Das Logo des sozialen Netzwerks Facebook Foto: dpa

Hetzer im Internet haben es immer schwerer. Das soziale Netzwerk Facebook entfernt nach eigenen Angaben immer mehr Einträge – und erste Politiker stellen Strafanzeigen.

Berlin/Stuttgart - Der Ton in den sozialen Netzwerken im Internet scheint immer rauer zu werden. Nicht wenige deutsche Nutzer schreiben im Schutz einer vermeintlichen Anonymität wie entfesselt pöbelnde, rassistische oder extremistische Kommentare und Beiträge. Vor allem Asylbewerber sind von den menschenverachtenden Hassbotschaften und Beleidigungen im Netz betroffen – aber auch Politiker.

Das weltweit größte soziale Netzwerk, Facebook, geht gegen Äußerungen dieser Art offenbar immer entschiedener vor. Im ersten Halbjahr dieses Jahres hat das Unternehmen auf Wunsch der deutschen Behörden so viele strafrechtlich relevante Einträge gelöscht wie noch nie zuvor in seiner Geschichte. Das geht aus Zahlen hervor, die der Online-Gigant aus den USA am Donnerstag veröffentlichte.

Justizminister Maas findet die Entwicklung „ermutigend“

Demnach wurden von Anfang Januar bis Ende Juni 188 Inhalte in Deutschland entfernt. Zum Vergleich: 2014 waren es im gleichen Zeitraum lediglich 34 gelöschte Einträge gewesen, im zweiten Halbjahr immerhin 60. Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) wertete den erheblichen Anstieg der entfernten Inhalte als „ermutigend“.

Einer seiner Sprecher sagte im Gespräch mit unserer Zeitung allerdings auch, dass die Zahlen „schwierig einzuordnen“ seien, da es sich nur um Inhalte gehandelt habe, die von staatlicher Seite gemeldet worden seien. Über Einträge, die von Nutzern angeprangert und anschließend gelöscht wurden, macht Facebook keine Angaben.

NRW-Ministerpräsidentin Kraft bringt Beleidigungen zur Anzeige

Von der durchs Internet wabernden Wut war zuletzt auch Nordrhein-Westfalens Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) betroffen. Die Tonlage in Mails und Beiträgen in den sozialen Netzwerken fange auf einem „viel höheren negativen Niveau“ an als noch vor einigen Jahren, beklagte Kraft: „Da geht es schnell in Beschimpfungen und Beleidigungen hinein.“ Die Sozialdemokratin hat sich deshalb entschieden, strafbaren Äußerungen resolut zu begegnen. Sie bringe „alles zur Anzeige, was zur Anzeige gebracht werden kann“.

Bereits im Sommer hatte Maas Facebook und andere soziale Netzwerke aufgefordert, strafrechtlich relevante Beiträge schneller und konsequenter zu löschen. „Das Internet ist kein rechtsfreier Raum, in dem rassistische Hetze und andere strafbare Äußerungen unkontrolliert verbreitet werden dürfen“, betonte Maas. Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) schaltete sich ein und bat den Gründer und Chef von Facebook, Mark Zuckerberg, die Hasskommentare in seinem Netz besser zu kontrollieren.

Ist der Ton tatsächlich rauer geworden?

Ob der Ton in den sozialen Netzwerken in den vergangenen Monaten tatsächlich rauer geworden ist, sei schwer zu beurteilen, sagte Wolfgang Schweiger unserer Zeitung. Für den Professor für Kommunikationswissenschaft an der Universität Hohenheim mit dem Schwerpunkt interaktive Medien- und Online-Kommunikation ist aber eines auffällig gewesen: „Das Thema mit den strafbaren Inhalten auf Facebook hat zuletzt eine viel stärkere öffentliche Beachtung gefunden. Sogar die Politik hat sich eingeschaltet.“

Dadurch habe Facebook gemerkt, dass rassistische, extremistische und beleidigende Inhalte in Deutschland im Gegensatz zu den USA ein ernsthaftes Problem seien, sagt Schweiger: „In den USA ist es nicht schlimm, wenn ein User obskures Zeug schreibt oder andere Nutzer beschimpft.“

Facebook setzt vor allem auf Counter Speech

Facebook setzt bei solchen Inhalten vor allem auf die vernünftige Masse – auf Counter Speech. Dabei entkräften Nutzer mit klaren Argumenten Ressentiments und Vorurteile der Hassbotschafter.

Bei einem Treffen Mitte September vereinbarten Maas und europäische Vertreter von Facebook derweil die Gründung einer sogenannten Taskforce. Die Arbeitsgruppe besteht aus Vertretern des Justizministeriums, Internetanbietern, sozialen Netzwerken und gesellschaftlichen Organisationen. Sie arbeitet derzeit an einem Plan, wie die Unternehmen und deren Nutzer mit den Hasskommentaren umgehen sollen.

Strafrechtlich verfolgt werden viele Urheber der fremdenfeindlichen Hetze bereits – zuletzt in Berlin. Dort zog die Polizei am Donnerstag eine Razzia gegen zehn Rechtsextremisten durch, die auf Facebook gegen Flüchtlinge, deren Unterkünfte und andere Minderheiten gehetzt hatten.