Die humanistische Sterbebegleitung ohne Bindung an eine bestimmte Glaubensrichtung macht Schule. Seit 2010 bildet die Arbeiterwohlfahrt gemeinsam mit den Humanisten Württemberg dafür Hospizbegleiter aus. Eine zweite Gruppe soll der steigenden Nachfrage gerecht werden. Foto: dapd

Erste humanistische Hospizinitiative in Stuttgart hat Zulauf – Mehr Sterbebegleiter nötig.

Stuttgart - Als erstes konfessionsfreies Hospiz in Stuttgart bietet die ambulante humanistische Hospizinitiative der Arbeiterwohlfahrt (Awo) Stuttgart und der Humanisten Württemberg eine Begleitung Sterbender ganz ohne religiöse Ausrichtung an. Inzwischen sind weitere acht Hospizbegleiter im Dienst des Hospizes tätig; sie haben zuvor im Humanistischen Zentrum Stuttgart ihren Abschluss in der humanistischen Sterbebegleitung absolviert.

Rund die Hälfte der Bevölkerung in der Landeshauptstadt gehört keiner der großen Amtskirchen oder einer anderen Religionsgemeinschaft an. Deshalb wurden im März 2010 erstmals ehrenamtliche Mitarbeiter in die Begleitung Sterbender und ihrer Angehörigen dafür ausgebildet, eine konfessionsfreie und humanistisch ausgerichtete Sterbebegleitung anzubieten. Bis dahin wurden die Stuttgarter Hospizdienste ausschließlich von der Katholischen und der Evangelischen Kirche Stuttgarts angeboten. Neben den beiden stationären Einrichtungen in kirchlicher Trägerschaft gibt es eine Vielzahl ehrenamtlicher Hospiz- und Sitzwachengruppen, die ebenfalls in ein konfessionelles Umfeld eingebettet sind.

„Zu einem selbstbestimmten Leben gehört es dazu, selbstbestimmt im Sterben zu sein“

Gabriele Will ist Mitglied des Vorstands der Humanisten Württemberg und hat selbst am zweiten Kurs der humanistischen Hospizinitiative teilgenommen. Es sei wichtig gewesen, das Stuttgarter Hospizangebot um ein konfessionsfreies Hospiz zu ergänzen, meint die Kinderärztin. Denn: „Zu einem selbstbestimmten Leben gehört es dazu, selbstbestimmt im Sterben zu sein“.

Bei bei der Arbeiterwohlfahrt, die bundesweit verschiedene Dienste für ältere Menschen anbietet und in Stuttgart einen ambulanten Pflegedienst sowie drei stationäre Pflegeeinrichtungen betreibt, wurde dieser Mangel an einer Alternative zur kirchlichen Sterbebegleitung erkannt. „Selbstverständlich: Multikulti auch im Sterben,“ bringt es Peter Schmidt, einer der Teilnehmer des ersten Kurses, auf den Punkt.

Innerhalb der letzten Jahre ist die Zahl der durch Hospizdienste begleiteter Sterbenden rapide angestiegen: Allein in Stuttgart waren es 1999 noch weniger als 500, im Jahr 2007 dann schon etwa 1000. Immerhin ist mittlerweile auch die Zahl der ambulanten Hospiz- und Palliativdienste von 451 im Jahr 1996 auf 1500 im Jahr 2008 bundesweit gestiegen. Doch laut einer Studie der Deutschen Hospiz Stiftung aus dem Jahr 2009 ist die hospizliche Versorgung, die Sterbenden in der letzten Lebensphase ein Stück an Lebensqualität erhalten kann, deutschlandweit „weiterhin unbefriedigend“. Auch in Stuttgart fehlen von Zeit zu Zeit Plätze.

Hospizbegleiter kann bei Vermittlung zwischen Arzt und Patient wichtige Rolle einnehmen

Insbesondere die Nachfrage gerade nach einer konfessionsfreien Sterbebegleitung ist hoch und war zuletzt kaum noch zu befriedigen, bestätigt Christoph Keiper, Projektleiter der Awo: „Die zweite Gruppe der humanistischen Hospizbegleiter in Stuttgart ist dringend erforderlich gewesen, um die erste Gruppe, die seit der Gründung im Einsatz ist, zu unterstützen“.

Dass ein Hospizbegleiter – auch oder gerade dann, wenn Angehörige an ihre Grenzen stoßen – bei der Vermittlung zwischen Arzt und Patient eine wichtige Rolle einnehmen kann, weiß Peter Schmidt. Er selbst sah sich in solch einer Dolmetscherposition, als eine Frau, die er betreute, ins Krankenhaus kam und den Ärzten aus eigener Kraft nur noch schwer vermitteln konnte, dass sie einfach in Ruhe sterben wolle. „Im Vergleich zu Angehörigen hat man als Fremder eine gewisse Distanz, die einen schützt,“ meint er dazu. Das kommt dann allen Beteiligten zu gute.

„Für uns gibt es keine Heilsversprechung“

„In der humanistischen Weltsicht steht das Diesseits im Mittelpunkt,“ erklärt Gabriele Will. „Für uns gibt es keine Heilsversprechung“. Dennoch gebe es auch eine weltliche Spiritualität, die es den humanistischen Hospizbegleitern ermögliche, die persönlichen Bedürfnisse der Sterbenden und ihrer Angehörigen zu ergründen und ihnen gerecht zu werden.

Wichtig für die humanistische Hospizarbeit sei es, sich mit der eigenen Vergänglichkeit auseinandergesetzt zu haben, betont Will. „Denn es ist eine große Kränkung, alt und gebrechlich zu werden und sterben zu müssen.“ Diese Auseinandersetzung, da sind sich die altgedienten und die frischgebackenen humanistischen Hospizbegleiter alle einig, ist in jedem Falle eine Bereicherung für das eigene Leben.