Die Stimmung Foto: Bernklau

Bischof Gebhard Fürst empfängt am Aschermittwoch Künstler in der Diözesanakademie.

Hohenheim - Der angekündigte Rücktritt von Papst Benedikt XVI. trübte die traditionsgemäß ernsthafte, aber stets gute Stimmung beim Aschermittwochs-empfang des Bischofs für die Künstlerinnen und Künstler überhaupt nicht. Kein Wort davon bei den Reden und dem Festvortrag im Tagungszentrum der katholischen Diözesanakademie am Exotischen Garten. Und bei den zwanglosen Gesprächen danach schien das beherrschende Ereignis keinesfalls das beherrschende Thema zu sein. Über Nils Büttners Vortrag „Kunst kann Kirche! – Kann Kirche Kunst?“ debattierten die rund 200 Gäste angeregt. Gebhard Fürst, seit Sommer 2000 Bischof der Diözese Rottenburg-Stuttgart, leitete die Akademie einst selbst. Nach seiner Liturgie und Predigt zum Bußtag als Beginn der Fastenzeit in der benachbarten Sankt-Antonius-Kirche beschränkte er sich wie immer auf die Anwesenheit als Gastgeber. Begrüßt wurden die Gäste von der Akademie-Leiterin Verena Wodtke-Werner. Detlef Dörner war wie stets für die Musik zuständig und hatte diesmal nicht gar zu Avantgardistisches ausgewählt, sondern klassische Moderne.

Ein Trio spielte verteilt die drei Sätze von Claude Debussys „Sonate pour Flute, Alto et Harpe“, einem besonders klangschönen Spätwerk des Impressionisten. Dabei stach vielleicht naturgemäß, vielleicht aber auch mit seinem zupackenden Temperament, Tobias Southcott hervor, einer der eher seltenen männlichen Harfenisten. Seine Frau Birgit Southcott hatte mit der Bratsche die Alt-Stimme übernommen, über der noch die Flöten-Girlanden von Maren Dreher schwebten.

Der 1967 in Bremen geborene Kunsthistoriker, Volkskundler und Archäologe Nils Büttner, arbeitete sich, so scherzte die Hausherrin Verena Wodtke-Werner, über Göttingen, Braunschweig und Dortmund „langsam nach Süden vor“. An der Staatlichen Akademie der Künste ist er nun in Stuttgart Lehrstuhlinhaber für Mittlere und Neuere Kunstgeschichte. Er begann seinen kenntnisreichen, verständlichen und durchaus auch unterhaltsam provozierenden Vortrag „Kunst kann Kirche! – Kann Kirche Kunst?“ allerdings mit dem Altertum und einem Gag: Die christliche Kunst, verkündete er, gebe es ungefähr seit dem Jahr 30 vor Christus. Sie sei ein „spätantikes Phänomen“. Allerdings, nun ganz im Ernst, sei fortan die abendländische Kunst weitgehend eine christliche gewesen und habe sich bis zur Neuzeit bereitwillig in den Dienst der Kirche und der Verkündigung stellen lassen. Sein erster großer Zeuge für diese These war Albrecht Dürer, der in seinen Lehrschriften noch ganz klar ausgedrückt habe, dass dieser Dienst „das Leiden Christi bildhaft“ machen und zur Seelenrettung beitragen müsse. Dieser Dürer allerdings war nicht nur als Sammler, Lehrer und eine Art früher Kunst-Prominenter modern, sondern auch in der rationalen Durchdringung seiner Kunst etwa mit Proportionen-Berechnungen, was Büttner an den Studien zum berühmten Kupferstich „Adam und Eva“ aus dem Jahr 1504 zeigte. Die Kunst sollte wirken für die Kirche und den Glauben, nach den Formeln der antiken Rhetorik „emotionale Wirkung entfalten, gemalte Predigt sein“, sagte Büttner.

Sein geschichtlicher Bogen verband dadurch einen Dürer mit der modernen Kommunikationstheorie, aber auch mit der Propagandakunst, die sich linke Revolutionäre und faschistische Ideologen nicht ohne Erfolg nutzbar zu machen versuchten – oder mit Werbung und Kitsch. Nur die Aufklärung eines Immanuel Kant oder ein Klassiker wie Goethe hätten die Kunst dieser Dienstbarkeit für andere Zwecke entheben wollen mit „interesselosem Wohlgefallen“ – was weiterging bis zur Moderne, zur Abstraktion und mancher Provokation.

Altäre und Leuchter „aus dem Möbelkatalog“

Der Kunsthistoriker verwies auf den Streit um Max Ernst, der eine Mutter Maria malte, die ihr Jesuslein „züchtigt“, auf das umstrittene gepixelte Kirchenfenster eines Gerhard Richter im ehrwürdigen Kölner Dom oder auf einen skurrilen Streit um sichtbare Kirchenkunst bei der Avantgarde-Messe documenta in Kassel. Dort hatte die Leiterin Carolyn Christov-Bakargiev im Vorjahr die Entfernung einer Figur von Stephan Balkenhol in einem Kirchturm verlangt, weil man die vom Fredericianum aus erspähen könne, das einen völlig leeren kunstfreien Raum zur Kunst erklärte.

Es wurde dann richtig lustig, als Nils Büttner ein paar Beispiele zeigte für grotesk misslungene religiöse Gebrauchskunst, Altäre und Leuchter „wie aus dem Möbelkatalog“ etwa oder die einschlägigen, abertausendfach vervielfältigten Misereor-Fastentücher oder „Hungertücher“. Es gebe aber, auch Gelungenes – wie die Chorfenster von Angelika Weingard in der Kirche von Lauffen am Neckar.

Vor einem fastengerechten Imbiss mit feinen vegetarischen Gemüsesuppen gab es noch einen Hinweis auf spendenfinanzierte Kunst, die im Speisesaal der Akademie entstehen soll, getreu dem vom damaligen Hausherrn Gebhard Fürst aufgestellten Regel, das Haus ausschließlich mit originaler Kunst zu schmücken. Für den Zyklus der Malerin Iris Wöhr-Reinheimer wird am 13. April zu einem Spendendinner mit dem Künstlerkoch Arpad Dobriban geladen.