Derzeit scheint wahrscheinlich, dass der Name EN Storage von der Fassade am Firmensitz in Herrenberg entfernt werden muss. Foto: factum/Granville

Ermittler haben die Räume des IT-Dienstleisters EN Storage durchsucht. Der Verdacht lautet Betrug. Wenige Tage darauf hat das Unternehmen Insolvenz beantragt. Anleger, die in Wertpapiere investiert haben, bangen um ihr Geld.

Herrenberg - Die Zukunft schien verheißungsvoll. Selbst das Münchener Magazin Focus war auf die EN Storage aufmerksam geworden, die an der Herrenberger Kalkofenstraße 38 Mitarbeiter beschäftigte. Noch im Dezember vergangenen Jahres bescheinigten die Magazinmacher in ihrer Sonderpublikation „Die Wachstumschampions“, dass die EN Storage in der Liste der Unternehmen mit glänzenden Zukunftsaussichten unter den Top 25 zu platzieren sei. Im Internet ist diese Bewertung mittlerweile gelöscht, denn aktuell sind die Zukunftsaussichten des Herrenberger IT-Dienstleisters ausgesprochen bescheiden.

Am 23. Februar ließ die Staatsanwaltschaft Stuttgart die Geschäftsräume durchsuchen. Wenige Tage später gab Lutz Beier, einer der Geschäftsführer, bekannt, dass der Betrieb eingestellt und ein Insolvenzantrag gestellt sei. Auf der einstigen Internetseite des Unternehmens findet sich nur noch das Impressum. Anrufer bekommen nicht mehr als den automatischen Hinweis, dass derzeit alle Mitarbeiter im Gespräch seien.

Der Firmengründer ist verhaftet – oder war verhaftet

EN steht für die Initialen des Firmengründers und zweiten Geschäftsführers Edvin Novalic. Er ist verhaftet worden – oder war verhaftet. Nicht einmal dazu will die Staatsanwaltschaft Auskunft geben. „Momentan laufen die Ermittlungen auf Hochtouren“, sagt Jan Holzner, der Sprecher der Staatsanwaltschaft. „Wir wollen so wenig wie möglich herausgeben, um sie nicht zu gefährden.“ Der Vorwurf lautet Betrug. In einigen Wochen, womöglich erst in einigen Monaten, könne die Öffentlichkeit informiert werden, ohne dass Verdunklungsgefahr drohe.

Das Geschäft von EN Storage ist die Datenspeicherung als Dienstleister für „international tätige Firmen, Industrieunternehmen und staatliche Nutzer“, wie es in der letzten verfügbaren Bilanz heißt, der für das Geschäftsjahr vom 1. April 2015 bis zum 31. März 2016. Die wies neuerlich glänzende Zahlen aus, wie stets seit der Unternehmensgründung 2009. Der Jahresüberschuss war im Zwölf-Monats-Vergleich von 4,66 auf 6,07 Millionen Euro gestiegen, die Zahl der Mitarbeiter von 18 auf 38. Der Umsatz hatte sich von 29 auf 55 Millionen Euro erhöht, mehr als 1,4 Millionen pro Angestelltem. Um das Wachstum zu bewältigen, hatte EN Storage zusätzliche Räume in Holzgerlingen angemietet.

EN-Wertpapiere lockten mit Zinsen bis zu 6,8 Prozent

Pikant an der Pleite ist, dass die Firma ihre Geschäfte mit dem Geld von Anlegern finanzierte. EN Storage hat Anleihen herausgegeben und lockte mit einer Verzinsung von 5,6 oder 6,8 Prozent, je nach Laufzeit. 1000 Euro waren der Mindesteinsatz. Die Anteile konnten online gezeichnet werden. „Dies ist bequem und zeitgemäß“ – so warb die Firma für die Anlage. Laut dem Text zum unternehmenseigenen Imagefilm haben rund 1500 Anleger auf die Investition vertraut. Wie viel von ihrem Geld verloren ist, muss das Insolvenzverfahren ergeben. Insgesamt droht der Verlust einer zweistelligen Millionensumme.

Ein erstes Warnzeichen hatte es gegeben: 2014 hatte die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht, kurz Bafin, einen ersten Versuch gestoppt, Geld einzusammeln. Sie stufte das erste EN-Wertpapier als verbotenes Einlagengeschäft ein. Das Unternehmen musste die Verträge unter Aufsicht der Bafin umstellen. Letztlich sei es gelungen, „den Vorwurf vollständig zu entkräften“, schrieben die Geschäftsführer in ihrem Jahresbericht. Anschließend wurden die neuen Anleihen als Inhaberteilschuldverschreibungen herausgegeben. Mehr als 30 Millionen Euro wollte EN Storage so einsammeln. Wie viele Anleger gezeichnet haben, ist unklar.

Kritische Journalisten lud Novalic in sein Eigenheim ein

Journalisten, die kritisch berichteten, lud der Familienvater Novalic in entwaffnender Ehrlichkeit in sein Eigenheim ein. Er lebt in einer beschaulichen Gemeinde im Landkreis Böblingen. Seit 2016 konnte Novalic mit dem Titel des Senators der Wirtschaft werben. Der Senat der Wirtschaft ist ein Kreis von Politikern, Unternehmern und Wissenschaftlern, die sich um Antworten auf gesellschaftliche Fragen bemühen. Für die Arbeit des Zirkels werben aktuelle wie einstige Spitzenpolitiker.

In der Chefetage des Unternehmens war die Aufgabenverteilung eindeutig. Der IT-Fachmann Novalic war für den technischen Teil und die Kundenbetreuung zuständig. Buchhaltung, Finanzplanung und Kapitalbeschaffung waren Lutz Beier zugeordnet. So ist es im Jahresabschluss nachzulesen.