Angeblich speicherte EN Storage auf 13 500 Servern Kundendaten. Tatsächlich fand der Insolvenzverwalter „einige wenige“. Foto: ISH

Ein Stuttgarter Kanzlei vertritt rund 100 Betroffene, die ihr Geld an EN Storage verloren haben. Die Rechtsanwälte wollen Finanzberater und Wirtschaftsprüfer in Haftung nehmen – und glauben an ihren Erfolg.

Herrenberg - Die erste Reaktion war Misstrauen. „Das erlebt man als Rechtsanwalt selten“, sagt Florian Hitzler. Dass Edvin Novalic und Lutz Beier Anlegergeld veruntreut haben sollen, statt es vertragsgemäß zu investieren, mochten seine Mandanten nicht glauben. „Die meisten kennen die Geschäftsführer persönlich, die dachten, das muss ein Irrtum sein“, sagt Hitzler. Bevor die Anleger dem Führungsduo der EN Storage ihr Geld anvertrauten, hatten sie sogar die Firma in Herrenberg besucht.

Aller Voraussicht nach ist ihr Geld verloren. Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen EN Storage. Novalic ist verhaftet worden, das Unternehmen insolvent. Für den Insolvenzverwalter Holger Leichtle sind weder die in der Bilanz aufgelisteten Summen auffindbar, noch die Server, in die Anleger angeblich investiert haben. Leichtle schätzt, dass rund 90 Millionen Euro verloren sind (wir berichteten).

„Manche Anleger haben ihre Altersversorgung investiert“

„Teilweise stecken dahinter Schicksale“, sagt Hitzler. „Manche Anleger haben ihre Alterversorgung investiert.“ Der Jurist vertritt für die Stuttgarter Kanzlei Brüllmann rund 100 von 2000 Betroffenen. Bis zu 200 000 Euro hätten seine Mandanten überwiesen. Dass Hitzler aus der Insolvenzmasse Geld für sie zurückholen kann, scheint unwahrscheinlich. EN Storage hat von einem Tag auf den anderen den Betrieb eingestellt. Ungeachtet dessen hält Hitzler die Aussichten für gut, zumindest einen Teil des Kapitals einzutreiben: bei Finanzberatern und den Wirtschaftsprüfern des Unternehmens. Beide Berufsgruppen sind für den Fall versichert, dass sie Schäden verursachen.

„Ein Vermittler hat eine Plausibilitätsprüfungspflicht“, sagt Hitzler. Im Klardeutsch: Er darf seinen Kunden nur Geschäfte vorschlagen, die realistisch erscheinen. EN Storage hatte Anlegern bis zu sieben Prozent Verzinsung versprochen. Offenbar ist nicht nur im Einzelfall behauptet worden, dass die Geschäfte mit Aufträgen von Daimler refinanziert werden. „Bei so einem bombensicheren Geschäft zahlt ein Unternehmen doch keine sieben Prozent“, sagt Hitzler. Jeder Bankkredit wäre günstiger gewesen. Allein dies hätte die Berater misstrauisch machen müssen.

Finanzvermittler versuchen offenbar, von der Spur weg zu locken

Allem Anschein nach versuchen zumindest einzelne Vermittler, ihre Kundschaft von dieser Spur weg zu locken. Laut Hitzler schreiben sie in E-Mails, sie seien selbst getäuscht worden und empfehlen Kanzleien, um Geld einzutreiben. „Ich habe mit einem solchen Kollegen telefoniert“, sagt Hitzler. „Er will nicht gegen die Berater vorgehen, sondern nur gegen die Wirtschaftsprüfer.“

Juristische Ansatzpunkte sind die Bilanzen des Unternehmens und Zertifikate, mit denen bescheinigt wurde, dass mit dem Anlegergeld Server angeschafft würden. EN Storage sollte die Geräte mieten. Die Zertifikate hatten Wirtschaftsprüfer unterschrieben. Die scheinbar glänzenden Bilanzen von EN Storage waren in Werbe-Prospekten für die Geldanlage gedruckt. Allerdings summierten die Umsätze sich nur auf einen Bruchteil dessen, was in der Bilanz behauptet war.

Für die meisten Geldgeber dürfte die Geschäftsentwicklung ein gewichtiges Argument gewesen sein. „Natürlich ist es entscheidend, ob man in eine Klitsche investiert oder in ein Unternehmen auf scheinbar solider Basis“, sagt Hitzler. Derzeit versucht seine Kanzlei, mit Finanzberatern Kompromisse auszuhandeln. In einigen Wochen sei mit ersten Klagen zu rechnen. Wer die Adressaten sind, wird nicht zuletzt von den Erkenntnissen der Staatsanwaltschaft abhängen. Die schweigt nach wie vor, um die Ermittlungen nicht zu gefährden.