Mark Langer ist entschlossen, die Arbeitsbedingungen in den Produktionsländern zu verbessern. Das soll auf möglichst breiter Basis geschehen, in Textilbündnissen mit vielen Beteiligten. Foto: dpa

Gewerkschaften und Nichtregierungsorganisationen nutzen die erste Hauptversammlung mit dem neuen Vorstandsvorsitzenden Mark Langer zur Kritik an den Produktionsbedingungen. Langer schlägt sich gut, kann die Kritik aber nur zum Teil entkräften.

Stuttgart - Schwungvoll betritt der neue Vorstandschef um kurz vor zehn das Podium. Mehrfach winkt Mark Langer lächelnd in den Saal, wo er bekannte Gesichter unter den Aktionären ausmacht. Man hat fast den Eindruck, als sei ein alter Bekannter zurückgekehrt. Dabei ist der gebürtige Pforzheimer seit 2010 bei jeder Hauptversammlungen von Hugo Boss aufgetreten, aber eben nie zuvor in der Position des Vorstandsvorsitzenden des M-Dax-Konzerns. Am Pfingstmontag hatten die Metzinger bekannt gegeben, dass der bisherige Finanzvorstand, der den Chefposten seit Ende Februar übergangsweise bekleidete, fest auf diesen aufrückt.

In den darauffolgenden drei Stunden macht der neue Chef keine schlechte Figur, obwohl er sich kritischen Fragen gegenübersieht. Vor allem vonseiten der Gewerkschaften und Nichtregierungsorganisationen ist der Modekonzern schon seit längerem wiederholt heftiger Kritik ausgesetzt. Es geht um Produktionsbedingungen in den internationalen Zulieferfabriken. Teils wird Boss direkt angegriffen, teils muss der Konzern als eine der bekanntesten deutschen Bekleidungsmarken Kritik auch stellvertretend für weite Teile der Branche einstecken. Dort hat nach der Katastrophe von Rana Plaza (Bangladesch) 2013ein Umdenken in Sachen fairer Arbeits- und Sozialstandards eingesetzt.

Gewerkschaftsvertreter sieht gute Ansätze bei Boss

Auch bei Hugo Boss sind dafür Ansätze zu erkennen, räumt Adam Lee, ein Vertreter der internationalen Gewerkschaftsorganisation IndustriAll Global Union, am Rande der Hauptversammlung im Gespräch mit dieser Zeitung ein. In der Generaldebatte erneuert Adam allerdings den in der Vergangenheit wiederholt vom Konzern bestrittenen Vorwurf, in einer Boss-Fabrik im türkischen Izmir würden Arbeitnehmerrechte unterdrückt.

Löhne, die nicht zum Leben ausreichen, sind nach Ansicht der Frauenrechtsaktivistin Gisela Burckhardt einer der größten Missstände in der gesamten Zulieferindustrie, nicht nur in Ländern wie Bangladesch, Indien oder Myanmar. Den Einwand von Boss-Chef Mark Langer, das Unternehmen zahle nirgends weniger, oftmals sogar mehr als den ortsüblichen Mindestlohn, will sie nicht gelten lassen: „Hier in Deutschland verdienen ihre Beschäftigten doch auch nicht nur den Mindestlohn“, so Burckhardt. Nach kurzem Hin und Her schildert Langer mögliche Konsequenzen, wenn einzelne Hersteller im Alleingang darauf hinwirkten, dass Partnerfabriken höhere Löhne zahlen: „Wenn wir die Löhne anheben, kommt es zu einem Lohngefälle, das im schlimmsten Fall zu Unruhen führt.“ In der Türkei sei das schon passiert. Boss verfolge stattdessen den Ansatz, Verbesserungen in Verbünden zu erreichen.

Der Konzern ist mehreren Textilbündnissen beigetreten

Dazu sei man mittlerweile zum Beispiel dem Textilbündnis der Bundesregierung beigetreten. CSU-Entwicklungshilfeminister Gerd Müller hat das Bündnis vor drei Jahren initiiert. Es verfolgt das Ziel, Transparenz im gesamten Wertschöpfungsprozess zu schaffen und Arbeitsbedingungen zu verbessern. Mittlerweile sind zwar viele große Unternehmen und wichtige Verbände dabei, allerdings wurden bisher noch keine Handlungsschritte beschlossen. Bis Ende dieses Jahres sollen alle Beteiligen aufzeigen, wie sie die Ziele erreichen wollen, fordert Burckhardt als eine von drei NGO-Vertreterinnen im zwölfköpfigen Steuerungskreis des Textilbündnisses.

„Wir nehmen das Thema sehr ernst. Die Einsicht ist da, dass wir etwas tun müssen, aber es geht nur gemeinsam“, sagt Langer und geht auf seine Kritiker zu. Das geschehe beispielsweise auf Ebene der Fair Labor Association für faire Arbeitsbedingungen, deren Mitglied Hugo Boss ebenfalls sei. Auch dem internationalen Abkommen für Gebäudesicherheit und Brandschutz in Bangladesch (Accord) ist der schwäbische Modekonzern mittlerweile beigetreten. Da waren sogar die Kritiker positiv überrascht. „Im vergangenen Jahr haben sie das noch abgelehnt“, sagt Burckhardt.

Frauenrechtsaktivistin verschont neuen Chef nicht

Die Vorsitzende von Femnet und Sprecherin der Kampagne für Saubere Kleidung verschont den neuen Boss-Vorstandsvorsitzenden bei seiner Premiere nicht. Es wirkt fast, als wolle sie ihm mit Nachdruck gute Vorsätze für seinen nächsten Karriereschritt mit auf den Weg geben. Vehement prangert sie die Zustände in zwei angeblichen Boss-Zulieferfirmen im indischen Bangalore an. Dabei hat sie sich zur Verstärkung gleich die zuständige indische Gewerkschafterin mitgebracht. Man könnte eine Stecknadel im gut gefüllten Messezentrum fallen hören, als die junge Inderin Sätze wie diesen spricht: „Die Näherinnen dürfen während der Arbeit kaum Pausen machen. Viele trinken weniger, um weniger oft auf die Toilette gehen zu müssen.“

Die Beschreibung wirkt glaubwürdig und wirft ein schlechtes Licht auf die Branche. Inwieweit Boss tatsächlich im konkreten Fall auch Mitverantwortung trägt, lässt sich allerdings nicht genau klären. Laut dem Vorstandschef besteht zu den genannten Fabriken keine direkte Vertragsbeziehung. Dass es sich um Sub-Unternehmen handelt, weist Langer ebenfalls zurück, obgleich Boss Jeans- und Webwaren sowie T-Shirts aus den Fertigungsstätten bezieht. Noch für dieses Jahr kündigt er Gespräche mit allen internationalen Lieferanten an.