In Stuttgart gibt es mindestens einen dokumentierten Fall, in dem ein Flüchtling von Scientology einen Werbebrief erhalten hat. Foto: dpa

Scientology versucht, Flüchtlinge und Asylbewerber als Mitglieder anzuwerben – nach Ansicht des Verfassungsschutzes aber mit mäßigem Erfolg. Dennoch seien Flüchtlinge „leichte Beute“ für die umstrittene Organisation.

Stuttgart - Nach Ansicht des Landesamtes für Verfassungsschutz können Flüchtlinge „leichte Beute“ für die umstrittene Scientology-Organisation sein. Es gebe Hinweise darauf, dass deren Mitglieder Flüchtlinge und Asylbewerber auf der Straße ansprechen – mit eher mäßigem Erfolg, sagte ein Sprecher der Behörde am Donnerstag in Stuttgart. Dass Werber der vom Verfassungsschutz beobachteten Gruppe auch direkt in Flüchtlingsunterkünften tätig sind, sei noch nicht festgestellt worden. Nach Angaben des Integrationsministeriums ist in den Hausordnungen der Landeserstaufnahmestellen und der Bedarfsorientierten Erstaufnahmeeinrichtungen Missionierung jeglicher Art verboten.

Nach einem Bericht der „Stuttgarter Zeitung“ hatte ein Asylbewerber seiner Heimleitung ratlos einen Brief der Organisation gezeigt. Überdies hätten auch Mitglieder der Zeugen Jehovas auf dem Gelände des Flüchtlingsheims versucht, Asylbewerber anzusprechen.

„Psychogruppen“ tendieren nach Angaben des Sprechers des Verfassungsschutzes dazu, vor allem Menschen in Problemlagen anzusprechen. Sie könnten auch davon profitieren, dass Flüchtlinge von Scientology noch nie gehört haben und überhaupt nicht wissen, was sich dahinter verberge.

Baden-Württemberg einer der Schwerpunkte der Scientologen

Ein Vertreter von Scientology war am Donnerstag in Stuttgart nicht zu erreichen. In der „Stuttgarter Zeitung“ bezeichnete ein Repräsentant der Gruppierung die Aussagen des Verfassungsschutzes als absurd.

Der Sprecher des Integrationsministeriums sagte, zwar arbeiteten kirchliche Organisationen in den Unterkünften der Flüchtlinge, deren Aufgabe sei die Sozialarbeit, die Beratung der Hilfesuchenden. Es gehe nicht um Missionierung. Auf die religiösen Befindlichkeiten der Flüchtlinge werde in den Quartieren eingegangen, etwa beim Essensangebot für Muslime. Außerdem gebe es dort Räume der Stille, die von Angehörigen aller Religionen genutzt werden können.

Baden-Württemberg hat bundesweit das dichteste Netzwerk von Scientology-Stützpunkten und ist damit einer der Schwerpunkte der umstrittenen Organisation. Laut Verfassungsschutzbericht 2014 suchen die Scientologen im Raum Stuttgart neue Mitglieder und werben dort hohe Geldbeträge ihrer Anhänger ein. Für das vergangene Jahr wird die Summe auf eine Million Euro geschätzt. Experten wie auch das Bundesfamilienministerium werfen Scientology vor, Anhänger psychisch und finanziell abhängig zu machen.