Blick vom Bahnhof auf die Königstraße. Die Mieten an der Einkaufsmeile zählen zu den teuersten in ganz Deutschland. Foto: Lichtgut/Achim Zweygarth

Stuttgart gehört weiterhin zu den teuersten Städten. Das ergibt eine aktuelle Untersuchung der Mieten im Einzelhandel. IHK und Handelexperten kritisieren den Wegfall von Parkplätzen.

Stuttgart - In der Stuttgarter Innenstadt bezahlen Händler teilweise knapp 300 Euro pro Quadratmeter – in Ludwigsburg und Esslingen liegen die Spitzenmieten unter 100 Euro. Das ist eines der Ergebnisse einer Untersuchung der Industrie- und Handelskammer der Region Stuttgart (IHK). Präsidentin Marjoke Breuning attestiert dem stationären Handel einen „schweren Stand“.

Hohe Mieten gepaart mit wachsenden Umsätzen im Onlinehandel sowie der Flächenboom durch neue Einkaufszentren haben aus Sicht der Kammer einen schärferen Wettbewerb ausgelöst. Aus diesem Grund übt die IHK Kritik an der Politik: Überzogene Parkgebühren, Fahrverbote und autofreie Innenstädte ohne ausreichende Alternativen seien nicht der richtige Weg, sagt die Präsidentin. „Wer den Einzelhandel behindert, legt das Leben in unseren Stadt- und Gemeindezentren lahm“, kritisiert Breuning.

Unterstützung erfährt die IHK von Handelsexperten. „Die Mietpreise in den Toplagen sind viel zu hoch und stammen aus einer Zeit des Wachstums im Handel“, sagt Sabine Hagmann, Hauptgeschäftsführerin des Handelsverbands. Gekoppelt mit der Konkurrenz aus dem Internet und dem Flächenboom im Handel müssten inhabergeführte Betriebe ums Überleben bangen, so Hagmann. „Das muss sich jeder im Stuttgarter Rathaus endlich klar machen.“ Und: „Fahrverbote und der Rückbau von Parkplätzen sind nicht nachvollziehbar, wenn man seit Jahrzehnten kaum in den Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs investiert hat.“

Milaneo-Chefin: Wir bringen Leben in die Stadt

Bettina Fuchs, Stuttgarts Citymanagerin, sagt: „Die Stadt lebt davon, dass möglichst viele Menschen nach Stuttgart kommen.“ Auch sie spricht sich gegen drohende Fahrverbote und den Rückbau von Parkplätzen aus. Zudem ruft die Citymanagerin die Vermieter dazu auf, nicht auf den maximalen Mietpreis zu spekulieren sondern darüber hinaus auf einen stimmigen Mietermix zu achten. „Die Vielfalt des Angebots definiert die Qualität einer Handelslage und sichert so auf lange Sicht die Einkünfte “, sagt sie.

Die Managerin des Shoppingcenters Milaneo, Andrea Poul, erklärt, sie teile nicht die Auffassung der IHK-Präsidentin, dass der Zuwachs an Handelsfläche negative Folgen für die Stadt habe. „Ich verstehe diese Aussage, da die Präsidentin selbst Chefin eines inhabergeführten Handelsbetriebs ist.“ Marjoke Breuning ist die Geschäftsführerin von Maute-Benger. Andrea Poul erklärt: „Die neuen Center bringen mehr Menschen in die Stadt, das sorgt für Leben. Davon profitieren auch die traditionellen Händler.“

Der Manager des Einkaufszentrums Gerber, Kemal Düzel, betont: „Die hohen Mietpreise in der Innenstadt können sich nur filialisierte Unternehmen leisten. Dies führt dazu, dass die Haupteinkaufstraßen in den großen Städten sich gleichen.“

Stadtrat: „Gejammer der Handelsfunktionäre“

Die Politik ist in Sachen Zukunft der Innenstadt uneins. „Fahrverbote und der Wegfall von Parkplätzen treiben den Nagel nur noch schneller in den Sarg des Handels“, sagt Nicole Porsch, Sprecherin der CDU im Wirtschaftsausschuss. „Es ist falsch von der Verwaltung, die Innenstadt vom Auto und damit von der notwendigen Frequenz abzuschotten.“ Grünen-Fraktionschef Andreas Winter sagt: „Unser Zielbeschluss - weg von der autogerechten Stadtplanung hin zu einem modernen, urbanen Lebensraum City - ist der richtige Schritt, um in der Innenstadt Räume zu schaffen, wo sich Menschen gerne aufhalten.“ Und: „ Die besten Lagen findet man nicht an den Durchfahrtsstraßen, sondern in den Fußgängerzonen.“Der SPD-Fraktionsvize und ehemalige Citymanager Hans H. Pfeifer erklärt: „Die Vermietung zu Höchstpreisen ist für die Immobilieneigentümer leider kein Problem, da vor allem internationale und nationale Ketten fast jeden Preis zahlen.“ Die Folgen müssten die Kunden tragen, denn Fachhändler könnten da nicht mithalten. So verliere der Standort an Qualität, so Pfeifer. SÖS-Linken-Plus-Stadtrat Christoph Ozasek fordert angesichts der Studie eine „gesetzliche Möglichkeit für einen Mietpreis-Stop bei gewerblichen Immobilien“. Weiter sagt Ozasek: „Das Gejammer der Handelsfunktionäre über die notwendige Förderung nachhaltiger Formen der Mobilität zeugt von Kurzsichtigkeit und soll von eigenen Versäumnissen ablenken. Die Funktionäre des Handels stehen dem Handel im Weg, nicht der Gemeinderat.“

Immobilienexperte Michael Bräutigam (Colliers) stellt klar: „Für eine attraktive Innenstadt braucht es beides, eine bessere Aufenthaltsqualität und ausreichend Parkplätze.“ Sven Köhler, Handelsexperte der Dualen Hochschule (DHBW) erklärt: „Seitens der Politik sollte alles dafür getan werden, um die Rahmenbedingungen für den Handel nicht noch weiter zu erschweren.

Stadt kann schnell abgehängt werden

Christoph Achenbach, Sprecher des Arbeitskreises Handel in Stuttgart, fordert mit Blick auf die politisch weit auseinander liegenden Positionen: „Handel und Politik sollten sich auf Augenhöhe austauschen und gemeinsam an einer Lösung arbeiten.“

Der Immobilienexperte Björn Holzwarth von Ellwanger und Geiger berichtet: „Der stationäre Einzelhandel hat es grundsätzlich schwer, gegen den E-Kommerz anzutreten. Die individuelle Situation am Standort Stuttgart macht ihm dazu noch zusätzlich zu schaffen. Die Veränderung der Parksituation – Gebühren und Beschränkungen – sowie drohende Fahrverbote werden es dem Handel nicht leichter machen.“

Philipp Nothdurft, Handelsexperte bei Jones Lang Lasalle, sagt auf Anfrage: „Ja, der Wettbewerb im Handel ist härter geworden.“ Im regionalen Vergleich komme es auf ein Paket aus Kultur, neuen Angeboten, guter Gastronomie und einfacher Erreichbarkeit an, sagt er. „Da kann eine Stadt schnell abgehängt werden.“

Hintergrund zur Umfrage der IHK

Methode Die Kammer hat rund 8000 Händler in der Region angeschrieben – etwa 550 haben sich an der Umfrage beteiligt.

Mieten Die höchste genannte Miete wurde in der Stuttgarter Innenstadt mit 262 Euro pro Quadratmeter genannt. Makler berichten jedoch immer wieder von Abschlüssen weit jenseits der 300 Euro. In den 1a-Lagen der Innenstadt werden im Schnitt 82,40 Euro pro Quadratmeter bezahlt.

Region Außerhalb der Landeshauptstadt liegen die Spitzenmieten bei 98,60 Euro in Leonberg, 76,20 Euro in Esslingen und 73,40 Euro in Ludwigsburg. Im Schnitt werden dort zwischen 23 und 44 Euro pro Quadratmeter bezahlt.

Methode Die Kammer hat rund 8000 Händler in der Region angeschrieben – etwa 550 haben sich an der Umfrage beteiligt.

Mieten Die höchste genannte Miete wurde in der Stuttgarter Innenstadt mit 262 Euro pro Quadratmeter genannt. Makler berichten jedoch immer wieder von Abschlüssen weit jenseits der 300 Euro. In den 1a-Lagen der Innenstadt werden im Schnitt 82,40 Euro pro Quadratmeter bezahlt.

Region Außerhalb der Landeshauptstadt liegen die Spitzenmieten bei 98,60 Euro in Leonberg, 76,20 Euro in Esslingen und 73,40 Euro in Ludwigsburg. Im Schnitt werden dort zwischen 23 und 44 Euro pro Quadratmeter bezahlt. (hah)