Der Annonay-Garten an der Murr liegt im Überschwemmungsgebiet. Er soll im September offiziell eröffnet werden. Foto: Gottfried Stoppel

Der Annonay-Garten in Backnang fliegt aus der Städtebauförderung des Bundes . Die Stadt hat den Hochwasserschutz missachtet, will den Fehler aber beheben. Der OB sagt, das Land habe in Aussicht gestellt, dass der Zuschuss fließt.

Backnang - Ja, die Stadt habe beim Hochwasserschutz einen Fehler gemacht. Das hat der Backnanger Oberbürgermeister Frank Nopper kürzlich im Gemeinderat gebeichtet. Beim Bau des weitgehend fertiggestellten Annonay-Gartens direkt am Murrufer hat die Stadt nach Auffassung des Regierungspräsidiums (RP) Stuttgart gegen das Wasserrecht verstoßen (wir berichteten). Die Stadt werde, so Nopper, den Lapsus ausbügeln und in der Nähe des Freibads zusätzliche Retentionsflächen schaffen: dort werde ein sogenanntes Überschwemmungsvolumen von 180 Kubikmetern entstehen. Damit sei die Sache erledigt und Backnang aus dem Schneider.

Die Angelegenheit scheint indes nicht ausgestanden, denn die Kommune fliegt zumindest im Jahr 2017 aus dem Programm des Bundes zur Städtebauförderung. Rund 200 000 Euro für den Park in der Innenstadt würden nicht überwiesen, so das Bundesbauministerium. Der Park, der den Namen der französischen Partnerstadt trägt, hat knapp eine Million Euro gekostet und soll im September offiziell eröffnet werden. Der Oberbürgermeister Frank Nopper erklärte auf Anfrage, dass das Landeswirtschaftsministerium ihm am Mittwoch zugesagt habe, der Zuschuss in Höhe von fast einer halben Million Euro werde fließen – sobald der Fehler geheilt sei.

„Ein bislang rechtswidrig umgesetzten Projekts“

In einem Schreiben des Bundesumweltministeriums, das dieser Zeitung vorliegt, heißt es hingegen, das Regierungspräsidium Stuttgart prüfe, inwieweit die wasserrechtliche Genehmigung für die Annonay-Anlage überhaupt erteilt werden könne. Eine Förderung des Projekts werde daher vom Landesministerium für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau „derzeit nicht weiter verfolgt“. Baden-Württemberg habe sein Landesprogramm „dementsprechend geändert“, so das Bundesministerium. Und deshalb erfolge „auch keine Aufnahme und keine Förderung der Maßnahme über das Bundesprogramm Städtebauförderung 2017“. Ob das Projekt 2018 oder später womöglich in ein zukünftiges Stadtumbauprogramm aufgenommen werde, das könne „nicht prognostiziert werden“, erklärt ein Sprecher des Bundesministeriums.

Eine Sprecherin des Landeswirtschaftsministeriums sagte auf Anfrage, dass bereits „eine niedrige sechsstellige Summe geflossen“ sei. Bis zur Klärung des „bislang rechtswidrig umgesetzten Projekts“ würden keine weiteren Fördermittel ausbezahlt. Das bereits überwiesene Geld könne zurückgefordert werden, sollte der Fehler nicht behoben werden. Es sei sichergestellt, dass keine Finanzhilfen in rechtswidrig umgesetzte Projekte fließen.

Der Annonay-Garten ist nicht das einzige Bauprojekt in Backnang, bei dem aus der Sicht des Backnanger Bundes für Umwelt und Naturschutz (BUND) das Wasserrecht missachtet wird. Der zweite Stein des Anstoßes ist ein Wohn- und Geschäftshaus in der Gerberstraße, das wie der Park direkt am Murrufer gebaut worden ist. Der BUND spricht von einem „Schwarzbau“, der mit Billigung der Stadt entstanden sei. Die Baugenehmigung hatte sie unmittelbar vor dem Inkrafttreten des neuen, schärferen Wasserrechts erteilt. Die Bauarbeiten haben erst begonnen, als das neue Recht galt.

BUND: Stadträte sind Steigbügelhalter der Verwaltung

Andreas Brunold, der BUND-Vorsitzende und ehemalige SPD-Stadtrat sagt, die Stadträte hätten sich zu Steigbügelhaltern der Verwaltung machen lassen, weil sie Nopper stützten. Die Stadt Backnang, widerspricht Nopper, sei rechtstreu. Wegen des Zeitpunkts der Baugenehmigung habe die Stadt gar keine andere Wahl gehabt, als die Bauarbeiten zu billigen.

In der Sache teilt das RP die Einschätzung der Backnanger Umweltschützer. Zum Jahreswechsel 2013/2014 trat das neues Wassergesetz in Kraft. Damals seien bestimmte Flächen als Überschwemmungsgebiete ausgewiesen worden. Für Bauvorhaben, die im Überschwemmungsgebiet errichtet werden, müsse verloren gehender Retentionsraum ausgeglichen werden. Das Gelände, auf dem das Gebäude steht, habe durch diese Gesetzesänderung von 1. Januar 2014 an im Überschwemmungsgebiet gelegen, „da es erst nach dem Jahreswechsel errichtet wurde, bedurfte es eines Retentionsraumausgleichs“.

Lex Backnang? – Martin Tschepe kommentiert

Der Bund sagt, zumindest in diesem Jahr bekomme die Stadt Backnang keinen Zuschuss für den Annonay-Garten, einen neuen Park an der Murr – weil keine wasserrechtliche Genehmigung vorliege. Werden 2018 Bundesgelder fließen? Das steht in den Sternen. Das Land indes stellt dem Backnanger Oberbürgermeister Frank Nopper in Aussicht, dass – wenn der Lapsus geheilt ist, wenn nachträglich Retentionsfläche geschaffen wird – doch Gelder fließen könnten. Es geht immerhin um knapp eine halbe Million Euro. Man könnte dazu ketzerisch sagen: es ist offensichtlich ziemlich egal, ob eine Stadt gegen das (Wasser)Recht verstößt, es passiert ja nichts. Die öffentliche Hand wird schon bezahlen, wenn nicht der Bund, dann eben das Land.

Bei einem zweiten Projekt, das in Backnang wasserrechtlich äußerst umstritten ist – einem Wohn- und Geschäftshaus direkt an der Murr – sind die Aussagen der Beteiligten ebenfalls, vorsichtig formuliert, widersprüchlich. In diesem Fall ist nicht die Stadt die Bauherrin. Die Kommune hat das Projekt eines Privatunternehmers, das längst fertiggestellt ist, aber genehmigt. Widerrechtlich genehmigt, sagt das Regierungspräsidium Stuttgart. Der Stadt sei wiederholt erläutert worden, dass der Bauherr Retentionsflächen hätte schaffen müssen, weil das Gebäude, so wie der Annonay-Garten, in einem Überschwemmungsgebiet steht. Das Regierungspräsidium verweist dann allerdings auf das Landratsamt in Waiblingen, dieses sei die zuständige Fachaufsichtsbehörde. Das Kreishaus indes erklärt sinngemäß, das Regierungspräsidium habe doch klipp und klar wissen lassen: Die Stadt sei nicht im Recht. Und was passiert? Zunächst jedenfalls gar nichts.

Naturschützer sagen, es könne keine Lex Backnang geben. Die Stadt dürfe in Sachen Wasserrecht doch nicht tun und lassen, was sie wolle. Im Moment könnte man aber diesen Eindruck gewinnen. Womöglich müssen die Gerichte klären, wer Recht hat: die Kommune oder ihre Kritiker.