Erste Preisträger: Bariton Ludwig Foto: Reiner Pfisterer

In Stuttgart ist der Internationale Wettbewerb für Liedkunst der Hugo-Wolf-Akademie mit einem Preisträgerkonzert auf höchstem Niveau zu Ende gegangen. Anschließend wurde der Liedpianist und Musikwissenschaftler Graham Johnson mit der Hugo-Wolf-Medaille ausgezeichnet.

Stuttgart - „Franz Schubert“, zitiert die Sängerin und Gesangsprofessorin Birgid Steinberger in ihrer Laudatio zur Verleihung der Hugo-Wolf-Medaille 2015 den Preisträger Graham Johnson, „ – Franz Schubert ist meine Familie“. Als am Sonntagnachmittag im Konzertsaal der Stuttgarter Musikhochschule der diesjährige Wettbewerb für Liedkunst der Hugo-Wolf-Akademie mit dem Preisträgerkonzert und mit der abschließenden Ehrung des großen Liedpianisten und Musikwissenschaftlers endete, war aber nicht nur der Familienvater geistig zugegen, sondern rein physisch gesehen war die Veranstaltung ein Treffen der Lied-Großfamilie. Elektronisch waren weit mehr noch zugegen, denn der Live-Stream vom Wettbewerb wurde im Internet etwa 17 000 mal aufgerufen. Im Publikum saßen große Sänger und Pianisten, Freunde und Gönner der Stuttgarter Institution waren da, und gemeinsam erlebten sie alle ein ebenso aufregendes wie anrührendes Konzert.

Denkwürdig war es außerdem, weil es die Gattung des Kunstliedes und das Miteinander von Sänger und Klavierbegleiter neu beleuchtete. Dass mit Graham Johnson erstmals ein Pianist mit der Hugo-Wolf-Medaille ausgezeichnet wurde, stand nämlich nicht für sich, sondern ging einher mit der Verleihung des ersten Wettbewerbspreises an ein Duo, bei dem auch der Mann am Klavier selbstbewusst gestaltete und auffällige eigene Akzente setzte. Nicht nur beim Vorspiel zu Schuberts „Auf der Bruck“, in das er sich förmlich hineinwarf, zeigte sich Jonathan Ware als der wohl beste Textgestalter unter den Tastenkünstlern, und er passte exzellent zu dem extrovertierten, hochtheatralisch agierenden Bariton Ludwig Mittelhammer, der aus jedem Lied ein kleines Drama machte.

Dass die eher in sich gekehrte Schottin Carine Maree Tinney nur einen dritten Preis erhielt, obwohl sie gemeinsam mit ihrem feinen Pianisten Thomas Wypior am intensivsten und innigsten Lieder zu klingender Seelenkunst formte, machte deutlich, dass die Jury in diesem Jahr den unmittelbaren Ausdruck und die Bühnenpräsenz besonders hoch bewertete. Dabei taten Tinnery und Wypior bei Wolfs „Traurigen Wegen“ tiefe Abgründe auf, und ergreifender als sie kann man „Anakreons Grab“ kaum gestalten.

Für das hohe Niveau des diesjährigen Wettbewerbs standen auch die Mezzosopranistin Marie Seidler und ihre Pianistin Katharina Thöni (ebenfalls dritter Preis) sowie die australische Sopranistin Emma Moore und ihre Pianistin Klara Hornig (zweiter Preis). Seidler/Thönis exzellente Artikulation, der Farbreichtum in Moores Gestaltung von Hugo Wolfs „Lebe wohl“: All dies hatte, zumal angesichts des Alters der Interpreten, schon Weltniveau.

Wohin die Reise gehen kann, führten abschließend zwei international renommierte Liedkünstler vor. Als die Sopranistin Christiane Karg zu Ehren von Graham Johnson Lieder von Schubert und Wolf sang, verstand man fast jedes Wort. Schuberts „Du bist die Ruh“ hatte einen großen Bogen, Wolfs „Ich hab in Penna einen Liebsten wohnen“ wirkte wie eine launige Registerarie für Sopran, und für ähnlich wunderschöne, hingetupfte Pianissimo- Töne wie die Sängerin sorgte auch Wolfram Rieger am Klavier. Vor allem bei Liedern aus Hugo Wolfs „Italienischem Liederbuch“ durfte das auch nach zweieinhalb pausenlosen Stunden im Konzertsaal noch gespannte Publikum eine leise ironische Brechung durch zwei, drei, vier Schlussnoten im Klavier fast erwarten. Die Souveränität, mit der Rieger hier verzögerte, klangfarblich und dynamisch abtönte oder lapidar anfügte, erfordert allerdings eine innere Sicherheit, über die nur ein intimer Kenner der großen Kunst des kleinen Liedes verfügen kann.

Einem guten Liedpianisten, hatte zuvor Birgid Steinberger in ihrer Laudatio bemerkt, gelinge der „Spagat zwischen „kompromisslosem Dienst am Komponisten und liebevollem Eingehen auf die Bedürfnisse des Sängers“. Hätte Wolfram Rieger schon vor ihrer Rede gespielt, so hätte sie sich ihre Worte sparen können.