Zwar zielt der Hörkoffer auf den Hörsinn der Schüler, große Augen machen die Zweitklässler trotzdem auch. Foto: Blohmer

Wie klingt ein Klassenzimmer? Zweitklässler der Deutsch-Französischen Grundschule in Sillenbuch haben die typischen Geräusche aus ihrem Schulalltag aufgenommen. Inspiriert dazu hat sie das neue Hörkoffer-Projekt.

Sillenbuch - Das schönste Geräusch ist eigentlich kaum zu hören: Es ist das von leisen Glucksern begleitete, vorfreudige Lufteinziehen und -anhalten der 22 Kinder. An deutlich hörbaren Geräuschen mangelt es im Klassenzimmer der zweiten Klasse der Deutsch-Französischen Grundschule (DFGS) in dieser fünften Stunde aber keineswegs. Denn um Geräusche soll es gehen: Die Lehrerin Isabella Arsenow und Henning Gienger, pädagogische Fachkraft vom Hort der Schule, haben den Ohrenspitzer-Hörkoffer mitgebracht.

„Es geht um die Sensibilisierung für Geräusche“, sagt Arsenow, während sie mit Gienger die letzten Vorbereitungen für die besondere Schulstunde trifft, den Inhalt des Koffers prüft und in Stoffbeutel steckt. Kopfhörer, Mikrofone, Hörspiel-CDs, Aufnahmegerät, Lautsprecher, MP3-Player und ein Dezibel-Messgerät finden sich in dem roten Koffer. Im Juni hat ihn die DFGS, die sich deshalb „Ohrenspitzer Schule“ nennen darf, von der Landesanstalt für Kommunikation (LFK) bekommen. Nun kommt er zum ersten Mal in der zweiten Klasse zum Einsatz.

Da recken sich die Schülerhälse

„Was meint ihr, warum müssen wir die Ohren spitzen an der Schule?“, fragt Isabella Arsenow in die Runde und bekommt eine für Pädagogen-Ohren sehr wohlklingende Antwort: „Damit wir den Lehrern besser zuhören.“ „Und heute wollen wir mal testen, was Lärm ist“, sagt die junge Lehrerin. Die volle Aufmerksamkeit der Kinder ist ihr und Gienger jetzt auf jeden Fall sicher: Je weiter sie den Koffer öffnen, desto weiter recken die Schüler ihre Hälse – gefolgt von 22 Armen, als Arsenow fragt, wer denn in die Mitte kommen und den ersten Beutel auspacken möchte. Nach und nach werden die Ohrenspitzer-Gegenstände auf den Tisch gepackt, und bei allen kommen die Zweitklässler flott darauf, wozu der jeweilige gut sein könnte. Allein der Dezibelmesser gibt Rätsel auf: „Ich weiß es: Das ist eine Flasche zum Stromtrinken“, witzelt David. Henning Gienger, der schon eine Ohrenspitzer-Fortbildung gemacht hat, erklärt, was es wirklich ist: „Ein Dezibelmesser ist wie ein Lineal: Das Lineal gibt in Zentimetern die Länge an, der Dezibelmesser gibt auch in einer Zahl die Lautstärke an.“ Arsenow kündigt an, dass sie das jetzt testen dürfen – und erntet direkt schon mal einige dezibelstarke Gluckser. Bevor aber erlaubterweise ohrenbetäubender Lärm gemacht werden darf, soll es mucksmäuschenstill werden und das Messgerät eine möglichst kleine Zahl anzeigen. 24 Dezibel, leiser geht es bei allem Luftanhalten nicht. „Warum steht da keine Null?“, will Gienger von den Kindern wissen. „Weil das selbst bei den klitzekleinsten Geräuschen schon funktioniert“, weiß Ruben.

Hervorragende Krachmacher

Was sie tun können, damit die größtmögliche Zahl auf dem Dezibelmesser erscheint, wissen selbstredend alle Kinder: 104 werden es mittels Trillern, Klatschen, Trommeln und Trampeln – und die lautstarke Freude über den gerade einmal 26 Dezibel vom Düsenjet entfernten Lärm macht dem gleich noch mal Konkurrenz.

Die Grundschüler sind aber nicht nur hervorragende Krachmacher, das beweisen sie jetzt: Für eine Aufnahme sollen sie der Reihe nach typische Klassenzimmergeräusche machen – und dazwischen ließe sich die berühmte Stecknadel fallen hören. Es fällt aber keine, denn das ist kein gängiges Klassenzimmergeräusch. Welche das sind, haben sich die Kinder zuvor überlegt. Angefangen bei der Begrüßungsformel „Bonjour les élèves“ – „Bonjour Madame Arsenow“ über das Öffnen des Schulranzens, das Spitzen von Stiften, das Quietschen der Kreide an der Tafel bis hin zur Verabschiedung kommt da eine ganze Klassenzimmer-Symphonie zusammen – inklusive kleinem Rechenfehler. Vor lauter Konzentration auf die Aufnahme sagt ein Junge: „Eins plus Eins gleich Eins.“ Aber keines der Kinder prustet los – sie können nämlich die Ohren spitze spitzen. Und dafür gibt es dann am Ende auch einen Wohlklang für die 44 Grundschüler-Lauscher: ein Lob von der Lehrerin.