Alan Bareiß hält sich am liebsten im Jugendtreff Café 13 auf, wo er sich als Geschäftsführer engagiert. Foto: factum/Granville

In Weilimdorf leben prozentual gesehen die meisten Jugendlichen in Stuttgart. Alan Bareiß ist einer von ihnen. Für ihn ist Weilimdorf vor allem eines: „megacool“.

Stuttgart-Weilimdorf - Alan schließt die Tür des Café 13 auf, knipst das Licht an, schließt sein Smartphone an die Stereoanlage an und schiebt die Regler zu sich heran. Leise Reggaemusik von Manu Chao klingt im Hintergrund. „Kaffee?“, fragt der 18-Jährige und wühlt bereits die Pads für die wenige Tage alte Maschine heraus. „Hat uns die Mutter eines Mitarbeiters geschenkt“, sagt er. Während die Maschine brummt, pfeift er vor sich hin. „Abi 2012“ steht auf seinem schwarzen Kapuzenpulli, darunter sind die 148 Namen der Schulabgänger des Solitude-Gymnasiums aufgedruckt. „Wenn der DJ geht, ist die Party vorbei“, ist das Motto des diesjährigen Abiturjahrgangs. DJ steht für Doppeljahrgang. Alan gehört zu jenen, die nach der 12. Klasse Abitur machen. Wenn er einen Studienplatz bekommt, möchte er Medizin studieren.

Geboren wurde Alan Bareiß in Kroatien. Als er ein halbes Jahr alt war, zog seine Mutter mit ihm nach Weilimdorf, wo bereits die Großeltern lebten. Kindergarten, Grundschule, Gymnasium – Alan ist im Stadtbezirk aufgewachsen, fast alle seine Freunde leben dort. Seit 2010 ist er als Jugendrat aktiv, vor einem halben Jahr übernahm er das Amt des Sprechers. „Es ist wichtig, sich im Bezirk zu engagieren“, meint er. Zwar sei man als Jugendrat kein Entscheidungsträger, aber es sei gut, einen Finger in der Lokalpolitik drinzuhaben.

In Weilimdorf gibt es weder Kino noch Disco

Alan nennt das Café 13 sein „zweites Wohnzimmer“. Fast jedes Wochenende verbringt er dort. In wenigen Tagen wird er Geschäftsführer des Jugendtreffs, der 2006 auf Initiative des Jugendrats gegründet wurde. Bis heute ist es der einzige seiner Art in Stuttgart. Für die Mietkosten gibt es einen Zuschuss der Stadt, die restlichen Finanzen müssen die Jugendlichen selbst erwirtschaften und verwalten. Dass sich der Treff eines Tages auflösen könnte, weil sich keine Nachfolger mehr melden, die sich um Buchhaltung, Einkaufen und Putzen kümmern, kann sich Alan nicht vorstellen. „Es finden sich immer Leute. Ich bin froh, dass wir kein Haufen Drückeberger sind“, sagt er und überlegt kurz. „Genau so hat Ehrenamt zu funktionieren.“

Als nächsten Punkt steuert Alan den Löwen-Markt an, „unser Dorfzentrum“. Fast immer sieht er dort ein bekanntes Gesicht. Oft treffen sich die jungen Leute dort, bevor es in die Innenstadt geht. Dass es in Weilimdorf weder Kino noch Disco gibt, stört Alan nicht. „Ich bin froh, dass hier kein so Tumult ist. Die Stadt ist ja gleich nebendran.“ Den grauen Uhrenturm am Löwen-Markt nennt er „Big Ben“. Erst Anfang der 80er Jahre ist das Ortszentrum mit Bezirksrathaus, Stadtteilbücherei und Geschäftshäusern angelegt worden. Bis dato fehlte Weilimdorf ein zentraler Platz. Alan schaut sich um und meint: „Mir gefällt’s hier voll gut. Woanders denke ich mir oft, wie froh ich bin, dass ich meinen Löwen-Markt habe.“ Die weniger hübschen Gebäude, die spröden 80er-Jahre-Charme versprühen, blende er einfach aus.

Die schönste Seite Weilimdorfs liegt für Alan 500 Meter weiter an der Ditzinger Straße. Dort stehen die Oswaldkirche, das Alte Rathaus, das Alte Schulhaus und das Alte Pfarrhaus. „Unser Ansichtskartenmotiv.“ Auf einer Wiese hinter der Kirche hat Alan als Jugendlicher so manchen Nachmittag verbracht, Musik gehört, „Zeit totgeschlagen“. Auch wenn er heute nur noch selten vorbeikommt, findet er das historische Ensemble „megacool“. „Ich kann absolut nachvollziehen, dass sich die Leute für den Erhalt eingesetzt haben“, sagt er. Vor zwei Jahren hatte die Stadt das 1605 errichtete Alte Rathaus und das 1765 erbaute Alte Schulhaus auf die „Verkaufsliste nicht betriebsnotwendiger Gebäude“ gesetzt. Aus Protest gründeten Bürger den Verein Pro-Alt-Weil und sammelten fast 2500 Unterschriften gegen den Verkauf. Mit Erfolg: Ende 2011 wurden beide Gebäude von der Liste genommen. Mit einem Architekten erarbeiteten die Vereinsmitglieder ein Konzept, wie die Räume künftig von der Öffentlichkeit genutzt werden können. Vereine und dringend benötigte Kinderbetreuungsplätze sollen dort unterkommen.

Alan schätzt aber nicht nur das Zentrum von Weilimdorf. Der nächste Punkt, den der Abiturient aufsucht, liegt mitten im Grünen: das Evangelische Waldheim Lindental. Das katholische und die beiden Feuerbacher Waldheime stehen gleich daneben. Mehrere Hundert Kinder verbringen hier jedes Jahr einen Teil ihrer Sommerferien. Auch Alan hat als Kind dort getobt, seit zwei Jahren ist er selbst Betreuer. „Als Kind ist Waldheim das Allercoolste, aber als Betreuer ist es noch viel cooler“, meint der 18-Jährige und grinst.

Der Grillplatz gehört für Alan unweigerlich zu Weilimdorf

Vom Waldheim geht es am Stadtteil Giebel vorbei zum Grillplatz im Fasanengarten. Zu der 50er-Jahre-Siedlung mit vielen Hochhäusern und Wohnblocks fällt Alan nicht viel ein. „Ich wüsste nicht, was mich da hinverschlagen sollte“, sagt er achselzuckend. „Für mich ist das eher eine Vorstadt von Gerlingen.“ Da Giebel von Weilimdorfs Ortskern aus betrachtet in der falschen Richtung liegt – nämlich weg von der Innenstadt – kommt Alan nie automatisch dort vorbei. Projekte wie der Umbau des Ernst-Reuter-Platzes, die durch das Förderprogramm „Soziale Stadt“ angestoßen wurden, hält er dennoch für gelungen.

Der Grillplatz gehört für Alan unweigerlich zu Weilimdorf. „Der wird im Sommer manchmal eine ernste Konkurrenz zum Café 13. Das Gute ist, hier stört man niemanden“, sagt er. Obwohl nur ein paar Minuten vom Ortskern entfernt, habe man schon das Gefühl, auf dem Land zu sein. Ein Ruhepol ist er für den 18-Jährigen trotzdem nicht. Überhaupt Ruhe – das ist etwas, das in Alans Leben nur selten vorkommt. „Ruhe hab ich, wenn ich ins Bett gehe. Ich bin ein Mensch, der nicht gerne rumsitzt.“