Das Grabmal besteht aus drei schlanken Stelen. Foto: Petra Mostbacher-Dix

Die zweite Urnen-Gemeinschaftsgrabanlage Stuttgarts ist offiziell eingeweiht worden. Mit Urnen-Gemeinschaftsgrabanlage reagieren die am Friedhof tätigen Gewerke und die Stadt Stuttgart auf die Veränderungen in der Gesellschaft.

S-Süd - Wir sind individueller, pluralistischer, multireligiös und unglaublich mobil, die Familienstrukturen sind nicht mehr die gleichen. Kinder wohnen woanders als die Eltern, es wird schwieriger, die Gräber verstorbener Angehörigen zu pflegen.“ Volker Schirner, Leiter des Garten-, Forst- und Friedhofsamts Stuttgart, schildert die Herausforderungen, vor denen heute Friedhofsverwaltungen, Steinmetze, und Friedhofsgärtner stehen. „Mit Urnen-Gemeinschaftsgrabanlage reagieren die am Friedhof tätigen Gewerke und die Stadt Stuttgart auf die Veränderungen in Gesellschaft“, so Schirner. Urnen-Gemeinschaftsgrabanlagen sind einheitlich gestaltete Grabfelder mit zentralem Grabmal, die für eine bestimmte Anzahl von Urnengräbern ausgelegt sind. Und Schirner weihte am Dienstag die zweite Anlage dieser Art in Stuttgart ein.

Die erste Anlage entstand in Steinhaldenfeld

Die erste gibt es seit dem Sommer 2013 auf dem Hauptfriedhof in Steinhaldenfeld, mit 40 Reihen- und 40 Wahlgräbern, letztere sind bereits alle belegt. In Heslach wiederum sind im ersten Bauabschnitt 26 Wahlgräber entstanden, die bis zu zwei Urnen aufnehmen können, sowie sechs Reihengräber. Je nachdem, wie diese nachgefragt würden, seien weitere Ausbaustufen möglich, so Schirner. „Die Nachfrage in Steinhaldenfeld zeigt: Diese gemeinsamen Urnenanlagen werden zukünftig in unserer Friedhofsplanung zunehmend Gewicht haben“, mutmaßte Schirner. Die nächste soll auf dem Friedhof Vaihingen entstehen – auch für den Waldfriedhof gebe es Planungen.

„All-inclusice“-Gräber in Heslach

In Heslach werden „All-Inclusive“-Gräber angeboten: Die Mitarbeiter einer Friedhofsgärtnerei bepflanzen die Felder wechselnd über die Jahreszeiten. Die Fläche ist in zwei Ebenen angelegt, beide sind mit bossierten Steinen eingefasst, das Grabmal besteht aus drei schlanken Stelen mit eingefassten Metallplatten, auf denen die Namen der Verstorbenen eingraviert werden. Die Grabfelder sind mit Nummern versehen, so dass Besucher wissen, wo sie die Urne des Angehörigen oder Freundes finden. Neben der Pflege der Pflanzen und des Grabmals wird garantiert, dass das Grab nach 20 Jahren professionell abgeräumt wird. Für diese Zeit schließen Angehörige einen Dauerpflegevertrag ab, und zahlen, je nach Grabart, zwischen 3165 bis 5565 Euro.

„Urnen-Gemeinschaftsgrabanlagen entlasten Angehörige sehr“, so Matthias Kull, Vorstandsmitglied der Württembergischen Friedhofsgärtner. Diese seien geeignet, soziale und kulturelle Gleichheit zu schaffen. „Der Friedhof muss ein Ort der kulturellen und religiösen Inklusion sein“, betonte Kull. Dem schloss sich Thomas Florian vom Netzwerk Steinmetz + Bildhauer Genossenschaft an. In Zeiten, in denen sich die traditionelle deutsche Friedhofskultur wandele, seien sie eine echte Alternative. Anonyme Bestattungen oder welche in Friedwäldern nähmen zu. Asche zu verstreuen, wie in der Schweiz, ist indes in Deutschland verboten – bis auf wenige Ausnahmen. In Berlin gibt es etwa Streuwiesen, in denen die Asche der Toten in eine zu verschließende Gruft gestreut wird. In Friedwäldern dürfe man indes keine Blumen ablegen, ergänzte der Gärtner Hagen Müller, der die Anlage auf dem Friedhof Heslach pflegt. Im Gegensatz zu anonymen Bestattungen würden Gemeinschaftsgrabanlagen dem Bedürfnis gerecht, an einem Ort „seine Trauer abarbeiten“ zu können. „Zwar können die Grabfelder nicht individuell gestaltet werden. Aber auf der zweiten Ebene können Trauernde Blumen, ein Gesteck oder eine Kerze ablegen.“

Der Wandel hat vielerlei Auswirkungen

Der Wandel in der Friedhofskultur hat auch noch andere Auswirkungen: Die Gebühreneinnahmen durch Friedhöfe sinken, es entstehen mehr öffentliche Freiflächen, die die Städte und Gemeinden auf eigene Kosten pflegen müssen. Stuttgart besitzt 42 Friedhöfe. „Unser Kostendeckungsgrad liegt bei den Friedhöfen bei 80 Prozent“, so Amtschef Schirner. „Friedhöfe sind auch öffentliche Parks, um Ruhe zu finden. Das Wissen muss auch in der Stadtkämmerei Einzug halten.“