Mit der Fertigstellung von Milaneo und Gerber ist die Einkaufsfläche in der Innenstadt von Stuttgart so groß wie 80 Fußballfelder. Foto: Mierendorf

Stuttgart hat die meisten innerstädtischen Verkaufsflächen. Bald kann auf einem Areal von rund 80 Fußballfeldern eingekauft werden.

Stuttgart - Der Gewerbemakler Colliers International erwartet durch das Gerber und das Milaneo neue Impulse für die stark frequentierte City von Stuttgart. Derzeit treffe die hohe Nachfrage noch auf ein viel zu geringes Flächenangebot, charakterisiert Colliers-International-Geschäftsführer Michael Bräutigam die aktuelle Situation. So gebe es noch erhebliche Lücken im Nutzermix bei einer insgesamt kaufkraftstarken Einzelhandelslandschaft. Der Immobilienmakler verhehlt aber nicht, dass sich durch die neuen Handelsflächen insgesamt das Bild der Stadt verändern wird. Zumal im Herbst dieses Jahres die beiden Einkaufscenter Milaneo und Gerber kurz nacheinander in Stuttgart ihre Pforten öffnen. Dann hat die Landeshauptstadt auf einen Schlag rund 70 000 Quadratmeter mehr Handelsfläche und 280 zusätzliche Geschäfte, die alle um die Gunst des Kunden buhlen.

Dass mittlerweile die meisten der neu auf den Markt gekommenen Verkaufsflächen vermietet seien, zeige, wie groß in der Vergangenheit der Nachfragestau gewesen sei, so Michael Bräutigam. Die Beliebtheit von Stuttgart als Handelsstandort zeige sich aber auch am Anteil der innerstädtischen Verkaufsflächen. Der liegt mit 54 Prozent deutlich vor München mit 26 Prozent und Berlin mit gerade einmal elf Prozent, so eine aktuelle Studie von Colliers International. Derzeit verfügt Stuttgart (mit allen Stadtbezirken) über eine gesamtstädtische Verkaufsfläche von 911 000 Quadratmetern. Davon sind schon jetzt allein 491 940 Quadratmeter reine Innenstadtflächen (Königstraße mit B- und C-Lagen in der City). Diese würden zunehmend von 'hochproduktiven' Einzelhandelskonzepten und ausländischen Flagshipstores besetzt.

Woher sollen die ganzen Kunden kommen?

Mit den beiden neuen Centern erhöht sich die Innenstadtfläche ab Herbst auf rund 570 000 Quadratmeter. Das entspricht etwa einer Fläche von rund 80 Fußballfeldern. Und darin eingerechnet sind noch nicht einmal die rund 11 000 Quadratmeter, die im künftigen Dorotheenquartier (Breuninger) entstehen werden. Viele, allen voran der Stuttgarter Einzelhandel, fragen sich mittlerweile ob dieser Zahlen, woher die vielen Kunden eigentlich kommen sollen, die in den bestehenden und neuen Geschäften einkaufen sollen. Doch das weiß derzeit niemand mit Gewissheit. Während die einen darauf hoffen, zusätzliche Kaufkraft aus den umliegenden Landkreisen abziehen zu können, setzen die anderen auf funktionale Merkmale wie die eines Stadtteilzentrums. Der mittelständische Einzelhandel beobachtet die Flächenentwicklung in der Landeshauptstadt schon seit geraumer Zeit mit Sorge.

Beim Gewerbemakler Colliers International will man erst einmal das kommende Jahr abwarten, wie sich der Einzelhandelsimmobilienmarkt in Stuttgart weiterentwickeln wird, bevor man sich zur kommenden Entwicklung äußern will. 'Alles andere wäre ein Blick in die Glaskugel', so Michael Bräutigam. Er schätzt, dass jährlich rund 300 Millionen Euro mehr in der City der Landeshauptstadt ausgegeben werden müssten, um zumindest den Status Quo zu erhalten. Zusätzliche Kauflust wird aus dem Umland erwartet, allerdings könnte es auch zu einer gewissen Umverteilung innerhalb der Citylagen kommen. Der Immobilienexperte vermutet, dass es nach einer Orientierungsphase der Händler im kommenden Jahr bei der einen oder anderen Einzelhandelslage zu einer höheren Fluktuation kommen könnte.

Der Grund: 'Wir glauben, dass sich durch die neuen Shopping-Center die Einkaufsströme verändern werden', so Bräutigam. Und das werde zur Folge haben, dass Unternehmen vor allem in den B- und C-Lagen der Stadt versuchen werden, durch Veränderungen ihres Standortes zu einer besseren Ausgangssituation zu kommen. Dass diese Entwicklung gerade in den Nebenlagen Preissteigerungen auslösen könnte, glaubt Bräutigam indes nicht. Der Immobilienexperte prognostiziert aber eine weitere Zunahme der internationalen Retailer (Handelsketten), die die Nachfrage in den 1-a-Lagen der Stadt weiterhin forcieren dürften.

Die Erlössituation kann sich weiter verschlechtern

Die sich weiter verschärfende Handelskonkurrenz wird dazu führen, so Michael Bräutigam, dass es zu einem weiteren Rückgang der Flächenproduktivitäten in den B/C-Lagen der Landeshauptstadt kommen kann. Mit anderen Worten: die Erlössituation für die sich in diesen Lagen befindlichen Einzelhandelsunternehmen kann sich weiter verschlechtern. Die Folgen zeigen sich schon seit Jahren in der Stadt. Wer es sich leisten kann und noch ein finanzielles Polster hat, versucht durch Umzug eine bessere Ausgangsposition zu bekommen. Wem das nötige Kapital fehlt oder wo kein Nachfolger in Sicht ist, der gibt auf.

Allerdings ist der Wettbewerb um die besten Lagen in Stuttgart nur die eine Seite der Medaille. Schon heute werden je nach Branche zwischen 10 und 30 Prozent des Handels über das Internet abgewickelt, Tendenz steigend. Wie sich einzelne innerstädtische Lagen entwickeln werden, wird auch davon abhängen, was die Eigentümer künftig in den Bestand investieren.