Die Produktion der Hörgerätebatterien erfolgt weitgehend automatisiert. Die Maschinen entwickelt und baut Varta oft selbst. Foto: Varta Microbattery

Batterien kommen heutzutage meistens aus Asien. Doch auch in Baden-Württemberg gibt es ein Unternehmen, dass mit den kleinen Energielieferanten großen Erfolg hat: Die Varta AG in Ellwangen, die in diesem Jahr 130 Jahre alt wird. Ohne sie sähe die Hightech-Welt anders aus.

Ellwangen - Herbert Schein beginnt seine Führungen gerne im ersten Stock eines Fabrikgebäudes: Dort gibt es einen großzügigen Besprechungsraum mit Tisch, Flipchart, auf einer Seite von Milchglasscheiben begrenzt. Nicht weiter auffällig. Bis der Vorsitzende der Geschäftsführung der Varta AG in Ellwangen zur Fernbedienung greift: In Millisekunden klaren die Scheiben auf, bis nur ein zarter Schleier bleibt. Dahinter taucht – ein Stockwerk tiefer – eine blitzblanke Batteriefabrik auf.

Schein lächelt ein wenig über den gelungenen Effekt, lässt die Halle wieder im Nebel verschwinden und murmelt, dass manche Gäste nicht allzu genau hinschauensollen. Highend-Anbieter wie Varta stecken so viel Ingenieurswissen und Erfahrung in die kleinen Energiespeicher, dass es zu einem vitalen Interesse geworden ist, Industriespione auf Abstand zu halten.

Batterien werden immer wichtiger, und die Ansprüche an sie wachsen

Die Ansprüche an Batterien sind in den letzten Jahren genauso massiv gewachsen wie ihre Einsatzgebiete: Immer mehr Geräte – seien es Bohrmaschinen, Elektro-Rasenmäher oder Kopfhörer – werden heute schnurlos angeboten. Die Kunden stellen dabei hohe Erwartungen an deren Funktionsfähigkeit und Zuverlässigkeit. Und die hängen nicht zuletzt an der Energieversorgung. Es gibt Einsatzorte, an denen Batterien Jahre lang bei 45 Grad überstehen müssen.

Die Varta AG, beziehungsweise ihre Tochter Varta Microbatteries, ist auf Kleinstbatterien spezialisiert und hat mit den Handelsbatterien, wie sie beispielsweise in Fernbedienungen zum Einsatz kommen, nichts zu tun. Eins der Erfolgsprodukte des Unternehmens, das kürzlich 130 Jahre alt geworden ist, sind beispielsweise Hörgerätebatterien – da gebe es mittlerweile Geräte, die den Ton des Fernsehers direkt ins Ohr des Nutzers übertragen können, erzählt Schein. „Eine Belastung, die weit über das normale Maß hinaus geht.“ Dennoch wolle der Kunde nach einem Fernsehabend nicht gleich die Batterien wechseln müssen.

Zink-Luft-Batterien – leistungsstark und schwierig zu beherrschen

Die Batterien für Hörgeräte fertigt Varta in der Halle am Fuße des Science-Fiction-Besprechungsraums. Hier stehen vier Fertigungsstraßen, in denen Roboter in einem verglasten Transporttunnel die Batterien bauen. Dazwischen gehen wenige Mitarbeiter ruhig und konzentriert ihrem Tagwerk nach. Der Zugang ist nur in Schutzkleidung und mit Überziehschuhen möglich. Erst wenn Schein erzählt, beginnt man zu ahnen, wie viel Wissen und Können in den kleinen Metalldöschen steckt. Von acht Partikelschichten, aus der eine Varta-Kathode in den winzigen Hörgerätebatterien besteht, erzählt der Elektroingenieur, der seit mehr als 20 Jahren bei Varta arbeitet, und von dem aufwendigen Prozess, mit dem die Qualität sichergestellt wird.

Für die Hörgerätebatterien, die Varta unter einer eigenen Marke namens Power one vertreibt, kommt die so genannte Zink-Luft-Technologie zum Einsatz, bei der Zink mit Sauerstoff reagiert – keine andere Technologie biete derzeit eine höhere Energiedichte, so Schein, zugleich sei sie aber schwierig zu handhaben, das beherrschten nicht viele. Jedes dieser wenige Millimeter großen Batteriechen hat einen Abkleber über einem winzigen Loch, der entfernt werden muss, damit die Batterie zum Leben erwacht. Und schon dieser Abkleber ist Hightech, wie Schein betont: „Er muss ein klein wenig Sauerstoff ins Innere lassen, sonst bleibt die Batterie nicht funktionsfähig.“ Selbst diese Kleberchen hat Varta selbst entwickelt. Genauso wie beispielsweise einen Großteil der Fertigungsanlagen und die Batterien selbst. Sogar die Gehäuse der Zellen stellt das Unternehmen selbst her. „Die Wertschöpfung am Standort Ellwangen ist sehr, sehr hoch“, sagt Schein – ebenso wie die Innovationskraft: Mehr als 100 Patente habe man in den vergangenen drei Jahren angemeldet.

In Japan liegt Vartas Marktanteil bei 80 Prozent

Seit dem Beginn 2003 wächst die Sparte, Varta hat ständig die Kapazität erhöht, mittlerweile fallen täglich vier Millionen Hörgerätebatterien von den Ellwangener Bändern. „Da konnte der Wettbewerb nicht mithalten“, so Schein. Von ehemals 13 seien noch drei Wettbewerber übrig. Und Schein ist sich sicher, dass der bereits gut laufende Markt weiter wächst. „Nur jeder vierte, der ein Hörgerät brauchen würde, hat heute auch eins“, rechnet er vor – und der demografische Wandel tut sein übriges. Hatte das Unternehmen 2003 noch einen Marktanteil von unter einem Prozent bei Hörgerätebatterien, ist es heute marktführend. In Japan, Sitz mächtiger Batteriehersteller, dominiert Varta mit 80 Prozent sogar den Markt für Hörgeräteknopfzellen.

Ganz besonders stolz ist Schein darauf, dass Varta als einziges Unternehmen in Deutschland wiederaufladbare Lithium-Ionen-Batterien, im Volksmund meist als Akkus bezeichnet, herstellt. Sie sind Grundlage vieler moderner Geräte und Technologien – vom Smartphone bis zum Elektroauto. Derzeit wird in Deutschland kontrovers diskutiert, ob eine deutsche Zellfertigung für Autobatterien gebaut werden sollte. Für Varta ist das laut Schein vorerst noch kein Thema. Stattdessen baut man in Ellwangen Akkus, die klein und leicht genug sind, um in kabellosen Kopfhörern verbaut zu werden, wie sie jetzt im Trend liegen. Und obwohl der eine oder andere Anbieter dieser nur wenigen Gramm schweren Kleinstgeräte selbst Batterien herstellt, kommen die Zellen zumeist aus Ellwangen. „Wir haben durch unsere Innovationen die Entwicklung kabelloser Kopfhörer erst möglich gemacht“, sagt Schein. Die Auftragsbücher seien prall voll, und deswegen will Varta die Produktionskapazität in diesem Jahr im zweistelligen Millionenbereich aufstocken.

Umsatz und Belegschaft legen jedes Jahr weiter zu

Umsatz und Belegschaft von Varta wachsen in ähnlichen Dimensionen: In den vergangenen sieben Jahren, berichtet Schein, sei die Mitarbeiterzahl auf weltweit mehr als 2000 Frauen und Männer gewachsen, allein in Ellwangen hat die Belegschaft um mehr als 50 Prozent auf 800 Beschäftigte zugenommen. Der Umsatz stieg in den letzten vier Jahren um jeweils mehr als zehn Prozent auf 214 Millionen Euro im Jahr 2016. Mehr als eine Milliarde Kleinstbatterien hat Varta in dem Jahr hergestellt. 80 Prozent davon gingen ins Ausland. Ein Grund, sich zurückzulehnen, ist das für Schein nicht. Er denkt bereits an das nächste Projekt. Was genau das sein wird, verrät er allerdings nicht. Manchmal lässt Schein nun einmal gern einen Schleier auf den Dingen.

130 Jahre deutsche Batterie-Geschichte

Historie
Die Varta AG geht auf die 1887 in Hagen gegründete Accumulatoren-Fabrik Tudorschen Systems Büsche & Müller OHG zurück. 1904 gründet sie unter dem Namen AFA in Berlin-Oberschönweide die „Vertrieb, Aufladung, Reparatur transportabler Accumulatoren“, kurz Varta. In Ellwangen ist das Unternehmen seit 1946 vertreten, wo ab 1947 in einem Nachkriegssortiment aus Trichtern, Rechen oder Lautsprechern auch Batterien gefertigt werden.

Aufspaltung
Ab 1923 lag die Aktienmehrheit der Varta-Mutter AFA lange bei der Industriellenfamilie Quandt. 2002 wurde der Konzern in drei Teile zerschlagen: Klassische Gerätebatterien der Marke Varta stellt seither der US-Mischkonzern Spectrum Brands her. Die Autobatterien der Marke gehören zu Johnson Controls. Zurück blieb die Microbattery GmbH, die seit 2007 zur Montana Tech Components des österreichischen Millionärs Michael Tojner gehört und gemeinsam mit der Varta Storage GmbH die Varta AG in Ellwangen bildet.

Produkte
Varta Microbatteries stellt wiederaufladbare und Einweg-Kleinstbatterien her. Varta Storage hat Stromspeicherlösungen für Privathaushalte und Industrie sowie Akkupacks im Programm. Varta-Batterien waren unter anderem bei der Nordpolexpedition von Fridtjof Nansen 1896 und bei der Mondlandung 1969 dabei.