Der Schulleiter Berthold Lannert freut sich mit den Lehrern Moritz Heger und Christian Lang (von rechts) über den Rückzugsraum, der einmal ein Klassenzimmer war. Foto: Fatma Tetik

Im evangelischen Heidehof-Gymnasium auf der Gänsheide ist ein Raum der Stille eingeweiht worden. Er soll für Schüler und Lehrer ein Rückzugsort im oft hektischen Schulalltag sein.

S-Ost - Schulen sind Orte, die geprägt sind von Lärm, Unruhe und Betriebsamkeit. Sowohl Lehrer als auch Schüler sehnen sich daher immer öfter nach Ruhe und Entspannung. Im Evangelischen Heidehof-Gymnasium ist nun ein Rückzugsort geschaffen worden. Der Raum der Stille bietet Schülern und Lehrern künftig eine eine Auszeit vom hektischen Alltag. Das offene Angebot steht Klassen, aber auch einzelnen Personen über die Mittagszeit zur Verfügung. Vorerst werden die Nutzer des Raumes von einem Lehrer begleitet.

Wie chillen, nur ohne Musik

Zwar lechzten viele Menschen nach Ruhe, doch nur wenige könnten echte Stille auch ertragen, sagt der Schulleiter Berthold Lannert. Die völlige Lautlosigkeit und das plötzliche Alleinsein mit sich und seinen Gedanken könne Schüler anfangs auch ängstigen. Während die äußere Stimme schweigt, brechen sich verdrängte, unbewusste Gedanken Bahn. „Stille muss man erst einmal erlernen. Deshalb geben wir anfangs eine kleine Hilfestellung“, so Lannert. In dem kleinen Raum können Schüler meditieren, sich ausruhen oder zurückziehen. „Das ist wie chillen ohne Musik.“

Der Raum der Stille dient zudem als eine Art Kapelle, in der Schüler und Lehrer die Stimme Gottes erhören oder beten wollen. „Natürlich ist das auch ein spiritueller Ort“, fügt Moritz Heger hinzu. Doch der Glaube soll nicht im Vordergrund stehen. Das Kreuz, das eigentlich nur eine Aussparung an der Wand ist, springt nicht sofort ins Auge, sobald man den Raum betritt. Die zurückhaltende Architektur mit eingezogenen Rundwänden, Eichenparkett, gedämmtem Licht, kleinen Sitzkissen und Teppichen erzeugt eine einladende Wärme.

Der Raum war nicht mehr für Unterrichtszwecke geeignet

Bis vor vier Jahren diente der Raum noch als gewöhnliches Klassenzimmer. Aus brandschutztechnischen Gründen konnte der Klassenraum mit der Nummer 254 allerdings nicht mehr für Unterrichtszwecke genutzt werden. Für die Nutzung einer Schulkapelle schien das stillgelegte Zimmer wie gemacht.

Der Deutschlehrer Moritz Heger und sein Kollege, der Kunstlehrer Christian Lang, sind die treibenden Kräfte gewesen. „Das war ein alter, unansehnlicher Raum“, berichtet Heger. Christian Lang erarbeitete ein Konzept für die Umgestaltung des Raumes, das von dem Schülervater und Architekten Wolfram Völlger umgesetzt worden ist. Nach einem knappen Jahr Bauzeit, in der auch der Brandschutz auf Vordermann gebracht wurde, ist der Raum der Stille vergangene Woche im Rahmen einer feierlichen Eröffnung seiner Bestimmung übergeben worden.

Die Kosten für den Raum der Stille liegen bei knapp 30 000 Euro. Die evangelische Schulstiftung, der Freundeskreis des Gymnasiums und Privatpersonen bezuschussten das Projekt. Ein Teil der Summe ist allerdings noch nicht finanziert. Die Schule ist daher noch auf Spenden angewiesen. „Wir wollten keine kleine Lösung, sondern eine neue Welt erschaffen“, erklärt Moritz Heger.

Alle müssen die Schuhe ausziehen

Bereits jetzt zeige sich bei den Schülern eine hohe Bereitschaft, den Raum der Stille anzunehmen. „Die Schüler gehen gerne durch diese Tür. Diese Atmosphäre kann man nicht in einem normalen Klassenraum erzeugen“, sagt Rektor Lannert. Für die Zukunft sei vorgesehen, dass nicht Lehrer, sondern Mitschüler die Gymnasiasten in den Raum begleiten. Auch längere Nutzungszeiten seien denkbar. „Wir müssen erst einmal Erfahrung mit der Stille machen und schauen, wie sich das entwickelt“, so Lannert. Eine bestimmte Kleiderordnung gibt es für den sakralen Ort übrigens nicht. Man appelliere aber an die Schülerschaft, sich angemessen zu kleiden, erklärt Berthold Lannert. Die Schuhe müssen alle Ruhesuchenden im Raum der Stille indes ausziehen. „Das symbolisiert in gewisser Weise den Eintritt in diese andere Welt“, erläutert der Schulleiter.