Josef Distler kümmert sich liebvoll um jedes zu reparierende Instrument. Foto: Nina Ayerle

Josef Distler betreibt seit 25 Jahren im Stuttgarter Süden ein Geschäft für Holzblasinstrumente. Weil der Markt für Saxophone aber nicht gerade groß ist, hat er sich vor allem als Reparateur für Instrumente einen Namen gemacht in der Musikszene.

S-Süd - Objektophilie nennt der Fachmann, also der Psychiater, die besonders innige Liebe eines Menschen zu einem Objekt, wie zum Beispiel zu einem Musikinstrument. Die wiederum ist vor allem bei Profimusikern sehr ausgeprägt und gilt nicht unbedingt als psychische Störung, sondern ist Teil der Leidenschaft für die Musik. Einige Musikwissenschaftler haben sich schon mit der Frage beschäftigt, wie innig das Verhältnis von Menschen zu ihrem Instrument ist. Josef Distler braucht dazu keine Forschungsstudien lesen. Der heute 57-Jährige hat in den vergangenen 40 Jahren – exakt 25 davon nun im Stuttgarter Süden – als Baumeister für Holzblasinstrumente intensive Erfahrungen gemacht. Und das sogar mehr als ihm vor allen in seinen Anfangsjahren lieb war.

In einem alten Schulhaus in Weinstadt-Endersbach, knapp 20 Kilometer außerhalb von Stuttgart, hat er damals nach bestandener Meisterprüfung seine erste Werkstatt eröffnet. Mit gerade einmal 24 Jahren führte er – allein und in Eigenregie – seinen Betrieb und war froh über jeden Kunden. Wenn es an seiner Tür geklopft habe, habe er sofort ganz euphorische geöffnet. Nur um sofort wieder enttäuscht zu werden. Immer hätten die Leute mit ihrem Instrumentenkoffer unter dem Arm gefragt, ob der Meister auch da sei, erzählt Distler. Wenn er sich als der zuständige Meister vorgestellt habe, seien sie postwendend wieder gegangen: „Da bin ich immer erst mal dagestanden.“ Das Vertrauen bei den Musikern habe er sich erst mühsam erarbeiten müssen. „Eine Waschmaschine lässt man vielleicht noch bei irgendwem reparieren, ein Musikinstrument nicht.“

Josef Distler wäre nicht Josef Distler, wenn ihn nicht genau das angespornt hätte. „Ich war schon in der Schule nur in den Fächern richtig gut, die mich total begeistert haben“, sagt er. Deshalb sei er auch einst mit einem Notendurchschnitt von 2,7 durchgefallen. In seinen Lieblingsfächern habe er nur Einsen gehabt, in manch anderen dafür nur Sechsen. Als seine schulische Laufbahn am Gymnasium deshalb frühzeitig endete, war ihm deshalb klar, was er machen würde. Schon als kleiner Junge habe er immer total fasziniert einem Instrumentenbauer aus Winnenden bei der Arbeit zugeschaut. Der verhalf ihm dann zu einer Lehrstelle. „Das war genau das, was mich interessiert hat, was mir wirklich Spaß gemacht hat“, sagt Distler. Und was ihn interessiert, da fuchst er sich rein.

In seiner Lehre bei dem Holzblasinstrumentehersteller Kohlert & Co. in Winnenden lernte er das Handwerk von Grund auf, baute selbst Querflöten, Oboen und Saxofone vom ersten bis zum letzten Stück zusammen. Nach der Lehre war er zunächst für verschiedene Musikhäuser in Deutschland freiberuflich tätig.

Der Schritt in die Selbstständigkeit mit eigener Werkstatt erschien ihm da nur logisch, aber auch mangels Alternativen etwas aus der Not heraus. „Anfangs war das schon alles sehr hart“, erinnert er sich. Am Wochenende sei er von einem Festle der Musikvereine zum nächsten getingelt und habe verzweifelt Visitenkarten verteilt. „Außer einem Leberschaden hat das nichts gebracht“, sagt er und lacht. Der Durchbruch kam dann eher über Nacht. Kinder aus der Gegend hätten ihre kaputten Klarinetten zu ihm gebracht und sie von ihm richten lassen. „Auf einmal waren alle Musikvereine da.“

Bereits im Jahr 1990 verlegte Distler seine Werkstatt nach Stuttgart in die Tübinger Straße. Gemeinsam mit einem Partner eröffnete er das Musikgeschäft „Der Gute Ton“. Nach dessen Ausscheiden machte er zunächst alleine weiter. 15 bis 16 Stunden Arbeiten am Tag waren und sind normal.

Seit drei Jahren hat der Meister sein Geschäft „Josef Distler Holzblasinstrumente“ in der Böheimstraße 68. Von der Straße aus fallen vor allem die unzähligen Saxofone im Schaufenster auf, alles Einzelstücke. Deswegen verirrt sich aber kaum einer in seinen Laden. „D’Leut fahret vorbei“, sagt Distler. „Welcher Mensch braucht schon ganz dringend ein Saxofon?“ Sein Geld verdiene er deshalb nach wie vor mit seinen handwerklichen Fähigkeiten. Schmieden, löten, feilen und sägen sind seine Kernkompetenzen – und dafür kommt inzwischen längst alles, was Rang und Namen hat in der Musikszene zu Josef Distler.

Das Vertrauen hat er sich bei den Menschen aufgebaut. Vielleicht sogar noch mehr. Oder um es mit den Worten einer Stuttgarter Musiklehrerin und einstigen Kundin von Distler zu sagen: „Wenn i gwusst hätte, dass sich des hinterher so gut anhört, hät i des Ding scho viel früher nondergschmissa.“ Und Distler, den macht es auch heute immer noch glücklich, wenn nach zehn bis zwölf Jahren ein Instrument wieder den Weg zu ihm findet, er seine Prüflampe ins Innere halten kann und sich denkt: „Das ist noch immer super. Des han i vernünftig gmacht.“ Ehrliche schwäbische Handarbeit halt.