Horst Lässing auf der Reisekiste, mit der er als Bub aus Brasilien kam. Foto: Gottfried Stoppel

Der erste Landrat des Rems-Murr-Kreises, Horst Lässing, feiert an diesem Dienstag seinen 80. Geburtstag. Der Landkreis lädt ihm zu Ehren zu einem Empfang.

Waiblingen - Es hat ihn überaus stolz gemacht, wenn prominente Persönlichkeiten vom ,,Musterkreis im Musterländle“ sprachen, das ging ihm stets runter wie Öl. Keine Frage: er hat dem Rems-Murr-Kreis, dem er 28 Jahre vorstand, von 1974 bis 2002, seinen Stempel aufgedrückt. Obwohl seit 14 Jahren Altenteiler, ist das Wirken des Machers bis heute präsent. Sein Name: Horst Lässing. Der fast schon legendäre CDU-Kreisfürst gilt bis heute als Mensch mit vielerlei Facetten, an diesem Dienstag wird er 80 Jahre alt.

Sein forsches Wesen hat dem CDU-Mann manche Titulierung eingebracht: Die einen sprachen von einem ,,Pfundslandrat in einem Pfundslandkreis“ und von einem unermüdlichen Kämpfer, andere nannten ihn Hans Dampf in allen Gassen, einen unerschrockenen Haudegen und Poltergeist. Jedenfalls versorgte er die Journaille zuverlässig mit Schlagzeilen. Nun, so bekennt der ehemals Umtriebige, habe er es geschafft, in sich selbst zu ruhen.

Mit Dienstschluss war auch mit dem Schlips Schluss

An seinen finalen Arbeitstag in seinem Büro kann er sich noch gut erinnern. Kaum hatte er an diesem Tag den letzten Aktendeckel geschlossen, machte er auch mit dem Schlips Schluss. Das war ein hochsymbolischer Akt: Er wollte sich fortan durch nichts und niemand mehr einengen lassen, durch kein Krawättle und keinen Dienst- und Terminplan. Herr der eigenen Zeiteinteilung zu sein, das genieße er als Ruheständler am meisten, tut er freudig kund und fügt hinzu: ,,Ich befinde mich in der besten Phase meines Lebens und habe meine innere Balance gefunden.“ Mühe macht ihm nur das Gehen.

Den Weg zu sich selbst zu finden, sei gar nicht so einfach gewesen, räumt Horst Lässing ein. Meditative Übungen und fernöstliche Weisheiten, denen er in einem buddhistischen Kloster nachspürte, haben ihm dabei geholfen. Einen hohen Grad heiterer Gelassenheit, den hat er nach eigenem Bekunden nun erreicht. Bei seinem Amtsantritt im Rems-Murr-Kreis, da war nichts mit heiterer Gelassenheit, da verordnete er höchste Drehzahl. Überaus forsch ging der landrätliche Jungspund zu Werke.

Sich wegducken oder klein beigeben, war von Anfang an nicht sein Stil, und so blieb mancher, der aufmuckte, lädiert am Wegesrand zurück: Kollateralschaden. Auch vor Abgeordneten, Kreisräten und übergeordneten Stuttgarter Dienststellen kuschte er nicht, Mitglied in der Zunft der Leisetreter wollte er nie werden. So lieferte er sich etwa mit dem früheren Regierungspräsidenten Manfred Bulling derart heftige Wortgefechte, dass beide zum Rapport ins Innenministerium einbestellt und dazu ermahnt wurden, sich coram publico gesittet und nicht rüpelhaft zu benehmen.

Geschichten aus den „wilden Jahren“

In seinen wilden Jahren ging so manches Mal der Übermut mit dem gebürtigen Stuttgarter durch. So ist er nach einer Straßeneinweihung nicht unmaßgeblich am mutwilligen Auslösen eines nächtlichen Feueralarms beteiligt gewesen oder bei der hüllenlosen Einweihung eines Schulbädles, bei der sich zu mitternächtlicher Stunde die ganze Festgesellschaft samt anwesender Geistlichkeit neckisch-nudistisch amüsierte. Unvergessen Lässings Gesangseinlagen mit Trollinger-Tremolo, sein Lieblingssong: „Theo, wir fahr’n nach Lodz“.

Ach, diese alten Geschichten, seufzt Horst Lässing, wenn man ihn an diese erinnert. Freilich, für ihn hatten sie durchaus etwas, worauf er Wert legte: sie verhalfen ihm zu einer Publicity weit über den Kreis hinaus. So erfuhren selbst Zeitungsleser in Köln und München von den Freizeitaktionen des nachtaktiven Rems-Murr-Regenten. Seine christdemokratische Hausmacht im Kreistag zeigte sich gnädig, schließlich mache jeder mal einen Fehler.

Indes, all die Geschichten von einst vermochten Lässings Leistungsbilanz nicht zu trüben. Selbst jene, die mit ihm aufs Schärfste befreundet waren, bescheinigten ihm erfolgreiches Wirken. So brachte er den Straßenbau und das Berufsschulwesen voran, er erfand den Mühlenwanderweg und war Weichensteller bei der Wiederbelebung der Wieslauftalbahn. Auch der Naturpark Schwäbisch-Fränkischer Wald lag ihm am Herzen. Wobei er unversehens in den Verdacht geriet, ein grüner Landrat zu sein, als er sich mit großer Fürsorglichkeit um Fledermäuse kümmerte, was ihm den Ehrentitel Batman Lässing einbrachte. Auch für den letzten Dreck machte sich der Mann stark, er warf sich so ins Zeug, bis sein Landkreis mit den niedrigsten Müllgebühren der Region auftrumpfen konnte.

Die allerliebste Altersbeschäftigung: Reisen

Obwohl beruflichen Pflichten längst entrückt, sind seine Tage strukturiert, „Carpe Diem“ ist für ihn auch als Pensionär ein wichtiger Leitsatz. Lesen, meditieren, ins Fitnessstudio gehen, sich mit alten Bekannten treffen, das will er nicht missen. Zu einem gelungenen Tagesablauf gehört für ihn auch ein gutes Viertele und der Duft einer Zigarre. ,,Ich habe meinen Weg gefunden“, sagt der Achtziger zufrieden, ,,die Erkundungstouren ins eigene Ich, die hätten ihn gelassener werden lassen. Geradezu leidenschaftlich widmet sich der vormalige Kreisregent der Malkunst, mit der er sich auf der Kanareninsel La Gomera anfreundete. ,,Dass in mir altem Verwaltungskerle schöpferische Kräfte schlummern“, darüber habe er sich selbst gewundert, erzählt der Freizeitkünstler, der kräftige Farben und Pinselstriche bevorzugt. Dutzende Bilder zieren die Wände seines Hauses, in seinem Atelier ist kein Plätzchen mehr frei.

Seine allerliebste Altersbeschäftigung ist aber immer noch das Reisen, in allen Weltgegenden ist er schon gewesen. Eines seiner nächsten Ziele ist der Iran. Sein Sehnsuchtsland Nummer eins aber ist Brasilien. Dorthin hat es nach dem Krieg seinen Vater beruflich verschlagen, von 1946 bis 1949 lebte der kleine Horst in dem Land, das er mittlerweile sehr oft besuchte und ihn bis heute fasziniert. Eine große Umzugskiste in seiner Malwerkstatt erinnert ihn an seine brasilianischen Jugendjahre. Eine Reise Richtung Rio will sich Lässing nochmals gönnen. Doch eines stört ihn dabei: ,,Wenn nur der lange Flug nicht wäre“.

Zum 80. Geburtstag des Altlandrats Horst Lässing gibt der Landkreis an diesem Dienstag einen Empfang im Waiblinger Berufsschulzentrum.