Mario Rittweiler (links 2001) ist 25 Jahre für den HTC Stuttgarter Kickers an der Linie gestanden. Foto: Archiv Baumann/Yavuz Dural

Mario Rittweiler beendet übberaschend seine Laufbahn als Damen-Hockeytrainer beim HTC Stuttgarter Kickers. Im Interview spricht über sportliche Erfolge, den persönlichen Verzicht und Veränderungen in den vergangenen 40 Jahren.

Degerloch - - Auf Peter Heink wartet in den nächsten Wochen reichlich Arbeit. Denn der sportliche Leiter des Hockey-Zweitligisten HTC Stuttgarter Kickers muss beide Cheftrainerposten beim Club an der Hohen Eiche neu besetzen: Bei den Herren wurde der Vertrag mit Falk Heßler nicht verlängert – zudem muss er nun auch noch die überraschende Nachfolge von Mario Rittweiler bei den Damen regeln. Richtig gelesen. Der Dauerbrenner unter den HTC-Trainern hatte am vergangenen Sonntag nach dem 3:1-Auswärtssieg beim TV Schwabach, dem letzten Saisonauftritt des Regionalligameisters und künftigen Zweitligisten seinen sofortigen Rücktritt und auch das Ende seiner Laufbahn verkündet. Im Interview zieht der 61-Jährige eine Bilanz nach insgesamt 40 Trainerjahren, spricht über die Erfolge und Aufstiege in dieser Zeit und auch, wie er seine bisher nur spärliche, weil hockeydominierte Freizeit künftig genießen möchte.
Herr Rittweiler, hatten Sie Ihren Rücktritt und das Karriereende schon länger geplant oder sind diese spontan unter dem Motto erfolgt: Aufhören, wenn es am schönsten ist?
Nun, ich beschäftige mich damit seit unserem Saisonstart im vorigen Spätsommer oder ganz genau genommen sogar schon davor nach dem völlig unnötigen Abstieg aus der zweiten Feldbundesliga. Damals hatte ich mir zwei Dinge vorgenommen: Ich möchte diesen sportlichen Makel unbedingt mit dieser Mannschaft korrigieren und danach meine Laufbahn als Trainer beenden. Der Wiederaufstieg ist uns nun gelungen, worüber ich mich sehr freue – und jetzt sage ich einfach Adieu! Aber: Die Mannschaft und ebenso die Verantwortlichen des HTC sind nicht aus allen Wolken gefallen, denn ich hatte mein Vorhaben vereinsintern schon frühzeitig signalisiert.
Was sind die Gründe, weshalb Sie nun Schluss machen?
Ich hatte schon seit längerer Zeit gemerkt, dass ich nicht mehr lange bereit dafür bin, um auf andere Freizeitaktivitäten neben dem Hockey zu verzichten. Sei es, um spontan an einem Wochenende gemeinsam mit meiner Freundin Eva Neef wegzufahren oder auch um sich mit Freunden zu treffen. Ein Beispiel: Wenn in der Vergangenheit die Freunde aus meiner alten Heimat Lahr bei mir angerufen haben, um einen Ausflug anzukündigen, dann kam von ihnen stets der prompte Nachsatz: Du mit deinem Hockey hast aber wahrscheinlich eh keine Zeit – und leider hatten meine Freunde damit meistens recht behalten.
Sie hatten zuletzt auch noch etwas anderes angedeutet. . .
Das stimmt, mir ist in den vergangenen Monaten zusehends bewusster geworden, dass es den hundertprozentigen zeitlichen Einsatz bei den heutigen Spielerinnen im Unterschied zu den früheren Jahrgängen fast nicht mehr gibt. Sprich: Hockey steht für sie nicht mehr unbedingt an erster Stelle. Inzwischen hatten sich die aus vielerlei Gründen resultierenden Absagen vor unseren Spieltagen zu einer solch astronomischen Höhe summiert, dass ich zu dem Schluss gekommen bin: Das ist es mir einfach nicht mehr wert. Zugleich stellte sich für mich auch noch die Frage nach meiner Eigenmotivation.
Ist das ein HTC-spezifisches Phänomen?
Das ist leider eine inzwischen weitverbreitete Entwicklung im Sport. Wobei man in unserer Sportart natürlich unterscheiden muss zwischen reinen Hockey-Amateuren oder den Spielern aus den obersten Ligen. In der Bundesliga oder auch den Nationalteams des Deutschen Hockey-Bundes ist der persönliche Verzicht sicherlich noch da, um ganz oben mitspielen zu können. Ganz anders schaut es dagegen in der zweiten oder dritten Hockeyliga aus: Da steht die hundertprozentige Konzentration auf den Sport und die eigene Mannschaft eben sehr oft nicht mehr an erster Stelle.
Gab es Versuche, Sie hinsichtlich Ihrer Entscheidungen umzustimmen?
Nein, das wäre aber auch sinnlos, was auch für etwaige Anfragen von anderen Klubs gilt. Denn ich höre ja nicht im Groll oder Frust auf. Der HTC war in den vergangenen 25 Jahren mein Verein und wird es auch zukünftig immer bleiben. Als Zuschauer werde ich auch weiterhin die Heimspiele an der Hohen Eiche besuchen, aber halt nur noch ab und zu und wenn es in meinen Terminplan passt.
Welche Höhepunkte als Spieler und Trainer bleiben besonders in Ihrer Erinnerung?
Ganz interessant waren da meine Bundesligaspiele mit den HTC-Herren, daran erinnere ich mich sehr gerne zurück. Dazu kommt auch die Umstellung von Natur- auf Kunstrasen, die es damals im zweiten Jahr nach meinem Wechsel von Lahr nach Degerloch gegeben hatte und weshalb ich letztlich meine Laufbahn als Spieler auch beendet habe. Als Trainer waren die Auf- und Abstiege mit meinen Mannschaften über die gut 25 Jahre verteilt insgesamt betrachtet schon ein wenig nervig – aber natürlich waren die jeweiligen Meisterschaften im Feld und in der Halle schon eine tolle Sache. Aber das ganz besondere Highlight, das Sie jetzt wohl von mir hören wollten, hat es in all den Jahren eigentlich nicht gegeben. Insgesamt betrachtet waren die vergangenen 40 Trainerjahre aber eine tolle Zeit.
Wie ist aus Ihrer Sicht das Anforderungsprofil für Ihre Nachfolgerin oder Ihren Nachfolger?
Es sollte eine Person sein, die bereits über eine gewisse Trainererfahrung verfügt und nicht ganz am Anfang ihrer Trainerlaufbahn steht. Ob das eine Frau oder ein Mann sein sollte, ist eine andere Frage. Die zweite Bundesliga ist aber definitiv kein Zuckerschlecken, zumal das neue HTC-Damen-Team nach den angekündigten Abschieden der Spielerinnen Emma Heßler und India Kühnemann (Anmerkung der Redaktion: nach Mannheim beziehungsweise München) unbedingt noch personelle Zugänge benötigt, um für die Aufgaben in der zweiten Liga gerüstet zu sein. Am besten wäre es für den Verein, der neue Coach erhielte eine Vollzeitanstellung und wird, so wie ich seinerzeit, gleich in die wichtige Verzahnung mit den weiblichen Jugendmannschaften eingebaut.
Zum Schluss noch eine persönliche Frage: Was antworten Sie denn am Telefon, wenn Ihre Freunde aus Lahr demnächst wieder eine Freizeitveranstaltung ankündigen werden?
(Lacht). Ihr werdet es nicht glauben: Aber ich habe diesmal Zeit!