oberta WalserRoberta Walser engagiert sich seit Jahren als Jugendrätin in der Politik. Foto: Achim Zweygarth

Die 17-jährige Roberta Walser engagiert sich seit vier Jahren als Jugendrätin im Stuttgarter Osten. Seitdem hat sie ihren Stadtbezirk viel besser kennengelernt.

Stuttgart - Nach dem Abitur gleich mit dem Studium oder einer Ausbildung zu beginnen ist heutzutage unter Jugendlichen kaum mehr angesagt. Oft geht es im Rahmen eines sozialen Projekts für ein Jahr etwa nach Südafrika, mit dem Rucksack durch Südostasien oder für ein paar Wochen nach Australien. Die 17-jährige Roberta Walser aus dem Stuttgarter Osten, die gerade ihr Abitur am St. Agnes Mädchengymnasium hinter sich brachte, plagt momentan kein Fernweh: „Ich will nicht nach Kuba oder Kenia, ich bleibe im Ländle, zumindest in Deutschland.“ Sie werde jetzt auch sofort mit dem Studium beginnen. Irgendetwas mit Politik soll es sein. Internationale Beziehungen, European Studies oder schlicht Politikwissenschaften hat Roberta Walser sich ausgesucht.

Für Politik interessiert sich die 17-Jährige mit den langen blonden Haaren schon lange – und nicht nur theoretisch. Als 13-Jährige hatte sie sich zum ersten Mal für den Stuttgarter Jugendrat aufstellen lassen. „Ich wollte mir das damals einfach nur anschauen“, sagt sie. Dass sie gewählt würde, konnte sie sich nicht vorstellen. „Schließlich war ich erst 13, und mich kannte niemand im Stuttgarter Osten.“ Es kam dann allerdings anders. Sie wurde prompt in den Jugendrat gewählt.

Die Abiturientin wurde im Stadtbezirk geboren, ist dort aufgewachsen und zur Grundschule gegangen. Mit ihrer Familie lebt sie an der Geroksruhe auf der Gänsheide. Dort kennt sie jeden Schleichweg und jedes Stäffele. „Manchmal schaffe ich es zu Fuß von der Innenstadt heim in acht Minuten“, meint sie stolz.

„Am Ostendplatz war ich kaum unterwegs“

Vor ihrer Zeit im Jugendrat kannte sie die anderen Ecken des Stadtbezirks nur wenig. „Am Ostendplatz war ich zum Beispiel kaum unterwegs“, berichtet sie. Bedauerlicherweise habe sie als Kind zum ärmeren Teil des Ostens überhaupt keinen Bezug gehabt, resümiert sie heute.

Zwei Jahre lang war sie zunächst nur in ihrem Stadtbezirk als Jugendrätin unterwegs. Als stellvertretende Sprecherin war sie Ansprechpartnerin für sämtliche Anfragen, die den Jugendrat betreffen. Gemeinsam mit den anderen Jugendräten hat sie die Veranstaltung „Ost rockt“ ins Leben gerufen, sich an der Langen Ost- Nacht beteiligt und viele kleinere Veranstaltungen organisiert. Erst vor Kurzem wurde die Arbeit der Jugendlichen belohnt: Eine Projektgruppe des Jugendrats Ost mit Roberta Walser hatte sich erfolgreich an einem Ideenwettbewerb „fairkaufen“ des Ministeriums für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz beteiligt und den ersten Preis gewonnen.

Auf den ersten Blick wirkt die 17-Jährige zunächst etwas schüchtern. Sie wartet für das Gespräch lieber vor dem Café, als drinnen alleine am Tisch zu sitzen. Doch sie ist weder schüchtern noch auf den Mund gefallen. Für ihren GFS-Leistungstest hat sie kurzerhand den Europaabgeordneten Rainer Wieland zur Podiumsdiskussion eingeladen und mit ihm vor ihrer Jahrgangsstufe über Europa diskutiert.

Nach zwei Jahren im Stuttgarter Osten war der nächste Schritt für sie nur konsequent: Die damals 15-Jährige ließ sich für den gesamtstädtischen Jugendrat aufstellen, in den drei Personen aus jedem Stadtbezirk entsandt werden, und wurde auch gewählt. „Gesamtstädtisch, das hat sich cool angehört“, beschreibt sie ihre Motivation. Als sich zwei Jahre später bei der Wahl zum Sprecher des Arbeitskreises gesamtstädtischer Jugendrat nur acht Jungs hatten aufstellen lassen, aber kein einziges Mädchen, ließ sie sich kurzerhand auf die Liste setzen. Es könne doch nicht sein, dass so eine Wahl nur von Jungs dominiert werde, sagte sie sich – und wurde natürlich gewählt.

Vor acht Uhr abends kommt sie nicht heim

Seitdem fungiert sie als Sprecherin für den gesamten Jugendrat der Landeshauptstadt, ist außerdem Ansprechpartnerin für höhere Instanzen, repräsentiert den Jugendrat bei Veranstaltungen und nimmt Einladungen wahr. Am Abend der Oberbürgermeisterwahl war sie im Rathaus präsent, ebenso bei der Verabschiedung von Wolfgang Schuster in der Liederhalle – wichtig wie eine Politikerin.

Ihr Terminkalender ist entsprechend ausgebucht. Neben der Schule nimmt ihr politisches Engagement viel Zeit in Anspruch. „Um acht gehe ich aus dem Haus, und vor acht komme ich normal nie heim“, erzählt sie. Denn zwei- bis dreimal die Woche steht noch Tanzen beim tus Stuttgart auf dem Programm, und beim TC Ameisenberg spielt sie Tennis. Bleibt danach noch etwas Freizeit, verbringt sie diese gerne in der Eisdiele am Eugensplatz. Für ihr Engagement hat sie andere Hobbys aufgeben müssen, etwa das Klavierspielen. Aber das findet sie nun überhaupt nicht schlimm.

Denn immerhin hat sie stattdessen als Jugendrätin den Ostendplatz und die Gablenberger Hauptstraße kennengelernt, den anderen Teil ihres Heimatbezirks. Und weil sie den jetzt kennt, ist es für sie an der Zeit, Stuttgart fürs Studium eine Zeit lang den Rücken zu kehren. Sie könne sich aber gut vorstellen, im Anschluss daran zurückzukommen. „Ich muss nicht in eine andere Stadt – und schon gar nicht in ein anderes Land“, sagt sie. Eigentlich sei es in Stuttgart total schön, besonders natürlich im Osten, findet Roberta Walser. Weil von da habe sie es über die Stäffele gar nicht weit in die Innenstadt.