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Stuttgarts OB: Sanierungen vertagen und den Ausbau von Ganztagsbetreuung drosseln.

Stuttgart - Damit der Haushalt der Landeshauptstadt nicht völlig aus dem Ruder läuft, wollen OB Wolfgang Schuster und Finanzbürgermeister Michael Föll bei wichtigen Projekten den Rotstift ansetzen: Der Ausbau von Grundschulen zu Ganztagsschulen und die Sanierung von Bädern sollen um Jahre verschoben werden.

Nachdem der Kämmerer Michael Föll am Montag im Rathaus zur Kürzung der vorgesehenen Ausgaben um 111,1 Millionen Euro aufgerufen hatte, legte er den Fraktionsvorsitzenden im Gemeinderat am Dienstag auftragsgemäß eine Vorschlagsliste der städtischen Finanzverwaltung vor. Würde sie umgesetzt werden, könnte der Kreditbedarf für die städtischen Vorhaben im Jahr 2012 von 118,2 auf 74 Millionen Euro verringert werden, im Jahr 2013 von 293,1 auf 221 Millionen Euro. Damit würde man der Vorgabe gerecht werden, die Föll am Montag postuliert hatte: dass die mögliche zusätzliche Verschuldung in den Jahren 2012 und 2013 von zuvor absehbaren 411,1 auf maximal 300 Millionen begrenzt werden müsse. Sonst, hatte Föll gewarnt, werde kein Haushalt zustande kommen, der vom Regierungspräsidium genehmigt werden kann.

Bei Fölls Vorschlägen würde es nicht ohne schmerzliche Opfer abgehen - was zu erwarten war, da die Entgleisung der städtischen Finanzpolitik sich ja gerade wegen einer Fülle von Herzenswünschen der Stadträte und wichtiger städtischer Aufgaben angebahnt hatte. Am einschneidendsten wäre wohl der Einschnitt auf dem Gebiet der Ganztagsbetreuung. Beim Haushaltsansatz für den Ausbau von Grundschulen und weiterführenden Schulen zu Ganztagsschulen sowie bei der besseren Ausstattung von bestehenden Ganztagsschulen möchte Föll im Jahr 2013 rund 9 Millionen Euro streichen, in der Finanzplanung im Jahr 2014 noch einmal 3,9 Millionen, 2015 rund 7,5 Millionen und 2016 sogar 12,5 Millionen. Mit anderen Worten: Der von der Stadtverwaltung selbst postulierte, vom Gemeinderat stark unterstützte Ausbau der Ganztagsschulen würde um Jahre zurückgeworfen.

Bei der Sanierung von Schulgebäuden, bei denen es eine wahre Bugwelle gibt, möchte Föll die Jahresraten für das Sonderprogramm gleichmäßig auf die Jahre 2013 bis 2016 verteilen. Das würde bedeuten, dass 2013 und 2015 jeweils etwa 2,5 Millionen Euro gestrichen und die Gelder erst 2016 wieder eingesetzt werden.

Daneben visierte Föll weitere Opfer im Schulbereich an. So soll der Ausbau der IT-Schule in Möhringen (2,3 Millionen Euro) im Jahr 2012 gestrichen werden. Die mehr als sieben Millionen Euro teure Ausrüstung der Uhlandschule im Stadtteil Rot zu einem Gebäude, das mehr Energie produziert als verbraucht, soll auf 2014 vertagt werden.

Die Sanierung und Modernisierung des Mineralbads Berg, die man 2012 planen lassen und 2014 sowie 2015 realisieren wollte, möchte Föll offenbar zumindest vorerst aufgeben - dabei sind Gutachter der Meinung, dass das Bad ohne Sanierung längstens bis zum Jahr 2015 betrieben werden kann. Danach wäre es wegen der baulichen Zustände zu riskant. Die Sanierung des Höhenfreibads Killesberg, die 2013 in Schwung kommen sollte, soll um ein Jahr verschoben werden.

Zu den großen Einsparposten zählt auch, den Ankauf von Belegungsrechten für Sozialmieter (je 3,6 Millionen Euro in 2012 und 2013) zu streichen, auf einen Zuschuss für die Modernisierung des Kolpinghauses in Bad Cannstatt (3,3 Millionen Euro) im Jahr 2013 zu verzichten, ebenso vorerst auf Investitionen ins Sport- und Erholungsgebiet Degerloch (400000 Euro) und auf einen neuen Standort für Diamorhin-gestützte Substitution, also die Betreuung von Suchtkranken, in der Tunzhofer Straße (850000 Euro).

Neben diesen Einschnitten bei den Investitionen möchte Föll aus der laufenden Verwaltungstätigkeit mehr Überschüsse erzielen. Der sogenannte Ergebnishaushalt (früher: Verwaltungshaushalt) soll 2012 um 21,2 Millionen und 2013 um 25,7 Millionen Euro verbessert werden. Hinter diesen Zahlen verbergen sich weitere, bisher noch nicht näher bezeichnete Sparopfer. Im Kulturbereich, klagen Stadträte, stehe ein Drittel der bisher vom Gemeinderat angepeilten Förderprojekte wieder zur Disposition, im Sozialbereich eher noch mehr. Bisher sei aber völlig unklar, wie viel von Fölls Vorschlägen durchgehe. Die Fraktionen wollen und sollen eigene Vorschläge machen.

OB Schuster und Föll hatten ihre Liste den Fraktionschefs am Dienstagmorgen vorgestellt. Die Etatberatungen kamen nach der Unterbrechung am Montag erst wieder um 11.30 Uhr in Gang. Mit Fölls Liste begann sich der Finanzausschuss erst am Spätnachmittag zu befassen. Die entscheidende Dritte Lesung des Haushalts ist am 16.Dezember.