Bei der Hochzeitsmesse „Fest versprochen“ in Stuttgart gibt es alles, was das Herz von Braut und Bräutigam begehrt. Foto: Lichtgut - Oliver Willikonsky

Im alternativen Charme der neu genutzten Industriebrache des Wizemann-Areals lockt die Hochzeitsmesse „Fest versprochen“ schon am ersten Tag Tausende von Heiratswilligen.

Stuttgart - Workshop oder Party, Werkstatt oder vielleicht doch eine stinknormale Messe? Ganz eindeutig scheint die Sache nicht zu sein. Mit Glanz und Glamour und gleißendem Scheinwerferlicht jedenfalls empfängt „Fest versprochen“ nicht. Klar, die Ladies in Weiß fallen ins Auge, die von der Agentur gemanagte „Traumhochzeit“ wird auch hier versprochen. Aber das wirkt fast wie ein Angebot aus der Nische. Entschieden ausladender ist jedenfalls die Werkbank des jungen Juweliers, bei dem man an Rohlingen an den Ringen fürs Leben feilen kann. Und regelrecht Schlange stehen die Kandidatinnen dort, wo schon viele mit Hingabe den eigenen Hochzeitskranz zu winden bemüht sind.

Mehr noch zieht es aber in den Saal linker Hand, wo coole Bässe „good vibrations“ produzieren. Die alternative Hochzeitsmusik? „Kessel Groove“ würden zur Not wohl auch noch was im Dreivierteltakt hinkriegen. Falls Teile der Verwandtschaft auf dem Hochzeitswalzer bestehen sollten. Oder weil diese Prise Romantik einfach dazugehört zum „schönsten Tag“ im Leben eines Paares. Vielleicht haben sie sich ja auch dies fest versprochen. Und wenn sie sich ein Fest versprochen haben, um diesem Tag eine Form und einen richtig schönen Rahmen zu geben, dann sind sie auf dieser Hochzeitsmesse durchaus richtig. Schließlich gibt es auch hier „Feinkost und Design“, Bauernspeck und Alpenkäse. Oder ein Probierele an der Bourbon-Bar.

„Das ist was für coole, entspannte Paare“

„Wer bei der Hochzeitsplanung keinen Stress haben will, der sucht sich den Wedding-Planer“, sagt Melanie März. Im La Boum-Kollektiv ist sie die „Event-Fotografin“. Und natürlich hat sie eine Menge Beispiele von „alternativen Trau-Zeremonien“ parat. Etwa auf einem alten Bauernhof oder in einer lauschigen Waldlichtung. Andere im Team verstehen sich auf die Deko. Wie ein im Barock gepinseltes Stilleben wirkt der Hochzeitstisch für „Paul & Rebecca“. März mag diese Messe, die vergangenes Jahr noch in den in Sanierung befindlichen Wagenhallen stattgefunden hatte: „Das ist was für coole, entspannte Paare, die nicht Blingbling und Rosa-Glitzer wollen, sondern etwas Individuelles, was wirklich zu ihnen passt.“ Und dem entspreche auch das Design von „Fest versprochen“: „Das Schöne ist, dass sich hier kleine Aussteller und junge Selbständige aus Stuttgart und Umgebung zusammenfinden.“

Die „Schmuckerei“ etwa von Anna Frohn und Adriana Hebner: „Alles selbst gemacht und nichts von der Stange! Das ist die Alternative zu den Marken-Ketten auf den Normalo-Messen“, sagt Frohn. Und ein bisschen stolz ist sie auch, dass eben ein Braut-Papa da war, der nun glaubt, die richtige Adresse gefunden zu haben: um seinen verlorenen Ehering nachmachen zu lassen: „Männer verlieren den Ring viel öfter als Frauen“, weiß Hebner.

Bräutigam statt Braut

Oder Start-ups wie Katharina Schäfer, die in Stuttgart-West vor einem Dreivierteljahr den „Zweiflügler“ aufgemacht hat. Mit ihren maßgeschneiderten Fliegen fabriziert sie die „Krawatten der Stunde“: „Die Leute kommen auch mit ihren eigenen Materialien. Und vorher hat jemand gefragt, ob ich auch was für das Hundchen machen könnte.“ Klar: „Diese Messe passt zu mir“, sagt die Textildesignerin, „denn hier ist kein Verkaufsdruck, hier kommt man ins Gespräch mit den Interessenten. Das ist einfach eine andere Atmosphäre.“

Das gelte sogar für das Verhältnis der Aussteller untereinander, die „freundlich, fair und kooperativ“ seien: „Man tauscht sich aus“, sagt Stefanie Hildebrandt, die sich mit einem Barber-Shop, einem Maßschneider und einem Hütemacher für den Herrn zusammengetan hat: „Lauter junge Leute, die ihr kreatives Ding machen. Sonst gibt es soviel Mainstream. Hier aber wird Qualität und Individualität geboten.“ Ihr Quartett kümmert sich mal nicht um die Braut, um die sich sonst alles drehe: „Bei uns sind die Männer dran!“ Die Visagistin ist zuständig für „Smart-Repair für Gesicht und Hände“, nennt das mal „Oberflächenoptimierung“, mal „Männeraufbereitung“ und lacht: „Auch Männer sollten sich aufbereiten lassen, von Kopf bis Fuß!“

Gewünscht: eine authentische Hochzeit

Aber sind das die Angebote, für die ein Paar allein für den Einlass 28 Euro lohnt? „Ja“, sagt eine 27-Jährige aus Ludwigsburg, sie sei kürzlich „auf der Standardmesse in der Liederhalle“ gewesen: „Und jetzt wollte ich mal vergleichen.“ Das Ergebnis? „Ich bin begeistert. Das hier ist keine Massenabfertigung. Hier rennt nicht jeder auf dich los, um dir mit günstigen Konsum- und Lockangeboten das Geld aus der Tasche zu ziehen. Das hier hat Persönlichkeit und individuelle Klasse.“

Und das muss gar nicht mal teuer sein. Meint jedenfalls Kathrin Buhl-Bereket, die etwa mit individueller Keramik, mit „Zink & Zauber“ punkten kann. Oder mit Deko, an der eine Gruppe in der Arbeitstherapie der JVA Stammheim mitgearbeitet hat. Worauf es ankommt, das weiß auch die professionelle Hochzeitsrednerin Marion Schaufler: „Die Hochzeit muss authentisch sein. Etwas, was zum Hochzeitspaar passt. Eine schöne, emotionale Geschichte.“