Normalerweise wird das Hofener Wehr mit mehr Wasser fertig, als beim Starkregen im Juni 2016 den Neckar hinabfloss. Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

Ein ungewöhnlicher Starkregen und eine Verkettung unglücklicher Ereignisse hat im vergangenen Sommer das Wasser in Hofen über die Ufer treten lassen. Mit der Erfahrung vom Juni 2016 soll künftig bei ähnlichem Wasserstand reagiert werden.

Stuttgart - Erfahrung macht klug. Das gilt im Fall des Hofener Hochwassers im Sommer 2016 auf jeden Fall. Denn die Erkenntnis jener Nacht hat die Verantwortlichen beim Wasser- und Schifffahrtsamt eines gelehrt: Das Hochwasser, das in jener Nacht über die Ufer trat, hatte es davor in dieser Form noch nicht gegeben. „Jetzt wissen wir, dass es diese Welle geben kann“, sagt Walter Braun, der Leiter des Wasser- und Schifffahrtsamtes. Es war nicht nur eine unglaublich schnelle Welle, die da den Neckar hinabschoss. Erschwerend hinzu kam, dass ihr eine Unwetterwolke quasi auf dem Fuß folgte, die immer auf die Welle drauf regnete. Dies führte zu einer Verkettung der Ereignisse, die so für die Steuerung der Wehrtore an der Hofen nicht vorhersehbar war. „Wir haben die Anlage noch in der Nacht umprogrammiert“, sagt Walter Braun. Auf die nächste schnelle Welle sei man nun eingestellt.

Die Sicherheitsvorkehrungen und die Geschwindigkeit waren die Probleme

Einen Defekt oder eine Störung war in jener Nacht nicht vorgekommen. „Dagegen verwehre ich mich“, sagt der Chef der Behörde. Im Gegenteil, das Wasser trat über die Ufer, weil die Steuerungsanlage vorbildlich funktioniert hatte. Klingt paradox, ist aber so. „Wir haben ein paar Sicherheitsvorkehrungen einprogrammiert“, erläutert Walter Braun. Dazu zählt, dass die Wehrtore nicht aufgehen, wenn ein starker Druck auf ihnen lastet. Das ist das Warnsignal, dass ein Schiff oder ein Baum angeschwemmt worden sein könnte, und dann darf keines der Tore aufgehen.

Eine andere Sicherung war es jedoch, die in der Nacht des 25. Juni zum Verhängnis wurde – statt abzusichern. Diese soll vor der Eingabe falscher Befehle und gegen Hackerangriffe sowie Systemfehler schützen. Und diese war es auch, welche die Wehrtore in jener Nacht langsamer machte, als es die rasant schnelle Welle gefordert hatte. „Die Kollegen sahen in Obertürkheim natürlich, wie schnell das Wasser anstieg“, schildert Walter Braun. Also drückten sie die richtigen Tasten, auf dass das Wasser in Hofen abgelassen werden kann. Weil sich aber nichts tat, wiederholten sie den Befehl mehrfach – und genau dagegen ist ein Schutz einprogrammiert. „Das ist ein Schutzmechanismus, der prüft, ob der Befehl eine bestimmte Logik hat, oder ob eine Störung im Netz vorliegt“, erläutert Braun.

Normalerweise ist viel mehr Zeit, um auf eine hohe Welle zu reagieren

Diese Sicherung griff im Juni 2016. In der zentralen Steuerungsstelle für alle Wehre und Staustufen in Obertürkheim, die 2002 eingerichtet wurde, drückte jemand die entsprechenden Tasten. Doch das System nahm die Befehle nicht an. Es habe ausgerechnet, dass die Tore nicht so schnell, wie es der Befehl vorsah, aufgehen müssten. „Die Welle kam von Plochingen in eineinhalb Stunden nach Hofen. Normal hat man vier bis fünf Stunden Zeit“, schildert Braun. Die Wassermenge und die Geschwindigkeit der Steuerungsbefehle passten für die Anlage nicht zusammen.

Um zu verstehen, wie sehr die Zeit drängte, muss man die Wassermassen vom Juni 2016 in Relation setzen zu anderen Vorkommnissen. Beim Wasser- und Schifffahrtsamt spricht man von Extremereignissen. Ein solches mit einem ähnlich hohen Pegelstand von mehr als 300 Kubikmetern pro Sekunde war im Jahr 2013 vorgekommen. Damals stieg der Pegel in fünfeinhalb Stunden auf einen ähnlich hohen Wert an, also vier Stunden langsamer, als beim Hochwasser im Sommer 2016. Die reine Wassermenge wäre sowieso kein Problem gewesen. Bis zu 1800 Kubikmeter pro Sekunde können durch die Anlage fließen. Zurzeit sei zwar das mittlere Wehrfeld außer Betrieb, mit 300 Kubikmetern wären aber die zwei äußeren fertig geworden. Bei starkem Anstieg können zudem die beiden Schleusenkammern und das Wasserkraftwerk rechts des Neckars noch zusätzlich Wassermassen aufnehmen. Ein Mitarbeiter, der Rufbereitschaft hatte, raste los und kam eine Dreiviertelstunde später in Hofen an. Er konnte das Wehr öffnen. „Bei jedem anderen Hochwasser hätte das gereicht. Dieses Mal war es zu spät“, sagt Braun.

Noch in der Nacht des Hochwassers wurde der Rechner umprogrammiert

Die Lehre aus der Nacht reicht noch weiter, als nur die Anlage umzuprogrammieren. „Starkregenereignisse wie jenes vom vergangenen Sommer zeigen uns, dass wir insgesamt umdenken müssen“, erklärt der Ingenieur Walter Braun. Früher habe man das Jahr in die trockene und die nasse Jahreshälfte unterteilt. Hochwasser trat im Frühjahr mit der Schneeschmelze auf oder bei Herbstunwettern. „Aber unsere Sommer sind schon lange nicht mehr trocken“, sagt der Chef der Behörde. Das habe auch Auswirkungen auf Reparaturarbeiten, wie sie derzeit zum Beispiel am mittleren Wehrfeld der Hofener Anlage laufen. „Wir müssen uns darauf einstellen, dass wir in Zukunft keine trockene Zeit für solche Arbeiten mehr haben.“

Inzwischen seien in Hofen die meisten Schäden reguliert. Weil das Wasser aufgrund einer Fehlsteuerung der Anlage über die Ufer trat, müsse das Wasser- und Schifffahrtsamt für die entstandenen Schäden aufkommen, erläutert der Chef der Bundesbehörde. 32 Autos und 13 Häuser seien betroffen gewesen. Bereits ausbezahlt seien 850 000 Euro, davon 150 000 Euro für Fahrzeuge, 250 000 für zerstörtes Inventar und rund 400 000 Euro für durch das Wasser entstandene Gebäudeschäden.