970 als Assistent. Dann verlief alles wie im Märchen: Als 24-Jähriger stellte Gaultier seine eigene Linie vor und 1978, nur zwei Jahre später, gründete er sein nach ihm benanntes Modehaus.

Modegeschichte mit guter Laune

Heute hat Jean Paul Gaultier alles erreicht, was man auf dem Jahrmarkt der Eitelkeiten erreichen kann. Seine Haute-Couture-Kollektionen haben Modegeschichte geschrieben, im Parfümsegment brachte er einen Klassiker nach dem anderen auf den Markt. Seine Mode wird nicht nur getragen, sondern auch weltweit in Museen ausgestellt. Neben Paris, Montreal und San Francisco war seine Ausstellung „From the Sidewalk to the Catwalk“ Ende 2015 auch in München zu sehen.

Daran musste sich der Designer allerdings erst gewöhnen: „Für mich klang eine Ausstellung ein bisschen nach Tod“, sagte er anlässlich der Ausstellungseröffnung in der bayerischen Landeshauptstadt. „Wenn man stirbt, kommt man ins Museum.“ Und auch bei einem Job für den Berliner Friedrichstadt-Palast blieb Gaultier sich treu, dort entwarf er die Kostüme für eine Show, die im Herbst Premiere feierte: Mit Lack und Leder, immer wieder Federn, Matrosenlook, Durchsichtigem, Quietschbuntem und glitzernden Hirschgeweihen.

Gaultier strömt bei allem, was er tut, Optimismus und gute Laune aus. Er habe immer viel Glück gehabt, erklärte er in mehreren Interviews seinen Frohsinn. Alles sei ihm zugefallen. Pläne mache er deshalb keine, erzählte er. Das habe er noch nie gemacht und werde er auch nicht machen.