Lutz Schelhorn, Präsident der Stuttgarter Hells Angels Foto: Leif Piechowski

Die Symbole der Hells Angels sind zuletzt in mehreren Bundesländern verboten worden. In Baden-Württemberg müssen die Rocker ein solches Verbot nicht fürchten. Die Generalstaatsanwaltschaften wollen keine solche Empfehlung abgeben.

Die Symbole der Hells Angels sind zuletzt in mehreren Bundesländern verboten worden. In Baden-Württemberg müssen die Rocker ein solches Verbot nicht fürchten. Die Generalstaatsanwaltschaften wollen keine solche Empfehlung abgeben.

Stuttgart - Lutz Schelhorn sitzt auf Holzpaletten vor seinem Atelier in Stuttgart-Feuerbach. Der Fotograf und Präsident der Hells Angels Stuttgart erzählt über sein Buch „Jagd auf die Rocker“, das im Oktober erscheinen soll. „Die Behörden versuchen uns zu kriminalisieren, wo es nur geht“, klagt der 55-Jährige. Am 7. April hat das Oberlandesgericht Hamburg das Tragen der Abzeichen der Hells Angels verboten. Eine Rechtsauslegung, der sich Berlin, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern, Thüringen und seit Mittwoch auch Niedersachsen bereits angeschlossen haben.

Baden-Württemberg will den geflügelten Totenkopf und den roten Schriftzug aber nicht grundsätzlich verbieten, sind sich die Generalstaatsanwaltschaften Stuttgart und Karlsruhe einig. „Das ist eben nicht so einfach, weil es unterschiedliche Rechtsprechungen dazu gibt“, sagt Tomke Beddies, Sprecherin des Stuttgarter Generalstaatsanwalts. Es gebe verschiedene Urteile der Oberlandesgerichte. „Wir sehen daher keinen Anlass, die Staatsanwälte anzuweisen, in die eine oder andere Richtung zu ermitteln“, sagt Sprecherin Beddies. Diese rechtliche Bewertung habe man auch dem Landeskriminalamt mitgeteilt.

Einen härteren Kurs fordert dagegen der Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK), der die Abzeichen der Hells Angels bundesweit verbieten lassen würde. „Die Rockergang Hells Angels ist eindeutig organisiert“, sagt Ulf Küch, stellvertretender Bundesvorsitzender des BDK. Er fordert das Verbot aller Rockergruppierungen: Bandidos, Outlaws, Gremium, Satudarah und ihrer Unterstützerclubs. Im Zusammenhang mit Rockergruppen habe es in der Vergangenheit genug Vorfälle um Prostitution, Drogen, Mord und Totschlag gegeben.

Vorwürfe, die Schelhorn nur teilweise von sich weist. „Die Rockerszene ist am Arsch“, sagt Schelhorn. Mitschuld trügen die Behörden und die Medien, die ein falsches Bild der Rockergruppen vermittelten. „Dass Kuttenträger Millionen mit kriminellen Geschäften scheffeln, ist ein Märchen“, sagt Schelhorn, der, wenn er nicht mit seiner 30 Jahre alten Harley Davidson unterwegs ist, VW Passat fährt. Dieses verklärte Bild ziehe auch Leute an, die nicht zu den Rockerclubs passten.

Damit meint er die jüngere Generation rockerähnlicher Gruppierungen aus der Türsteher-, Kampfsport- und Fitnessszene mit krimineller Energie. „Es kommt vor, dass einer von denen bei uns ins Clubhaus reinkommt und meint, ,Hey, ihr seid cool, ihr knallt doch die Bandidos ab!’“ Schelhorn sagt, dass er solche Gesellen sofort rausschmeiße. Von den brutalen Auseinandersetzungen zwischen rivalisierenden Rockergruppen, die nicht selten zu Blutvergießen führen, hält er überhaupt nichts: „So unnötig wie ein Kropf“, sagt Schelhorn.

Laut Schelhorn sind die meisten Charter der Hells Angels, wie man die Ortsgruppen in der Rockerszene nennt, wie das in Stuttgart sauber: „Wer bei uns mit Drogen dealt, fliegt raus.“ Das Clubhaus der Stuttgarter Hells Angels befindet sich mitten im Leonhardsviertel, im Rotlichtmilieu. „Wie sich das Viertel gefreut hat, als wir kamen“, will sich Schelhorn erinnern, „die dachten, dass wir dort aufräumen.“ Laut Schelhorn hat kein Stuttgarter Hells Angel je Ambitionen gehabt, im Rotlicht Geschäfte zu machen.

Eine Einschätzung, der sich ein jahrzehntelanger Wegbegleiter anschließt. Ex-Kripomann Willi Pietsch war über 30 Jahre lang Chef des Dezernats Jugendgewalt in Stuttgart, das sich bis heute um die mittlerweile in die Jahre gekommenen Rocker kümmert. Das Verhältnis zum Hells-Angels-Präsidenten und Fotografen Lutz Schelhorn beruhe auf „Akzeptanz und Rollenklarheit“. Im Oktober wird Pietsch in einem Dokumentarfilm mit dem Rockerchef zu sehen sein. Auch Hermann Karpf, Referent von Stuttgarts Ordnungsbürgermeister Martin Schairer, schließt sich der Einschätzung von Pietsch an: „Von irgendwelchen kriminellen Machenschaften der Hells Angels in Stuttgart wissen wir nichts.“

So brav wie die Stuttgarter Hells Angels scheinen, sind sie nicht überall in Deutschland. Erst in der Nacht zum Donnerstag wurden vier Männer in der Frankfurter Innenstadt angeschossen. Hells Angels, sagt die Staatsanwaltschaft. Anlass sollen interne Streitigkeiten verschiedener Charter gewesen sein. Zuletzt waren die Hells Angels groß in der Presse, weil der inoffizielle Deutschland-Chef Frank Hanebuth vom ehemaligen Charter Hannover im Juli 2013 auf Mallorca festgenommen worden ist. Die Vorwürfe der spanischen Behörden: Bildung einer kriminellen Vereinigung, Förderung illegaler Prostitution, Drogenhandel und Geldwäsche.

Grundlage der Oberlandesgerichte, das Tragen der Hells-Angels-Abzeichen in sieben Bundesländern zu verbieten, waren juristisch nicht die aktuellen Vorfälle in der Rockerszene, sondern ein Beschluss des Oberlandesgerichts Hamburg aus dem Jahr 1983. Das führte zum Verbot des ersten Charters der Hells Angels in Deutschland. Ein Mitglied der Hells Angels ließ im April 2013 prüfen, ob es seine Rockerkutte mit den Abzeichen des Clubs tragen dürfe. Was Anstoß für die Verbote war.

Aber vor allem in den alten Bundesländern hat es in der Vergangenheit eine ganz andere Rechtsauslegung gegeben. So schreibt das Bundesinnenministerium 1984 auf die Anfrage eines Hells-Angels-Mitglieds aus den Niederlanden, ob es in Deutschland seine Kutte tragen dürfe: „Das Organisationsverbot wirkt ausschließlich gegenüber dem ,Hells Angels Motorclub e.V.’ Hamburg.“ Ähnliche Urteile finden sich auch von anderen Gerichten.

Schelhorn denkt nicht daran, seine Kutte in den betroffenen Bundesländern kampflos abzulegen. „Wir klagen bis zum Verfassungsgericht – wenn es sein muss, bis zum europäischen Gerichtshof“, schimpft er. Schelhorn hofft, dass sein Club bald wieder in besserem Licht dasteht. Dass es wieder um Rebellion und Motorradfahren geht.