Rüge vom Präsidenten: Gauck beim Handschlag mit dem türkischen Premier Erdogan in Ankara. Foto: Agentur

Die Stiftung Dialog und Bildung ist Teil der Hizmet-Bewegung Fethullah Gülens und hat damit die Aufmerksamkeit des Landesverfassungsschutzes. Zu Unrecht, findet ihr Vorsitzender Ercan Karakoyun.

Die Stiftung Dialog und Bildung ist Teil der Hizmet-Bewegung Fethullah Gülens und hat damit die Aufmerksamkeit des Landesverfassungsschutzes. Zu Unrecht, findet ihr Vorsitzender Ercan Karakoyun.
 
Herr Karakoyun, war der Besuch von Bundespräsident Joachim Gauck, der dabei das Demokratiedefizit in der Türkei so deutlich wie keiner vor ihm angesprochen hat, in der aktuellen Situation hilfreich für Ihre Arbeit?
Wir wollen, wie auch Herr Gauck, eine Türkei, die sich in Richtung Europäische Union orientiert. Wir wollen eine Türkei, die für Rechtsstaatlichkeit steht, in der die Gewaltenteilung funktioniert. Eine Türkei, in der die unterschiedlichen Menschen frei ihr Leben leben können.
Ist das die Türkei nicht schon heute?
Ich weiß nicht, ob sie heute noch so ist. Die Richtung, die sie eingeschlagen hat, ist auf jeden Fall eine andere.
Premierminister Recep Tayyip Erdogan beschuldigt Fethullah Gülen und dessen Hizmet-Bewegung, zu der Ihre Stiftung gehört, einen „parallelen Staat“ in der Türkei gegründet zu haben, um die Regierung zu stürzen.Wird Ihnen durch diesen Machtkampf der Start in Deutschland schwergemacht?
Ich glaube nicht. Wir legen großen Wert darauf, dass wir als lokale und von Staaten unabhängige Bewegung wahrgenommen werden. Die letzten Vorfälle in der Türkei haben allen deutlich gemacht, dass wir und Erdogans Regierungspartei AKP nicht eins sind. Dass wir und der türkische Staat nicht eins sind. Das können wir jetzt umso mehr betonen: Wir sind unabhängig. Wir sind Menschen, die hier geboren sind, hier aktiv sind, die hier ihre Zukunft sehen und sich hier engagieren wollen.
Woher kommt dann der Vorwurf, die Bewegung unterwandere den türkischen Staat und platziere ihre Mitglieder an zentralen Stellen wie beispielsweise in der Justiz?
Die Hizmet-Bewegung investiert seit 40 Jahren in Bildung. Das ist das höchste Gut. Unsere Schulen sind offen für alle in der Gesellschaft, hier wird keine bestimmte Religion gelehrt. Es ist säkularer Unterricht. Und Schulen, die derart organisiert sind, haben gute Absolventen, weil sie Auslandspraktika, weil sie eine gute Sprachausbildung ermöglichen. Dass diese dann natürlich für einen Staat wichtige Menschen sind, ist nur normal.
Ist die Hizmet-Bewegung tatsächlich eine laizistische, also eine, die streng zwischen Kirche und Staat zu trennen weiß? Das, was Gülen verkündet und lehrt, ist ja wohl eher ein strenger islamischer Ansatz.
Fethullah Gülen ist ein Mensch, der viele universelle Themen und Werte anspricht. Wenn er als Muslim von Religionsfreiheit, von Meinungsfreiheit, Toleranz und Nächstenliebe spricht, macht er das, indem er sich auf den Islam bezieht. Aber das sind Werte, die nicht nur Muslime teilen, sondern die auch ein Jude, ein Atheist, ein Christ teilt.
Aber Gülen ist doch nicht im Exil, weil er für Meinungsfreiheit eintritt. Ihm wird nicht nur von Erdogan vorgeworfen, in der Türkei einen Gottesstaat errichten zu wollen.
Ich bin überzeugt, dass Gülen einer der ersten muslimischen türkischen Prediger ist, die ganz klar sagen: Islam und Demokratie sind miteinander vereinbar. Zu dem Thema hatte er bereits 1996 einen Aufsatz geschrieben, also lange bevor er ausreiste . . .
. . .  ausreisen musste.
Nein, er ist aus gesundheitlichen Gründen ausgereist und dann in den USA geblieben. Die Vorwürde sind üble Nachrede: Er hat sich in all seinen Predigten und in all seinen Interviews klar zur Demokratie bekannt.
Wie muss man sich die Arbeit Ihrer Stiftung in Deutschland vorstellen?
Es gibt viele Institutionen, die sich irgendwie auf den Namen Fethullah Gülen berufen – da dachten wir, wir brauchen einen zentralen Ansprechpartner für Medien, Politik und Wissenschaft. Wir sind Leute, die die Möglichkeit bekommen haben, hier Abitur zu machen, ein Studium zu absolvieren, die Stipendien bekommen haben. Wir haben viel von dieser Gesellschaft bekommen und möchten uns jetzt – und das ist unser Anspruch als Stiftung – auch für diese Gesellschaft engagieren.
Die Beobachtung durch den baden-württembergischen Verfassungsschutz befördert nicht gerade dieses freundlich-harmlose Image.
Im Prinzip begrüße ich die Beobachtung. Aber die Diskussion zwischen dem Verfassungsschutz und uns ist lächerlich. Unsere Arbeit fußt ganz klar auf demokratischen und verfassungsgerechten Werten. Ich glaube sogar, wir leisten einen wichtigen Beitrag dafür, dass es unter Migranten eine Akzeptanz für das Grundgesetz gibt. Dass der Verfassungsschutz sich unsere Aktivitäten anschaut, finde ich in Ordnung. Ich erwarte aber auch, dass man ins Gespräch mit uns tritt, damit man sieht, wie die Bewegung funktioniert, wie sie strukturiert ist, welche Werte sie teilt. Das vermisse ich zurzeit.
Wie gehen Sie damit um, wenn Sie nur „nur Gutes“ tun wollen und trotzdem auf Misstrauen stoßen?
Wir müssen es schaffen, die wichtigen Beiträge, die wir leisten, besser zu kommunizieren. Zum Beispiel die Projekte zum interreligiösen Dialog, Bildungsprojekte und soziale Projekte wie Geld sammeln für Opfer der Flutkatastrophe an der Oder – unabhängig von der Religion.
1,5 Millionen Türken in Deutschland sind aufgerufen, den türkischen Präsidenten zu wählen. Machen Sie Wahlkampf?
Nein, überhaupt nicht. Wir sollten darauf Wert legen, dass derartige Diskussionen in der Türkei auch in der Türkei bleiben. Ich finde es in Ordnung, wenn Menschen mit türkischen Pässen hier wählen dürfen. Aber dass in Deutschland Wahlkampf gemacht wird, unterstütze ich nicht. Die türkische Gesellschaft ist gespalten genug, wir müssen eher versuchen, die unterschiedlichen Akteure zusammenzubringen und so einen Beitrag für die Integration hierzulande zu leisten. Das schaffen wir nicht, wenn ständig Wahlkämpfe aus der Türkei hierhertransportiert werden.