Die lange Leidenszeit ist vorüber: Nationalverteidiger Holger Badstuber ist zurück. Foto: EPA

Zwei Kreuzbandrisse, fünf Operationen, zweieinhalb Jahre Verletzungspause: Das ist die Krankenakte von Holger Badstuber. Andere zerbrechen daran, der Münchner aber meldet sich stark wie eh und je in der Nationalelf zurück.

Frankfurt - Gut, die 0:2-Niederlage gegen Borussia Mönchengladbach am Sonntagnachmittag konnte auch Holger Badstuber nicht abwenden. Darüber mag sich der eine oder andere im Dunstkreis des FC Bayern grämen, doch im Grunde war es nur ein Ausrutscher, für die Münchner ebenso wie für ihren Innenverteidiger, den Fans und Fachleute nicht ohne Grund zu den weltbesten seines Fachs zählen.

Pep Guardiola ist einer von ihnen. Im Winter-Trainingslager des Rekordmeisters in Doha rief er bei einem Spiel Fünf gegen Zwei, in dem Badstuber durch eine hohe Passsicherheit glänzte, spontan über den Platz: „Badstuber, I love you!“ Ansonsten lässt der Bayern-Trainer kaum eine Gelegenheit aus, Elogen auf seinen Liebling zu halten: „Du kannst wenige, wenige Verteidiger in der Welt finden mit dieser Qualität am Ball.“ Badstuber (26), schwärmt Guardiola, sei der beste Innenverteidiger, mit dem er bislang gearbeitet habe.

Kann Wunder also, dass bei so viel Qualität der Trophäenschrank im Hause Badstuber überquillt. Allerdings: Nicht über jeden Pokal kann sich Badstuber ausgiebig freuen. Weltmeister könnte er sein, Champions-League-Sieger und Triple-Gewinner ist er, aber hauptsächlich nur auf dem Papier. Denn als die Nationalmannschaft und der FC Bayern ihre größten Erfolge einfuhren, war er jeweils verhindert. Er lag auf dem OP-Tisch, war in der Reha oder im Aufbautraining, bis zu acht Stunden am Tag. „Die mentale Stärke ist in mir drin“, sagt er. Sonst hätte er seine lange Leidenszeit nicht bewältigt, die am 1. Dezember 2012 begann.

Im Bundesligaspiel gegen Borussia Dortmund riss nach einem Zweikampf mit Mario Götze, der wie Badstuber in Memmingen geboren ist, sein Kreuzband im rechten Knie. Badstuber wurde von Ulrich Boenisch in Augsburg operiert, doch das Knie spielte nicht mit. Im März musste es noch einmal geöffnet werden, im Mai folgte nach einer Re-Ruptur des Kreuzbands die dritte Operation, diesmal beim Knie-Guru Richard Steadman in Vail/Colorado.

Nach 624 Tage Pause: weitere 154 Tage krank

Vom Krankenbett aus sah Badstuber im Fernsehen, wie der FC Bayern in London die Champions League gewann und später in Berlin den DFB-Pokal. Im Herbst 2013 wurde ihm ein Teil der Patellasehne vom linken ins rechte Knie verpflanzt – Operation Nummer vier. Dann, endlich, zu Saisonbeginn 2014/15, feierte er sein Comeback bei den Münchnern. Im dritten Spiel gegen den VfB Stuttgart, in dessen Jugend einst seine Laufbahn begonnen hatte, spielte er einen Pass und zog sich dabei einen Muskelsehnenriss im linken Oberschenkel zu – die fünfte OP. Badstuber, der zuvor schon 624 Tage hatte pausieren müssen, fiel für weitere 154 Tage aus.

Jetzt ist der Unbeugsame tatsächlich zurück, seit Ende Januar beim FC Bayern und an diesem Mittwoch (20.30 Uhr/ZDF) auch in der Nationalmannschaft. Im Test-Länderspiel gegen Australien in Kaiserslautern steht Badstuber vor seinem Comeback in der DFB-Elf, in der er nach dem Rücktritt von Per Mertesacker sehnlichst erwartet wird – ebenso wie Ilkay Gündogan, der nach langer Verletzungspause ebenfalls einen Neubeginn wagt.

„Mich hat es bewegt, Holger und Ilkay wieder am Ball zu sehen“, sagt Bundestrainer Joachim Löw, „und ich bin beeindruckt davon, wie schnell sie wieder hohes Niveau erreicht haben. Es ist bewundernswert, wie sie mit ihrer Situation umgegangen sind.“ Das findet auch Karl-Heinz Rummenigge. „Ich habe ja immer gesagt, Holger ist mein persönlicher Held“, sagt der Vorstandschef von Bayern München.

„Glück, was ist Glück?“

Es wird Badstubers 31. Länderspiel-Einsatz, sein letzter war am 16. Oktober 2012 beim legendären 4:4 nach 4:0-Führung gegen Schweden. „Holger ist im Spielaufbau einer der besten Abwehrspieler der Welt mit dem linken Fuß. Er tut unserem Spiel einfach gut“, sagt sein Kumpel Bastian Schweinsteiger. „Ich hoffe, dass er so schnell wie möglich wieder Fuß fasst“, ergänzt Torhüter Manuel Neuer.

Beim FC Bayern ist ihm das schon gelungen. Beim 7:0 gegen Schachtjor Donezk, das den Einzug ins Viertelfinale der Champions League bedeutete, glänzte er durch eine bis dahin weitgehend unbekannte Qualität: Er erzielte das Tor zum 5:0, sein erstes im 35. Europapokalspiel und das zweite in seiner Profilaufbahn, und wusste kaum, wie ihm geschah: „Ich wusste gar nicht, wie ich jubeln soll“, sagte Badstuber verlegen.

Ein Glücksmoment, oder? „Glück, was ist Glück?“, fragt Badstuber und gibt die Antwort selbst: „Wichtiger als Glück ist das Gefühl, Glück empfinden zu können. Und das kann ich besser als vor meinen ganzen Verletzungen.“ In diesem Sinne: viel Glück!