Albträume lösen starke Emotionen aus – nicht nur bei Kindern Foto: dpa-Zentralbild

Weglaufen ohne von der Stelle zu kommen, Monster oder immer wiederkehrende Drohsituationen: Schlaf sorgt nicht immer für Erholung. Psychologin Kathrin Hansen erklärt, wie eine Therapie bei anhaltenden Albträumen helfen kann.

Frau Hansen, wann ist ein Traum ein Albtraum?
Wichtigstes Kriterium ist, dass man aus dem Traum aufwacht, weil er so belastend ist. Ebenso charakteristisch ist, dass man sich noch sehr detailliert an den Inhalt des Traumes erinnert. Albträume gehen mit negativen Emotionen einher, starken Ängsten etwa oder auch Schamgefühlen. Oft ist das eigene Leben oder das Selbstwertgefühl im Traum bedroht – und zwar so stark, dass man erwacht. Ein weiteres Merkmal ist, dass man sofort nach dem Aufwachen weiß, dass man geträumt hat.
Weil der Albtraum so erschreckend ist?
Nein, das ist ein Merkmal zur Abgrenzung gegenüber einer anderen Schlafkrankheit, dem Pavor nocturnus, bei dem ebenfalls beängstigende Träume auftreten. Aber bei diesem Krankheitsbild ist man nicht richtig orientiert, wenn man erwacht, das heißt, es dauert im Gegensatz zum Albtraum sehr lange, bis man nach dem Aufwachen weiß, dass man nur geträumt hat. Außerdem kann man sich beim Pavor nocturnus nicht an den Inhalt des Traumes erinnern.
Was sind die Ursachen für Albträume?
Typisch treten Albträume bei einer posttraumatischen Belastungsstörung auf. Aber es gibt auch Albträume ohne klare Ursache. Es gibt Hinweise, dass, wenn wir uns am Tag mit bestimmten belastenden Situationen nicht auseinandersetzen, wenn wir Gedanken unterdrücken oder wegschieben, genau diese Themen vermehrt in unseren Träumen vorkommen. Das ist nur eine Theorie.
Was besagen die anderen?
Es gibt auch die Theorie, dass das, was wir träumen, nur die Fortsetzung von dem ist, mit dem wir uns am Tag beschäftigen. Drittens gibt es noch eine Hypothese, die besagt, dass die Hirnaktivität während des Träumens die gleiche Funktion hat wie die im Wachzustand – also der Problemlösung dient. Ein Albtraum wäre nach dieser Theorie eine mentale Auseinandersetzung mit einem belastenden Ereignis oder einem Problem. Er würde dazu dienen, mit Ängsten besser umzugehen oder Lösungen für bedrohliche Situationen zu durchdenken beziehungsweise durchzuspielen.
Haben Albträume also einen Sinn?
Beim Albtraum wird man ja durch das Aufwachen aus der Handlung herausgerissen – ich weiß nicht, wie zielführend das sein kann, um ein Problem zu lösen. Aber weil wir gar nicht genau wissen, wie und warum Albträume entstehen, wissen wir auch nicht sicher, ob sie eine Funktion haben.
Wie viele Menschen haben Albträume?
Jedes zweite Kind und bis zu 70 Prozent der Allgemeinbevölkerung. Bei den meisten Menschen kommen Albträume nur vereinzelt vor. Aber drei bis fünf Prozent der Menschen haben chronische Albträume, das heißt, mindestens einen pro Woche, und das mindestens ein halbes Jahr lang.
Welche Folgen haben Albträume?
Gelegentliche Albträume haben meistens keine schwerwiegenden Folgen. Aber wenn die Albträume chronisch sind, dann sind die Betroffenen am Tag müde, weil sie eben keinen erholsamen Schlaf finden. Viele haben zudem Angst vor dem Einschlafen. Das kann eine sehr belastende Situation sein.
In welcher Schlafphase kommt es zu Albträumen?
In der Regel in der zweiten Nachthälfte, dann wenn wir die meisten Träume haben, das heißt während der sogenannten REM-Schlafphase.
Wie lange dauert ein Albtraum?
Wir träumen jede Nacht mehrere Stunden, es kommt dann drauf an, wann der Höhepunkt eines Albtraums ist, denn dann wacht man ja auf.
Wie therapiert man ein Trauma, das Albträume hervorruft?
Ein Konzept ist die Konfrontationstherapie, das heißt, die Betroffenen schreiben den Albtraum zunächst auf und lesen ihn anschließend mehrmals hintereinander laut vor. Ich ermutige die Patienten dabei, die negativen Gefühle zuzulassen. Der Patient beschäftigt sich dann so lange mit dem Inhalt des Albtraumes, bis die unangenehmen Gefühle nachlassen, also eine Gewöhnung eingetreten ist.
Welche anderen Ansätze gibt es?
Am bekanntesten ist die Imagary Rehearsal Therapy (IRT). Dabei führt man sich im entspannten Zustand den Inhalt des Albtraumes vor das innere Auge. Die Patienten werden dann angeleitet, den Inhalt des Traumes so lange zu verändern, bis nichts Belastendes mehr enthalten ist. Die Betroffenen kreieren sozusagen eine neue Traumhandlung, mit der sie sich wohlfühlen oder die zumindest neutral ist.
Würden Sie jemand mit chronischen Albträumen zur Therapie ermutigen?
Auf jeden Fall. Die Methoden sind sehr einfach zu lernen, und die Therapie dauert nur vier Sitzungen. Außerdem ist die Prognose sehr gut, und es verschwinden ja nicht nur die schlechten Träume, sondern die Patienten bekommen auch viel mehr Lebensqualität, weil sie besser schlafen und entspannen können. Man ist fitter und hat mehr Energie. Die Therapie wird von der Krankenkasse übernommen.
Was war der schlimmste Albtraum, der Ihnen erzählt wurde?
Einer meiner Patienten war im Traum auf dem Friedhof. Er kam in das Leichenschauhaus – und die Toten haben angefangen, sich zu bewegen. Das fand ich sehr gruselig.