Max Schneider, Stefan Weber und Lion Rink füttern ihren Roboter mit Handschriften Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

Das Szenario ist manchmal beängstigend: Maschinen können bald mehr als Menschen. Oder ist das schon längst Realität? Ein Roboterarm, der Handschrift imitieren kann, liefert täuschend echte Qualität – und ist dabei viel schneller als jeder Schreiberling.

Stuttgart - Vor wenigen Wochen ist „Terminator 5: Genisys“ im Kino angelaufen. In diesem Film sind die Menschen nicht länger die Krone der Schöpfung, Maschinen haben die Weltherrschaft übernommen, weil sie so ziemlich alles besser können als ihre biologischen Erbauer. Dieses Szenario scheint gar nicht so weit hergeholt: Auch Wissenschaftler warnen vor einer künstlichen Superintelligenz, die die Menschheit als herrschende Spezies ablösen könnte.

Um die Weltherrschaft geht es Lion Rink, Max Schreiber und Stefan Weber freilich nicht. Aber das Gründertrio hat mit seiner Erfindung ein Stück Terrain erobert, das für die Technik bis dato tabu war: die menschliche Handschrift.

Ein Roboterarm, der einen Stift hält, und eine Software machen es möglich: Die Maschine kann Handschrift so gut imitieren, dass sie von echter nicht mehr zu unterscheiden ist. „Wir haben den Test häufig wiederholt. Niemand konnte ein echtes handschriftlich geschriebenes Stück von den vom Roboterarm hergestellten Schrifterzeugnissen unterscheiden“, sagt Rink, der für das Marketing zuständig ist, stolz. Selbst FDP-Chef Christian Lindner konnten die Jungunternehmer bei einer Parteiveranstaltung täuschen. „Ihm sind fast die Augen aus dem Kopf gefallen, als er seine Unterschrift unter einem Wahlaufruf von uns gesehen hat“, freut sich Rink. Ob die nachgeahmte Handschrift einem gerichtlichen Gutachten standhalten würde, müsste sich erst im Praxistest bewähren.

Der erste Prototyp produziert nur Gekrakel

Bis der Roboter seine Aufgabe so perfekt erfüllen konnte, war es ein weiter Weg. Rink sitzt im vierten Stock eines Nebenbaus der Uni Stuttgart, hier hat sich das kleine Start-up-Unternehmen einquartiert. Der 28-Jährige holt ein Blatt Papier hervor. Darauf zu sehen: Ein Gekrakel an der Grenze zur Unleserlichkeit. „Das hat der erste Prototyp produziert“, sagt Rink. Die ersten Gehversuche ihrer Erfindung haben die jungen Männer trotzdem als Durchbruch gewertet und darauf angestoßen, dass die Technik überhaupt funktionierte.

Und diese geht so: Zuerst scannt man die Handschrift einer Person ein, zwei bis drei Stunden dauert das Prozedere. „Wichtig ist, dass es alle Buchstaben in verschiedenen Varianten gibt“, sagt Max Schreiber, der die Software programmiert hat. Dann wird ein beliebiger Text in einem Word-Dokument an die Schreibmaschine gesendet, die diesen dann umsetzt. Perfekt – vor einiger Zeit sogar noch zu perfekt. „Die Schrift war zu sauber – also musste ich das Programm ein wenig umschreiben“, sagt Schreiber. Jetzt macht der Arm winzige Schlenker, verzieht Linien, baut Ungenauigkeiten bei Absätzen ein. Und das in atemberaubender Geschwindigkeit.

„Wir haben ausgerechnet, dass unser Roboterarm die Bibel in zwölf bis 14 Tagen fertig schreiben würde“, sagt Stefan Weber. Der 26-Jährige hat Mechatronik studiert, den Roboter gebaut und ist fürs Mechanische zuständig. Die authentische Schreibschrift, die mit einem Affenzahn Buchstabe an Buchstabe setzt, ist mit Sicherheit beeindruckend. Aber ist sie auch wirklich nützlich?

Handgeschriebene Texte - günstig produziert

Einer Berliner Agentur dürfte überhaupt nicht gefallen, was die Tüftler aus Stuttgart aushecken. Hier beschriften 75 Angestellte Briefe, Speisekarten und mehr von Hand – und bleiben in Sachen Produktivität natürlich um Längen hinter dem Roboterarm zurück, der keine Ermüdungserscheinungen kennt, keinen Urlaub braucht und kein Gehalt kostet.

„Wir können die Dienstleistung, handgeschriebene Texte zu produzieren, sehr günstig anbieten“, sagt deshalb auch Betriebswirt Lion Rink. Vertreiben möchten die Gründer die Maschine nämlich nicht, ihr technisches Innenleben soll ein wohlgehütetes Geheimnis bleiben. Keine fünf Euro pro Blatt kostet eine Seite Handgeschriebenes auf der Webseite von Advermento, der „Agentur für Handschriftliches“, wie die Firmenseite der Gründer heißt. Selbstverständlich gibt es Mengenrabatt.

Jetzt will das Jungunternehmen erst einmal auf sich aufmerksam machen. Und was wäre dafür besser geeignet, als handgeschriebene Werbemittel? „Wir haben alle großen Unternehmen, die wir im deutschsprachigen Raum finden konnten, angeschrieben“, sagt Rink.

Denn außer Deutsch beherrscht die Maschine noch keine andere Sprache, auch arabische oder chinesische Schriftzeichen kann sie nicht umsetzen. Noch nicht.