Die Stammheimer verbinden große Hoffnungen mit dem Freihofplatz. Foto: Chris Lederer

Der HGV-Vorstand und der Stadtteilmanager bemühen sich um einen attraktiven Stadtbezirk, doch die Akteure haben keine leichte Aufgabe.

Stammheim - Goliath sitzt an der Stammheimer Straße in Zuffenhausen und ist gut munitioniert: 30 000 Artikel auf 3800 Quadratmetern stehen in Reih und Glied in den Verkaufsregalen. Goliath ist ein Supermarkt. Die Firma Edeka hat ihn vor zwei Jahren für 20 Millionen Euro vor die Tore Stammheims gesetzt; „den größten und modernsten Edeka-Markt in Stuttgart“, wie bei der Eröffnung im Sommer 2010 freudig verkündet wurde. Doch die Freude ist nicht unbedingt beiderseits.

Gewerbetreibende in Stammheim sehen die Entwicklung kritisch. Sie müssen seit Jahren mit ansehen, wie sich viele Kunden auf den Weg an die Stammheimer Straße machen. „Wir fragen uns, warum man den Markt in dieser Größe überhaupt genehmigt hat“, sagte Axel Ueberschär, der Vorsitzende des örtlichen Handels- und Gewerbervereins, als er im Bezirksbeirat die Arbeit des Vereins vorstellte. Doch auch Ueberschär weiß, dass alles Lamentieren nichts hilft. So bemüht sich der Verein um positive Akzente. „Wir wollen die Abwärtsspirale, dass ein Laden nach dem anderen zumacht, verhindern und sie möglichst sogar umkehren“, sagte Ueberschär.

„Stammheim fehlt ein Kundenmagnet“

Unterstützung erhält er von Torsten von Appen, dem Stuttgarter Stadtteilmanager: „Was in Stammheim fehlt, ist ein Kundenmagnet, der die 12 000 Bürger an den Stadtbezirk bindet“, sagt von Appen. Die Geschäfte im Ort hätten zwar Stammkunden, es fehlten jedoch Neukunden. „Das können auch Stammheimer sein, die anfangen, die Geschäfte in ihrem Bezirk neu zu entdecken.“ Einen wichtigen Baustein im Mosaik zu einem attraktiveren Standort sieht von Appen in der Umgestaltung des Freihofplatzes . „Dort umzubauen und einen Vollsortimenter hinzukriegen, wäre ein wichtiger Schritt.“ Problematisch sei allerdings nach wie vor die komplizierte Eigentümerstruktur am Platz. Nur wenn alle Grundstückseigentümer einem Verkauf zustimmen, kann umgeplant und ein Investor aktiv werden. „Der Umbau des Platzes könnte Schwung nach Stammheim bringen und dazu beitragen, dass Kunden von dort auch in die Geschäfte an der Freihofstraße umgelenkt werden“, ist von Appen überzeugt. „Es ist kompliziert, aber die Wirtschaftsförderung ist mit den Eigentümern im Gespräch.“

Ungeachtet der Entwicklung auf dem Freihofplatz geht der Vorstand des HGV auch andere Wege, um sein Profil zu schärfen, für den Stadtbezirk zu trommeln und eine positive Veränderung herbeizuführen: Der Verein gibt regelmäßig Newsletter heraus, hat seine Homepage modernisiert und einen Unternehmer-Stammtisch ins Leben gerufen. Fragebögen wurden an die Mitglieder verschickt, um ihre Wünsche und Erwartungen in Erfahrung zu bringen. Ein Ergebnis, das daraus hervorging: eine T-Shirt-Aktion mit verschiedenen, frechen Stammheim-Sprüchen zur Steigerung der Identifikation mit dem Stadtbezirk. Außerdem wurden Studenten aus Düsseldorf beauftragt, sich Gedanken zu machen, wie das Erscheinungsbild der Freihofstraße verbessert werden könnte. „Diese kreativen Vorschläge wurden in erster Linie losgelöst von den Kosten gemacht“, erklärte der HGV-Vorsitzende Ueberschär den Kommunalpolitikern. „Es ist an uns, den einen oder anderen Teil dieser Arbeiten umzusetzen oder weiterzudenken.“ Weitergehen soll es auch in den kommenden Wochen: Studenten der Hochschule für Verwaltung und Finanzen Ludwigsburg führen derzeit mehrere Fragebogen-Aktionen unter Geschäftsleuten und Bürgern durch.

Neue Ansatzpunkte finden

Es gehe darum, neue Ansatzpunkte für die Arbeit zu finden, sagt von Appen: „Wir sammeln Infos aus der Bevölkerung, wir wollen wissen, was die Bürger vom HGV erwarten, unsere Stärken stärken und uns besser nach den Wünschen der Leute richten.“ Viele Menschen wüssten gar nicht, was der HGV leiste, dass er die Interessen der Gewerbetreibenden gegenüber der Stadtverwaltung vertritt oder zum Beispiel den Stammheim-Tag mit Aktionen und buntem Bühnenprogramm organisiere. „Das wissen viele gar nicht, was der Verein alles auf die Beine stellt.“ Den HGV sieht er gut aufgestellt. „Durch den neuen Vorstand ist Schwung in den Verein gekommen“, sagt der Stadtteilmanager, der für alle Außenstadtbezirke in Stuttgart zuständig ist. Den Edeka-Markt an der Stammheimer Straße sieht von Appen übrigens nicht ganz so kritisch. „Die Edeka-Geschäftsführung ist offen und gesprächsbereit. Es gibt eine Kooperation und Aktionen mit den Geschäften in Zuffenhausen.“ Die Stammheimer müssten ihren eigenen Weg finden, um mit dieser Situation umzugehen, seien aber auf einem guten Weg. Und an die Adresse der Stammheimer Bürger gewandt, ergänzt er: „Die Stammheimer stimmen mit ihrem Kofferraum ab, wie es mit den Geschäften in ihrem Stadtbezirk weitergeht“, sagt er. „Wer nicht vor Ort einkauft, darf sich nicht wundern, wenn es vor Ort immer weniger Geschäfte gibt.“