Susanne Munz und Ralph Estler zählen die Tage bis zu ihrer Trauung im Korb des Fernsehturms – sie haben zweieinhalb Jahre darauf gewartet. Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

Am 30. Januar feiert der Stuttgarter Fernsehturm Wiedereröffnung. Auf dieses Ereignis haben viele lange gewartet. Zwei aber ganz besonders: Susanne Munz und Ralph Estler haben ihre Hochzeit um Jahre verschoben.

Stuttgart - Susanne Munz und Ralph Estler schauen sich tief in die Augen und strahlen über das ganze Gesicht. Die Nachricht, die der Südwestrundfunk am Freitag öffentlich verkündet hat, freut wohl niemanden mehr als das Paar aus Stuttgart. Der Fernsehturm wird am 30. Januar wiedereröffnet. Nach fast drei Jahren Sperrung wegen Brandschutzarbeiten ist das Wahrzeichen der Landeshauptstadt damit auch offiziell bald wieder zugänglich. Keine Verzögerungen mehr. Kein Risiko. „Etwas Schöneres hätten wir nicht hören können“, sagt Susanne Munz und lacht.

Kein Wunder. Denn die beiden haben lange darauf gewartet. Um genau zu sein rund zweieinhalb Jahre. Für Oktober 2013 hatten sie ihre Trauung angesetzt – oben im Turmkorb. „Da wir nur standesamtlich heiraten, sollte der Ort etwas ganz Besonderes sein“, erzählt Estler. Auch die anschließende Feier mit Familie und Freunden sollte 150 Meter über dem Boden stattfinden. Mit dem damaligen Betreiber der Gastronomie ist im März 2013 alles geklärt, die Einladungskarten sind entworfen – es fehlt nur noch der Termin beim Standesamt, der erst ein halbes Jahr vorher gebucht werden kann. Wenige Tage später soll die Trauung stehen. Doch es kommt ganz anders.

Die Pläne platzen an einem Märztag 2013

Ende März verkündet OB Fritz Kuhn die Schließung des Turms aus Brandschutzgründen. „Wir haben das im Radio gehört und sind in totale Schockstarre verfallen“, erinnert sich Susanne Munz. All die Pläne für den schönsten Tag im Leben – über den Haufen geworfen. Als das Paar sich ein wenig gefangen hat, fährt es sofort nach Degerloch. „Da war richtig Aufruhr, Leute haben eine Petition gestartet und Buttons verteilt, damit der Turm nicht geschlossen wird“, sagt Estler und zeigt lächelnd einige der „Offen bleiben“-Anstecker, die er noch immer besitzt. Doch genutzt hat all das nichts.

Das Entsetzen hält einige Monate an. „Wir wussten ja nicht, ob der Turm überhaupt wieder geöffnet wird“, sagt Susanne Munz. Aber wirklich nach Alternativen umgesehen hätten sich die beiden trotzdem nicht. „Der Fernsehturm ist für uns ein Symbol. Man sieht ihn immer, wenn man nach Stuttgart fährt, und wir schauen auch von unserer Wohnung aus auf ihn“, sagt sie. Man ist sich einig: Der Turm soll auch ein Symbol für die eigene Hochzeit, die eigene Liebe werden. „Damit wir uns immer daran erinnern, an den Tag über den Wolken, im siebten Himmel.“ Das Paar beschließt, zu warten.

Auch ein Brief an Fritz Kuhn hilft nicht

Und lässt doch nichts unversucht. So flattert Fritz Kuhn ein Brief ins Haus. Emotional beschreibt das Paar da seine Lage und bittet darum, als Erste nach Wiedereröffnung im Korb heiraten zu dürfen. Die Antwort aus dem Rathaus fällt deutlich sachlicher aus: Man gehe von einer Bauzeit von 15 Monaten aus. Daraus werden am Ende fast drei Jahre. In der ganzen Zeit hält das Brautpaar ständig Kontakt zum Standesamt und zum SWR. „Wir sind auf viel Verständnis gestoßen“, erzählt Estler. Bei den eigenen Freunden sind die Reaktionen geteilt. „Zum Glück wussten sie am Anfang noch nichts von dem geplatzten Termin, das hat uns Nachfragen erspart. Das wäre zu nervenaufreibend geworden“, sagt die Braut.

Jetzt ist es am 1. April so weit. „Wir sind total im Glück“, sagen die beiden. Auch wenn es etwas gibt, das die Freude ein bisschen trübt: Die große Feier muss anderswo über die Bühne gehen, denn auf dem Turm herrscht nach dem Umbau Tanzverbot. Doch das soll die Erleichterung nicht trüben. Die im Übrigen auch noch bei einigen anderen Menschen vorherrscht. „Es gibt noch ein Paar, das seit eineinhalb Jahren auf die Öffnung des Turms wartet, um zu heiraten“, berichtet SWR-Sprecherin Annette Schmidt, „die beiden haben mittlerweile sogar ein Kind bekommen“.

Susanne Munz und Ralph Estler zeigen stolz die Einladungskarten. Der Fernsehturm spielt darauf eine wichtige Rolle. Und lachend holen die beiden ein Pappmodell des Wahrzeichens der Stadt und Symbols ihrer Liebe aus dem Auto, das sie gebastelt haben. Fritz Kuhn und sie selbst sind dort abgebildet, in einer Sprechblase fragen sie den OB: „Wann dürfen wir endlich rein?“ Die Frage ist beantwortet. Und das Warten vorbei.

Hintergrund - Wiedereröffnung des Fernsehturms

Am Freitag hat der Südwestrundfunk verkündet, dass der Stuttgarter Fernsehturm am 30. Januar 2016 wieder öffnet. Das Wahrzeichen der Stadt war nach einer Anordnung von OB Fritz Kuhn seit dem 27. März 2013 aus Brandschutzgründen geschlossen. Die Wiedereröffnung kommt zum passenden Zeitpunkt: Nur wenige Tage später, am 5. Februar, feiert der Fernsehturm seinen 60. Geburtstag. Der soll mit einem großen Fest begangen werden. Details dazu folgen laut einer SWR-Sprecherin in den nächsten Wochen. Zum Neustart plant der Sender „ein flexibleres System“ bei den Eintrittspreisen, das für Familien und Gruppen attraktiver sein soll.

Die Brandschutzarbeiten sind bis Mitte Dezember abgeschlossen. Hauptmaßnahme war, die offen neben den Aufzügen im Schacht verlaufenden Kabel feuerfest zu umkapseln. Neu gestaltet werden auch der Zugangsbereich, der Laden und teils der Turmkorb. Die Kosten betragen 1,8 Millionen Euro, die Stadt trägt ein Drittel davon.

„Ich freue mich sehr, dass der Fernsehturm im Januar endlich wieder öffnet. Die Entscheidung zur Schließung wegen fehlender Rettungswege war schwierig, aber sie war unumgänglich. Ich hatte aber nie Zweifel, dass die Wiedereröffnung gelingen wird“, sagt OB Kuhn.

Weitere Informationen gibt es im Internet: www.fernsehturmstuttgart.com. (jbo)