Brigitte Kehrer und Harald Glööckler Foto: Andreas Rosar Fotoagentur-Stuttg

Botox spritzt er nicht mehr, outet sich als Fußballfan und sagt, er ärgere sich über gar nichts mehr. Ein ungewohnter, ja geradezu tiefenentspannter Harald Glööckler hat die alte Heimat Stuttgart besucht, um junge Modetalente zu unterstützen.

Stuttgart - Nur wenigen Menschen in Deutschland gelingt es, sich selbst zu einer so starken Marke zu machen, dass man sie als Handpuppe auf Anhieb erkennen würde – so wie das Krokodil oder das Kasperle. Außer Udo Lindenberg mit Hut und Heino mit Sonnenbrille ist dies Harald Glööckler mit rabenschwarzem Bart.

Als das „personifizierte Neuschwanstein“ hat man den Designer bezeichnet. Bei seinem jüngsten Besuch in der alten Heimat Stuttgart hat er gezeigt, dass es so schlecht nicht ist, älter zu werden.

Fast scheint es, als sei Glööckler mit 51 Jahren zum gereiften Paradiesvogel geworden – zu einem Exzentriker, der bei aller Schrägheit in sich zu ruht und auf die Frage, worüber er sich am meisten ärgert, mit einem neu erworbenen Lächeln antwortet, das nach Botox-Entzug wieder möglich ist: „Ich ärgere mich über gar nichts mehr!“

Die Nachwuchsförderung ist ihm ein Anliegen

25 000 Euro – diese Summe räumt der Designer beim Interview mit unserer Zeitung im Römerkastell ein – kostet es normalerweise, wenn man ihn für einen Abend bucht. Bei seinem Engagement für die Stuttgarter Modeschule Brigitte Kehrer, deren Dozent er im vergangenen Semester war, geht es ihm nicht ums Geld. Er hat die Rolle des Nachwuchsförderers übernommen, weil es ihm ein Anliegen ist. Aus der Pfalz ist er angereist, um bei der Abschluss-Modeschau der Absolventen mitzufeiern.

Wie schwer es die Branche Anfängern macht, weiß er zu gut. Als er vor fast 30 Jahren mit einem Jeansladen beim Tagblatt-Turm anfing und mit dem Label Pompöös die ersten Kollektion im Marmorsaal des Neuen Schlosses präsentierte, gab es immer wieder Rückschläge. Jetzt will er jungen Talenten helfen, dass sie schneller nach oben kommen. Das Leben eines Modeschöpfers, erklärt er ihnen, ist nicht immer Party: „Das ist nur fünf Prozent Glamour, aber 95 Prozent Arbeit, Arbeit, Arbeit.“

An diesem Abend fühlt er sich bestätigt, dass seine Wahl für Kehrer richtig war. „Großartig“, schwärmt er. Für den Laufsteg haben sich ungezügelte Fantasie mit handwerklicher Perfektion verbündet. Die Show mündet in großer Oper. Models führen die Abendroben vor, die in der Glööckler- Klasse entstanden sind. Diven stolzieren in Kleidern, die Kunstwerke sind.

„Herr Schroth“ ist in Rente

Mit seinen Bodyguards steuert der Designer nach dem Schlussapplaus die abgeschirmten Nebenräume des Römerkastells an, um seinem Beruf nachzugehen. Als Meister für Public Relation gibt er geduldig Interviews, erhebt sich von seinem thronähnlichem Stuhl, damit sich die Journalisten nicht bücken müssen. „Der kann dir in die Augen schauen“, meint einer, „Karl Lagerfeld schaut immer an dir vorbei.“ Einer aber fehlt. Wo ist der Gatte? „Herr Schroth“, antwortet der Designer, der zu Dieter Schroth, mit dem er verpartnert ist, immer „Herr Schroth“ sagt, wolle gar nicht mehr raus aus der Zwölf-Zimmer-Villa an der Weinstraße der Pfalz. „Herr Schroth sagt, er sei in der Rente“, erklärt er. Mit 67 dürfe man das auch, also auf Partys verzichten und lieber daheim beim Hund bleiben. Und wann geht der Pompöös-Chef in Rente? „Niemals“, lautet seine Antwort. Kürzlich habe er seine 88-jährige Freundin Gina Lollobrigida getroffen, die noch unglaublich jung sei. „Es kommt auf deine Einstellung an“, sagt Glööckler, „wenn du immer aktiv bist, ist das Alter egal.“

Seine Vorhersage: Am Dienstag 3:1 für Deutschland

Schwule und Fußball – es passt doch zusammen. Der Designer outet sich als EM-Fan, will aber nicht über Schwitzflecken von Jogi Löw sprechen. „Ach, der ist eine Stilikone, da kann er mal modisch daneben liegen“, findet er. Für sein „EM-Öörakel“ schaut der 51-Jährige in die Glaskugel. Das 0:0 gegen Polen hat der Modemann vorausgesagt. Was hat er für Dienstag gesehen? „Deutschland gewinnt 3:1“, prophezeit er, „Schweini schießt ein Tor.“ Spricht’s und lässt sich zurück in die Pfalz chauffieren. Das Kasperle mit dem schwarzen Bart war da, und den großen Kindern hat’s gefallen.