Hans-Georg Müller auf der Suche nach den Grenzsteinen im Jahr 2007. Jahre später sind die Steine nun ein Thema seines neuen Buches. Foto: Archiv Ulrich Stolte

Wer hätte das gewusst? Da, wo heute der Stadtbezirk Sillenbuch ist, gab es einst die Dörfer Horw und Ow. Sie sind abgebrannt und seither verschwunden. Hans-Georg Müller schreibt darüber in seinem neuen Buch. Und nicht nur darüber...

Sillenbuch - Er hat es wieder gemacht. Hans-Georg Müller hat ein neues Buch über die Geschichte von Sillenbuch geschrieben. „Es macht ja sonst niemand“, sagt er und lächelt wie ein Lausbub. Dabei weiß jeder im Bezirk: Die Ortsgeschichte ist die Leidenschaft des 84-Jährigen. Unzählige Broschüren hat er bereits für den Obst- und Gartenbauverein Sillenbuch verfasst, heuer ist das vierte gebundene Buch fertig geworden.

„Im Wandel der Zeit“ vereinigt Texte über Heumaden, Riedenberg und Sillenbuch aus verschiedenen Themenbereichen. „Texte, die zum größten Teil bisher unveröffentlicht waren oder aus Publikationen stammen, die vergriffen, nicht mehr im Buchhandel erhältlich und schwer zugänglich sind“, heißt es im Vorwort. Verarbeitet hat der Autor eigene Recherchen sowie Erinnerungen von Walter Dreizler und Theodor Schöpfer aus Heumaden und Hermann Reichert aus Sillenbuch. Ins Buch eingebunden sind auch alte Manuskripte, die Hans-Georg Müller einst für Vorträge geschrieben hat. „Einige wollte ich sichern“, sagt er, darunter sind die Texte „Über das Wasser in unseren Dörfern“, über „Schulgeschichte(n) von anno dazumal“ und „Mit Pinsel und Spachtel – Erinnerungen an Sillenbucher Künstler“.

Besonders viel Spaß an den Grenzsteinen in Stuttgart-Sillenbuch

Auch in diesem Buch ist wieder Überraschendes nachzulesen. Etwa die Geschichte der verschwundenen Dörfer Horw und Ow, die der verstorbene Walter Dreizler Hans-Georg Müller in den 1990ern erzählt hat. „Damit konnte ich auch erst mal nichts anfangen“, bekennt der Ortschronist.

Im 15. Jahrhundert seien die Dörfer abgebrannt, die Bewohner hätten sie nicht wieder aufgebaut, sondern sich verteilt. Hinweise auf die früheren Orte geben bis heute die Bezeichnungen Auener Bach bei Riedenberg und Horber Wald zwischen Heumaden und Ruit.

Hans-Georg Müller Foto: Holowiecki

Besonders viel Spaß gemacht hat Hans-Georg Müller die Recherche über Grenzsteine im Bezirk. Gemeinsam mit anderen Ehrenamtlichen ist er schon vor Jahren losgezogen, um die Kleindenkmale ausfindig zu machen. Extra im Winter, damit sie besser zu erkennen und nicht unter Büschen und Gras versteckt sind. Dennoch mussten viele mit Bürsten freigelegt oder ganz ausgegraben werden. „Das war schon eine Mordsarbeit“, sagt er. Alte Karten wurden ausgewertet, rund 90 solcher historischen Grenzsteine konnten schließlich entdeckt werden – etwa am Ostfilderfriedhof entlang der U-Bahn-Schienen oder am Feldweg, der parallel zur Heumadener Bernsteinstraße nahe des Spielplatzes verläuft.

Die Suche nach Fakten ist ihm in Fleisch und Blut übergangen

Letzterer wurde ehemals bei Kanalarbeiten gefunden, 2007 restauriert und vom Bürgerverein Heumaden wieder aufgestellt, liest man auf der großen Plakette. Vielerorts jedoch seien die Grenzsteine verloren gegangen. „Wenn die Straße verbreitert werden muss, nimmt keiner Rücksicht“, sagt der Historiker. Ob Kolping- und Landstadtsiedlung, Eichenhain oder Alt-Heumaden: Dem pensionierten Geschichtslehrer ist die Suche nach Fakten in Fleisch und Blut übergegangen. „Wenn ich irgendwo wohne, dann interessiert mich, was dort war“, sagt er lapidar.

Seit 1959 lebt Hans-Georg Müller in Sillenbuch, seither hat er sich ein profundes Wissen aufgebaut. Wer etwas wissen will, fragt ihn. Ein Jahr etwa hat der Senior für das neue Buch gebraucht. Etwas länger als sonst, weil die Gesundheit nicht so mitgespielt hat. Der Pensionär muss es etwas ruhiger angehen lassen. Ganz auf seine Leidenschaften, das Recherchieren und Schreiben, möchte er aber nicht verzichten. „Ich will ja nicht nur zum Fenster rausgucken“, sagt er und zeigt wieder sein spitzbübisches Lächeln. Und Material, etwa aus alten Vorträgen über Clara Zetkin, hat er daheim, „da ist schon noch was“.

Das Buch „Im Wandel der Zeit“, herausgegeben vom OGV Sillenbuch, wird in Kürze an die Buchhandlung Papyrus, Kirchheimer Straße, ausgeliefert und kann dort gekauft werden.