Staatsrätin Gisela Erler (Grüne) hat das „ABC des Zusammenlebens“ gemeinsam mit Flüchtlingshelfern erarbeitet. Foto: dpa

An Handbüchern für die Flüchtlingsarbeit besteht eigentlich kein Mangel. Doch das Thema Werte kommt darin nach Ansicht der Landesregierung zu kurz. Deshalb legt sie jetzt einen eigenen Guide auf.

Stuttgart - Die Integration von Flüchtlingen erfordert nach Ansicht der Landesregierung intensive Gespräche mit ihnen über die wichtigsten deutschen Werte und Normen. Die Staatsrätin für Zivilgesellschaft und Bürgerbeteiligung, Gisela Erler, hat deshalb in Zusammenarbeit mit Ehrenamtlichen und Profis der Flüchtlingsarbeit einen Guide entwickelt, der Anregungen zu Diskussionen liefern soll. „Dieses Buch soll verdeutlichen, was alle in Deutschland respektieren müssen, was erwünscht ist und was nicht“, sagte Erler am Mittwoch bei der Vorstellung des aus mehreren Faltblättern bestehenden Führers.

Im Gegensatz zu vielen anderen solcher Handreichungen – derzeit sind mehr als ein dutzend davon verfügbar, bis hin zur Ankommen-App des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge – richtet sich jene des Landes weniger an die Flüchtlinge selbst als an die ehrenamtlichen Helfer. Diese sollen die Blätter, die auch als große Plakate zur Verfügung stehen, als Einstieg für Gespräche über das Zusammenleben in Deutschland nutzen. Jeder könne dann seine Sicht der Dinge erklären und den anderen besser verstehen, sagte Erler.

Was sind deutsche Werte?

„Frauen dürfen alles, was Männer dürfen“, heißt es darin zum Beispiel. Und: „Männer und Frauen können Chef sein.“ „Autoritäten genießen Respekt“, lautet eine weitere Überschrift. Auch dass Zuspätkommen als unhöflich empfunden wird, dass Homosexualität in Deutschland normal und Religion Privatsache ist, sollen die Flüchtlingshelfer ihren Schützlingen nahe bringen. Die Mülltrennung wird ebenfalls nicht ausgespart. All diese Normen seien ziemlich deckungsgleich mit jenen, die das Allensbacher Institut für Demoskopie kürzlich in einer Umfrage unter den Deutschen ermittelt habe, sagte Erler: als jene Werte, die ihnen am wichtigsten sind. Die Zeichnungen sind durch kurze Überschriften und Leitsätze in Deutsch, Englisch, Französisch, Arabisch und Farsi (Persisch) ergänzt.

Sozial- und Integrationsminister Manfred Lucha sagte, das Handbuch reihe sich ein in eine lange Liste von Unterstützungsmaßnahmen für Ehrenamtliche in der Flüchtlingshilfe. Vor allem die landesweit mehr als 120 lokalen Bündnisse, in denen sich Flüchtlingshelfer zusammengeschlossen haben, seien ein großer Erfolg. Lucha kündigte an, dieses Programm weiter zu entwickeln.

Flüchtlinge haben daran mitgearbeitet

Der Führer „Ankommen – Klarkommen“ zeige mit Worten und Bildern deutlich auf, „welches Verhalten wir in unserem Land erwarten“, sagte der Amtschef des Innenministeriums, Julian Würtenberger. Um sich richtig zu verhalten, müsse man die Regeln ja erst einmal kennen. Für die Geschäftsführerin des Städtetags, Gudrun Heute-Bluhm, kommt das Buch zum richtigen Zeitpunkt, weil die Deutschen jetzt alle Anstrengungen unternehmen müssten, den Neuankömmlingen die deutschen Denkweise nahezubringen.

Die Vorstandsvorsitzende der Liga der freien Wohlfahrtspflege, Eva-Maria-Armbruster, forderte mehr niedrigschwellige Deutschkurse für Flüchtlinge. Gerade dort könne der neue Führer eine wertvolle Hilfe für Diskussionen sein. Armbruster: „Er ist eine Ergänzung, keine Konkurrenz für die bestehenden Handbücher.“ Erler zufolge entstand das Handbuch unter Beteiligung von ehren- und hauptamtlichen Flüchtlingshelfern sowie von Wissenschaftlern, Theologen und Mitarbeitern verschiedener Behörden. Auch Flüchtlinge verschiedener Altersgruppen und Herkunft seien einbezogen worden.

Die Handreichung soll in einer Auflage von 35 000 Exemplaren erscheinen und kann über den Newsletter auf www.fluechtlingshilfe-bw.de bestellt werden. Sie ergänzt das bereits von Grün-Rot herausgegebene Handbuch „Willkommen“ für Flüchtlingshelfer, dessen Neuauflage gerade in der grün-schwarzen Koalition abgestimmt wird. Die erste Auflage hatte zu einem politischen Schlagabtausch geführt, da die CDU sich an Tipps zum Vermeiden von Abschiebungen via Kirchenasyl gestoßen hatte. In dem neuen Führer mit dem Titel „Ankommen – Klarkommen“ ist davon keine Rede.