Rebecca (Saskia Mulder, li.) und Sam (MyAnna Buring) bekommen in „The Descent“ Probleme mit Höhlenbewohnern. Foto: ZDF/Alex Bailey

Schreck lass nach: ZDF Neo zeigt an den nächsten vier Samstagen bis zum Morgengrauen die ganze Bandbreite des Horrorfilms. Da kann man nachdenken, warum man den Schrecken eigentlich so mag.

Stuttgart - Seit Jahrtausenden neigt der Mensch zur Schizophrenie: Einerseits löst Unbekanntes, Unheimliches, Unerklärliches verlässlich Fluchtinstinkte aus. Zugleich aber hat sich der Homo Sapiens schon immer gern Geschichten erzählt, die seine Ängste nicht bloß thematisieren, sondern fördern. Überliefert sind Gruselstorys jeder Art schließlich schon aus der Antike.

Als mit den Bildern auch die Furcht laufen lernte, begannen sich visuelle Medien zügig mit dem zu füllen, was erst Grusel-, dann Horrorfilm genannt wurde und was sich um Untergenres wie Splatter und Torture-Porn erweitert hat. Mittlerweile gibt es fotorealistische Abwandlungen unserer schlimmsten Albträume. Ein paar davon sind nun wieder bei ZDF Neo zu sehen. Um 22.10 Uhr zeigt der Spartenkanal an vier Samstagen in Folge jeweils drei Filme vornehmlich aus nordamerikanischer Produktion, die uns mal mehr, mal weniger das Blut in den Adern gefrieren lassen.

Den Auftakt bilden zwei Deutschland-TV-Premieren aus Dänemark und England. Erst variiert Bo Mikkelsons klaustrophobisches Seuchen-Szenario „What We Become“ von 2015 das populäre Zombie-Thema: Die mit einem unbekannten Erreger Infizierten in einer beschaulichen Vorstadtsiedlung werden nicht zu Untoten, aber doch zur tödlichen Bedrohung. Danach bekommt es ein gut gefüllter Zug in „Howl“ mit Monstern zu tun, die der Horror-Experte Paul Hyett adrett maskiert auf Fahrgäste hetzt. Und zum Schluss steigen sechs Höhlenforscherinnen in den „Abgrund des Grauens“, wo sie peu à peu von menschenähnlichen Untergrundkreaturen dezimiert werden. Alles eher Hardcore.

Notorisch unterschätztes Genre

Doch wenn nächste Woche Zombies („Shaun of the Dead“), Sadisten („Saw 1“), Serienkiller („Chained“) wüten und sieben Tage darauf zwei ulkige, aber blutige Persiflagen der Marke „Scream“ laufen, bevor die Reihe am 9. September mit dem Mörderpuppen-Thema „Dead Silence“ von 2007 endet, dann zeigt sich: Es geht der ZDF-Neo-Redaktion nicht nur um die Steigerungslogik des maximal Grausamen. Es geht auch um die Vielfalt eines Genres, das im Grunde bereits seit der frühen Stummfilmzeit notorisch unterschätzt wird.

Gewiss, hungrige Mutanten oder maskierte Psychokiller unzähliger B-Movies sind selten mit soziokultureller Reflexion befasst. Aber bereits die erste Verfilmung von Mary Shelleys „Frankenstein“ ging vor 107 Jahren weit über den reinen Schauwert hinaus und skizzierte die Vereinsamung einer fortschrittssüchtigen Gesellschaft mit drastischeren Methoden als das ebenso junge Sozialdrama. Ob Friedrich Murnaus „Nosferatu“ (1922) oder Jack Arnolds Riesenspinnen-Reißer „Tarantula“ (1955), ob das sexuell befreite Dracula-Motiv der Sechziger oder die Wiedergeburt der Zombies als Opfer wie Täter beim unlängst verstorbenen Filmrevoluzzer George A. Romero: Zwischen Kunstblutfontänen und Schreckensschreien kommentiert das Genre immer auch die herrschenden Verhältnisse.

Im Guten wie im Bösen

Natürlich geht es Konsumenten inszenierter Gräuel auch um die Auslotung der eigenen psychischen Belastbarkeit. Ein risikoloser Sport, man schaut das ja meist nicht alleine. Nur ein kleiner Teil der weltweit Abermillionen Zuschauer von „The Walking Dead“ aber dürfte zur Gruppe jener Nerds zählen, denen kein Zombie krass genug glibbert. Erst die Tatsache, dass es immer auch um die Frage der Abgründe unserer Zivilisation geht, macht den Horror für die Mehrheit interessant.

Die Dämonen am Bildschirm, das zeigte sich zuletzt in der famosen Zeitreise „Stranger Things“ auf Netflix, sind die Dämonen in uns selbst. Besser noch: die in allen anderen. Zur Entdeckung innerer Schweinehunde will sich kaum jemand auf die Couch eines Psychiaters setzen. Da ist ein möglichst kluger Zombiefilm mit monströsen Platzhaltern unserer Selbstzerstörungskraft doch viel angenehmer. Und dabei sehr unterhaltsam.

19. August

22.10 Uhr, What We Become (Dänemark 2015)

23.25 Uhr, Howl – Endstation Vollmond (GB 2004)

00.50 Uhr, The Descent - Abgrund des Grauens (GB 2005)

26. August

22.00 Uhr - Shaun of the Dead (GB 2014)

23.35 Uhr - Saw 1 (USA 2004)

01.20 Uhr - Chained (CAN 2012)

2. September

22.00 Uhr Roter Drache ( USA 2001)

23.55 Uhr Scream 2 (USA 1997)

01.55 Uhr - Scream 3 (USA 2000)

9. September

22.00 Uhr - The Raven (USA 2011)

23.40 Uhr - Re-Animator (USA 1985)

01.00 Uhr - Dead Silence - Ein Wort und du bist tot (USA 2007)