Tanja Löffler, Studien- und Berufsberatrin für Abiturienten, der Agentur für Arbeit Stuttgart. Foto: AA Stuttgart

Abi in der Tasche und noch ratlos wie es weitergehen soll? Wir helfen!

Abi - und dann? Wissen, was geht! Wir sprachen mit Tanja Löffler, Berufsberaterin für Abiturienten der Arbeitsagentur Stuttgart

Welche Möglichkeiten stehen mir nach dem Abitur/der Fachhochschulreife offen?
Nach dem Abi stehen mir prinzipiell alle Möglichkeiten offen und ich kann (und muss!) aus einer sehr großen Anzahl an Studiengängen und Berufsausbildungen auswählen. Wichtig dabei ist allerdings, dass ich rechtzeitig anfange, mich damit zu beschäftigen, was wirklich zu mir passt. Viele Schüler legen allerdings nach der Schulzeit erst einmal einen kleinen Zwischenstopp ein und absolvieren z.B. einen Bundesfreiwilligendienst, ein freiwilliges soziales/ökologisches/kulturelles Jahr oder auch ein Auslandsjahr (Au-Pair, Work and Travel) Viele nutzen ihr „gap year“ auch, um Praktika im In- oder Ausland zu absolvieren oder einfach zu jobben, um sich ein finanzielles Polster fürs Studium zuzulegen.

Wie finde ich am besten heraus, was zu mir passt?
Wie schon gesagt, sollte ich mich rechtzeitig auf die (systematische) Suche begeben, also im Idealfall zwei Jahre vor Schulabschluss. Dabei geht es nicht nur darum, möglichst viele Infos zu Berufsausbildungen oder Studiengängen zu sammeln. Wichtig ist auch, dass ich mich selbst gut kenne bzw. kennenlerne. Wir Studien- und Berufsberater nennen das die „innere“ und die „äußere“ Suche:
Die innere Suche bedeutet, dass ich mir über meine Interessen, Fähigkeiten und Werte im Klaren werden sollte: „Was interessiert mich wirklich?“, „Mit welchen Themen beschäftige ich mich gerne freiwillig?“, aber auch: „Was kann ich gut?“, „Was ist mir für mein späteres Berufsleben wichtig?“. Dabei sollte ich nicht nur auf Schulnoten und Lieblingsfächer schauen, sondern auch außerschulische Aktivitäten und Hobbys genau unter die Lupe nehmen. Hier finden sich oft wichtige Hinweise auf meine eigentlichen Interessen und Fähigkeiten. Ich kann mir auch die Rückmeldung von anderen aus meinem Umfeld - also meinen Eltern, Freunden und auch Lehrern - einholen. Sie alle erleben mich in unterschiedlichen Kontexten und nehmen mich eventuell ganz anders wahr als ich mich selbst. Einfach mal ausprobieren! Auch Tests können – allerdings nur als Mosaikstein im Gesamtprozess – hilfreich sein, um meinen Interessen und Fähigkeiten auf die Spur zu kommen.
Die äußere Suche, bei der ich Fragen stelle wie: „Was kann ich wo studieren und wie sind die Zulassungsvoraussetzungen?“ „Welche Ausbildung kann ich wo absolvieren und wie bewerbe ich mich dafür am besten?“ scheint sich zunächst sehr viel einfacher zu gestalten. Schließlich gibt es eine Fülle an Informationen im Internet: Datenbanken für die Studiengangssuche, Seiten der Hochschulen und Unternehmen, Jobbörsen etc. Aber oftmals ist es eben diese Fülle an ungefilterten Informationen, die Schüler eher frustrieren. Deshalb ist es umso wichtiger, sich vorher – wie oben beschrieben – mit sich selbst auseinanderzusetzten und dann eben gezielt zu suchen. Inzwischen gibt es viele tolle Messen, die speziell auf Studien- und Ausbildungsinteressierte zugeschnitten sind. Auch hier mein Rat: Beschäftigt Euch vorher damit, was Euch interessiert und besucht dann gezielt einzelne Messestände, damit Ihr wirklich etwas von der Messe mitnehmt.
Während ich auf der (inneren und äußeren) Suche bin, können mir außerdem unterschiedliche Praktika, Hochschulinfotage, ein Schnupperstudium und Gespräche mit Berufsvertretern und natürlich auch mit uns – der Studien- und Berufsberatung - helfen, meine Studien- und Berufswünsche zu überprüfen.

Ausbildung oder Studium? Welche Formen gibt es und welche Form ist die richtige für mich?
Welche Art der Ausbildung die richtige für mich ist, hängt wieder - wie schon gesagt – von meinen Interessen und Fähigkeiten ab: Möchte ich lieber einen konkreten Beruf erlernen oder bin ich bereit, mich in einem Studium mit sehr viel Theorie auseinanderzusetzen? Oft spielen auch finanzielle Erwägungen eine Rolle, denn nur bei betrieblichen Ausbildungen und dualen Studiengängen bekommt man eine Ausbildungsvergütung. Dies lässt sich allerdings in vielen Fällen durch das sogenannte BaföG oder durch andere Formen der Studienfinanzierung ausgleichen.
Bei den Ausbildungen unterscheidet man betriebliche und schulische Ausbildungen. Ein klassisches Beispiel für eine betriebliche Ausbildung ist der/die Bankkaufmann/-frau. Betriebliche Ausbildungen nennt man auch duale Ausbildungen, da ich einen Großteil meiner Ausbildungszeit im Betrieb verbringe und ganz praxisnah ausgebildet werde, aber auch die Berufsschule besuche. In einer dualen Ausbildung erhalte ich eine Ausbildungsvergütung und kann als Abiturient oft die Ausbildungszeit verkürzt bekommen. Neben Bankkaufmann/-frau sind weitere „Klassiker“ für Abiturienten: Industriekaufmann/-frau, Kaufmann/- für Marketingkommunikation, Veranstaltungskaufmann/-frau und Mediengestalter/-in für Digital- und Printmedien.
Bei einer schulischen Ausbildung - hier wäre z.B. Physiotherapeut/-in als beliebtes Beispiel für Abiturienten zu nennen - besuche ich hauptsächlich eine Berufsfachschule und erlerne dort den Beruf. Berufsfachschulen sind in der Regel kostenpflichtig und können mit 300-500 EUR im Monat zu Buche schlagen. Im Bereich Physiotherapie – ebenso wie in der Ergotherapie und der Logopädie – gibt es inzwischen sehr interessante Mischformen zwischen Ausbildung und Studium. So kann ich entweder ausbildungsintegrierend studieren oder erst im Anschluss an meine Ausbildung studieren und einen akademischen Grad erwerben.
Das führt mich zum nächsten Thema: praxisnahes Studium. Hier gibt es v.a. in Baden-Württemberg an der Dualen Hochschule sehr interessante Studienangebote in den Bereichen Wirtschaft, Technik/Informatik und Soziale Arbeit. Ich bewerbe mich, wie bei einer betrieblichen Ausbildung, mit ganz ausführlichen Bewerbungsunterlagen direkt beim Arbeitgeber. Dieser entscheidet dann darüber, ob ich einen Platz erhalte oder nicht. Meine dreijährige Studienzeit verbringe ich - immer im Wechsel - drei Monate im Unternehmen und drei Monate an der Dualen Hochschule. Theorie- und Praxisanteil betragen also jeweils 50 %. Bei dieser Studienform bezahlt der Arbeitgeber eine Ausbildungsvergütung, was diese Studienform bei Abiturienten besonders beliebt macht.
An den Hochschulen für angewandte Wissenschaften, auch Fachhochschulen genannt, kann ich auch die o.g. Bereiche Wirtschaft, Technik/Informatik und Soziale Arbeit studieren, das Studienangebot ist jedoch sehr viel breiter als an der Dualen Hochschule. So kann man an dieser Hochschulart auch z.B. Gestaltung/Design, Angewandte Naturwissenschaften oder Forstwirtschaft studieren. Fachhochschulstudiengänge beinhalten in der Regel ein Praxissemester. So kann man schon während des Studiums Kontakte zu Unternehmen knüpfen, ohne sich von Anfang an auf eine Firma festlegen zu müssen. Forschung spielt an den Hochschulen für angewandte Wissenschaften inzwischen auch eine große Rolle, aber eben angewandte Forschung und keine Grundlagenforschung wie an der Universität. Forschungskooperationen zwischen Fachhochschulen und Universitäten sind in den letzten Jahren immer zahlreicher geworden
An der Universität gibt es das breiteste Studienangebot. Wer sich z.B. für Medizin, Naturwissenschaften, Rechtswissenschaften, Gymnasiallehramt, Gesellschaftswissenschaften, Literaturwissenschaften und Orchideen-Studiengänge wie etwa Empirische Kulturwissenschaften interessiert, ist hier richtig. Wirtschaft, Technik und Soziales gibt es hier natürlich auch, allerdings nicht auf ein Unternehmen ausgerichtet, sondern mit eher forschungsorientiertem Schwerpunkt. Die Praxisnähe kann ich mir jedoch durch selbstorganisierte Praktika schaffen. So gestaltet sich auch der Einstieg in das spätere Berufsleben einfacher. Nur an der Universität kann ich promovieren, also einen Doktortitel erwerben. Außerdem wichtig: Für ein Unistudium benötige ich das Abitur, die Fachhochschulreife reicht hier nicht aus.
Ich habe mich jetzt auf die drei wichtigsten Hochschularten konzentriert, um das Ganze übersichtlicher zu gestalten. Zu nennen wären natürlich noch die Kunst- und Musikhochschulen, die Pädagogischen Hochschulen für die meisten Lehrämter und die Hochschulen für den öffentlichen Dienst, wo ich auch dual in Verbindung mit einer Behörde studieren kann.

Fazit: Wenn ich mich für ein Studium interessiere, muss ich mir nicht nur über den Studiengang Gedanken machen, sondern auch, welche Hochschulart die richtige für mich ist. Die Betonung liegt auf „richtig für mich“, denn pauschale Empfehlungen, dass etwa die eine Hochschulart besser ist als die andere, kann man nicht geben.

Wie kann mich die Agentur für Arbeit in meinem Berufs- und Studienwahlprozess unterstützen?
Für Schüler/-innen der Oberstufe und für Leute, die ihr Abitur/ihre Fachhochschulreife schon in der Tasche haben, gibt es eine eigene Abteilung in der Agentur für Arbeit: die Studien- und Berufsberatung im „Team Akademische Berufe“.
Zu unseren einstündigen Beratungsterminen kann man in jeder Phase der Berufs- und Studienwahl kommen. Ich persönlich finde es immer wieder aufs Neue spannend, wer mit welchem Anliegen bei mir zur Tür hereinkommt. Das kann von „Ich habe noch keine Ahnung, was mich überhaupt interessiert und was ich kann.“ bis zu „Ich habe sehr gute Noten und alle erwarten eigentlich, dass ich Medizin studiere. Mich würde aber ein duales Studium Elektrotechnik viel mehr interessieren und das möchte ich gerne mit einer neutralen Person besprechen.“ alles sein. Wichtig ist mir und meinen Kollegen, dass jeder ein großes Stück weiter ist, wenn er oder sie zur Tür hinausgeht.
Dabei muss es nicht bei einem Termin bleiben. Manchmal begleiten wir Schüler in mehreren Terminen bei ihrem Berufs- und Studienwahlprozess. V.a. dann, wenn wir unseren Berufspsychologischen Service einschalten. In dieser Abteilung können Ratsuchende bei einem Extratermin verschiedene Arten von Tests absolvieren, wenn etwa geklärt werden soll, ob man eher für eine Ausbildung oder ein Studium geeignet ist oder man seine Eignung für ein bestimmtes Studienfeld wie z.B. Wirtschaft überprüfen lassen will.
Neben der Einzelberatung bieten wir u.a. auch Workshops zum Thema Studien- und Berufswahl, Assessment-Center-Trainings, Check von Bewerbungsunterlagen und Vorträge zu Einzelthemen, z.B. „Nach dem Abi ins Ausland“, an. Außerdem arbeiten wir sehr gut mit vielen Gymnasien aus Stuttgart und Umgebung zusammen und bieten dort Kurzsprechstunden und Vorträge an.
Auf www.arbeitsagentur.de findet Ihr alle Infos von der Anmeldung zu einem Beratungstermin bis zu unseren Infoveranstaltungen. Wir freuen uns auf Euch!